Wer NPD sagt muss auch Linkspartei sagen

Erstellt am 24. Januar 2012 von Jacobjungblog

24.1.2012 – Frühaufsteher Hans-Peter Friedrich war heute im ZDF-Morgenmagazin zu Gast und sprach dort über seine Anstrengungen gegen den Rechtsextremismus, über die umstrittene Extremismusklausel und über die Beobachtung von Abgeordneten der Linkspartei durch den Verfassungsschutz.

Dabei überraschte der CSU-Politiker nicht nur den Moderator mit einer eigenwilligen Argumentation: Wenn man die Beobachtung von NPD-Spitzenfunktionären befürwortet, dann muss man auch die Überwachung von Abgeordneten der Linkspartei gutheißen.

Wunsiedel soll überall sein

Ab heute Mittag berät der Innenminister in Berlin mit Vertretern von Politik, Kirchen und Verbänden über gemeinsame Strategien gegen Rechtsextremismus. Kompetente Unterstützung hat sich Friedrich von Seiten der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder gesichert, die ja zu den ausgewiesenen Expertinnen in Sachen Extremismus zählt.

Ihr ist nicht nur die Extremismusklausel zu verdanken, jene verbindliche Erklärung, die von jedem unterschrieben werden muss, der in Deutschland offiziell gegen Nazis eintreten will. Die Ministerin nutzt ihre Amtszeit ebenso zum Kampf gegen die „Deutschenfeindlichkeit“ und zur Initiierung und Finanzierung von „Unterrichtsmaterial“, mit dem Schülern beigebracht wird, dass die Zeitung „neues deutschland“ eine linksextremistische Publikation und die Partei DIE LINKE eine linksextremistische Organisation ist.

Im Morgenmagazin-Gespräch betont Friedrich, die Konsequenzen aus der Nazi-Mordserie seien bereits gezogen. Das gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR) habe seine Arbeit aufgenommen. Darüber hinaus stehe der Aufbau der neuen „Neo-Nazi-Datei“ unmittelbar bevor. Den Rest soll jetzt die Gesellschaft erledigen, in die der Minister „ein Zeichen aussenden“ will.

Befragt über seine persönlichen Erfahrungen mit Rechtsradikalen, führt Friedrich die jährlichen Nazi-Aufmärsche in Wunsiedel ins Feld. Seit dem Tod des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß im Jahr 1987 hatten sich jedes Jahr im August Hunderte von Nazis an dessen Grab versammelt. Weder gesetzliche Initiativen noch das Engagement der Bürger von Wunsiedel hatten etwas an der Anziehungskraft der Grabstätte für Rechtsextremisten ändern können.

Letztlich wurde das Grab im Juli 2011 aufgelöst, um dem braunen „Wallfahrtsort“ seine Bedeutung zu nehmen. Wenn sich Hans-Peter Friedrich heute im ZDF-Gespräch wünscht „Ich möchte, dass Wunsiedel überall ist“, dann wirkt das zumindest seltsam, wenn man bedenkt, dass es Politik und Behörden über mehr als 20 Jahre nicht gelungen ist, das Nazi-Spektakel in Oberfranken zu unterbinden.

Wir haben doch nichts gewusst

Ebenso seltsam wirkt die Einschätzung des Ministers hinsichtlich der mehr als zehn Jahre andauernden Mordserie der Zwickauer Nazi-Terrorzelle. Wörtlich sagt Friedrich im ZDF hierzu:

„Über viele Jahre hat man nicht gewusst, wer die Mörder sind in dieser Mordserie. Es gab keinerlei Hinweise darauf. Und jetzt muss man eben sehen, die Strukturen so zu verändern, dass man da besser auch Erkenntnisse hat.“

Einen Staat, der angesichts von neun Morden an Deutschen mit ausländischen Wurzeln nicht einmal auf den Gedanken kommt, hierin zumindest einen Hinweis auf rechtsextremistische Tatmotive zu erkennen, muss man fragen, was er überhaupt wissen wollte. Hierüber künftig „bessere Erkenntnisse“ zu haben, ist vor allem eine Frage des Willens und weniger eine Frage der Ermittlungsmöglichkeiten und Befugnisse.

Doch Friedrich ist um eine Rechtfertigung der offenkundigen Versäumnisse nicht verlegen:

„Aber sehen Sie: Es sind doch viele RAF-Morde bis heute nicht aufgeklärt. Das passiert natürlich schon, dass man bestimmten Dingen nicht auf den Grund kommt. Aber ich bin guten Mutes.“

So nutzt der Minister die Chance, einen sinnlosen aber wirkungsvollen Bogen zur RAF zu schlagen, um von dem Fehlverhalten der eigenen Behörden abzulenken. Und er kann nicht widerstehen, darauf hinzuweisen, dass die Mordserie zu Zeiten der Regierung Schröder, und damit außerhalb der Verantwortung der Union, begonnen hat.

Linkspartei und Verfassungsschutz

Die Äußerungen mit der größten Sprengkraft hebt sich Hans-Peter Friedrich für den Schluss des Gespräches im ZDF-Studio auf. Angesprochen auf das jüngst bekannt gewordene Ausmaß der Beobachtungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes gegen Abgeordnete der Linkspartei verteidigt der Minister die Arbeitsweise des Inlandgeheimdienstes:

„Also, der Verfassungsschutz hat einen gesetzlichen Auftrag, Organisationen, Parteien, die im Verdacht stehen, möglicherweise verfassungsfeindlich zu sein, zu beobachten. Als Partei es werden nicht Personen als Personen sondern Strukturen, Parteien oder Organisationen untersucht.“

In Bezug auf die Angemessenheit und Rechtmäßigkeit der Beobachtung linker Abgeordneter führt er aus:

„Es gibt erhebliche Hinweise, dass die Linke, die übrigens seit 95 vom Verfassungsschutz beobachtet wird, solche verfassungsfeindlichen Tendenzen hat. Und deswegen findet also auch eine Beobachtung, nicht Überwachung, sondern Beobachtung der Spitzen dieser Partei statt und das ist im Gesetz so vorgesehen und daran kann sich auch nichts ändern.“

Im Gesetz, genauer gesagt im Bundesverfassungsschutzgesetz, ist allerdings vorgeschrieben, dass die Behörden des Verfassungsschutzes lediglich Informationen über „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ sammeln und auswerten dürfen. DIE LINKE setzt sich zurecht gegen die Unterstellung zur Wehr, dies sei innerhalb der Partei der Fall. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde ist in Karlsruhe anhängig. Laut einer Sprecherin des Bundesverfassungsgerichtes ist noch in diesem Jahr mit einer Entscheidung zu rechnen.

Der Innenminister nimmt das ausstehende Urteil mit seiner Aussage „und daran kann sich auch nichts ändern“ bereits vorweg und liefert abschließend seine persönliche Begründung für die Notwendigkeit einer fortgesetzten Beobachtung linker Politiker

„Sie müssen bedenken, wir haben auch Spitzenfunktionäre der NPD in Parlamenten. Wenn man die allgemeine Forderung aufstellt, es darf der Verfassungsschutz überhaupt nicht mehr beobachten, was Abgeordnete machen, beobachten, also Zeitungen auswerten, Rundfunkansprachen auswerten, dann müsste ich ja sofort auch die Beobachtung dieser NPD Spitzenfunktionäre einstellen. Das kann ja nicht sein.“

Mit diesem Statement stellt Friedrich einen absurden Zusammenhang zwischen der rechtsextremen NPD und der Linkspartei her, der selbst den Moderator irritiert. Dieser quittiert die Äußerung des Innenministers nur noch mit: „Ich glaube, Sie haben mit dieser Aussage einen Ball ins Rollen gebracht, der sicherlich über den Tag noch weiterlaufen wird.

In der Tat lässt sich der Bundesinnenminister tief in die Karten schauen und zeigt deutlich, worum es ihm eigentlich geht: DIE LINKE soll durch die fortgesetzte und immer wieder öffentlich gemachte Beobachtungspraxis der Verfassungsschützer in ein kriminelles Licht gerückt werden.

Den Menschen wird suggeriert, dass sie selber leicht in Konflikt mit Gesetz und Verfassungsschutz geraten können, wenn sie sich innerhalb der Linkspartei engagieren oder öffentlich linke Positionen vertreten. Das Innenministerium nutzt seine Macht und seinen Einfluss, um unrechtmäßig in die freie politische Meinungsbildung und in demokratische Prozesse einzugreifen und wäre damit eigentlich selber ein Fall für den Verfassungsschutz.