Wer Mammuts jagt, der muss im Stehen pinkeln

Erstellt am 8. Februar 2015 von Christianhanne

Vor ein paar Tagen polarisierte Andreas Lorenz mit einem offenen Brief auf ‚Papa-Online‘, in dem er ausführte, Männer übersähen aufgrund ihres genetisch bedingt niedrigeren Aktivierungslevels einige im Haushalt zu erledigende Dinge und die Frauen müssten klare Anweisungen geben, wenn sie wollten, dass ihre Männer mal den Müll runterbringen oder Einkaufen gehen sollen. Die Reaktionen auf den Artikel reichten von wackeldackelnickender Zustimmung („Genau so isses!“) bis zu schleudertraumaauslösendem Kopfschütteln („So ein sexistischer Quatsch!“).

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Murmelmama hat daraufhin die #aufAugenhöhe-Blogparade gestartet, um über die Rollenverteilung von Frauen und Männern zu diskutieren. Der folgende Text ist mein Beitrag dazu [Falls Sie richtig gute Artikel zu dem Thema lesen möchten, schauen Sie bitte bei ‚Mama notes‘, in der ‚Jazzlounge‘ und auf dem ‚Weddingerberg‘ vorbei.].

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Bei einer Debatte über die Rollen- und Aufgabenverteilung von Männern und Frauen im Haushalt und im Allgemeinen stellt sich zunächst die Frage, ob es überhaupt angemessen ist, pauschalisierend über ‚DIE Männer‘ und ‚DIE Frauen‘ zu sprechen. Je nach Statuszugehörigkeit, regionaler Herkunft, kulturellem Hintergrund oder sexueller Präferenz unterscheiden sich Männer und Frauen doch zu stark, um sie alle über den gleichen Kamm zu scheren.

Gleichzeitig können aber Menschen laut dem Soziologen Niklas Luhmann ihre Umwelt nur verstehen und begreifen, indem sie Komplexität reduzieren (Wie die Ironie der Wissenschaft es will, hat er darüber so komplexe und komplizierte Bücher geschrieben, dass sie kaum jemand kapiert.). Diesen Ansatz scheinen auch viele Menschen zu befolgen, die noch nie etwas von Niklas Luhmann gehört haben, wenn sie über die Beziehung der Geschlechter reden. So schafft es beispielsweise Mario Barth, mit Geschichten über komplexitätsreduzierende Geschlechterstereotypen ganze Fußballstadien zu füllen (Mario Barth. Die nervende dauerquasselnde Spaßbombe. Kennste, ne?).

Für billige Pointen und um mich dem Mainstream anzubiedern, bin ich mir daher nicht zu schade, in meinen Ausführungen selbst auf verkürzte unterkomplexe und realitätsverzerrende Ansichten über die Geschlechter zurückzugreifen. Vielleicht klappt es dann auch mit einer Show im Privatfernsehen.

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Als Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen, stellen wir uns folgendes Szenario vor, wie es Samstagabends in Millionen von Haushalten zu beobachten ist:

Es ist 19 Uhr, der Mann sitzt mit einer Flasche Bier auf dem Sofa und schaut Sportschau*. Derweil stapelt sich in der Küche das dreckige Geschirr, der Müll müsste mal wieder runtergebracht werden und im Bad ruft die Wäsche auf dem Ständer danach, gefaltet zu werden. Zur gleichen Zeit versucht die Frau, die beiden Kinder ins Bett zu bringen, die sich dagegen lautstark zur Wehr setzen. (*Gerne können Sie an dieser Stelle jede andere Tätigkeiten einsetzen – außer Hausarbeit.)

Dieses Phänomen gilt es zu erklären: Warum bleibt der Mann biersaufend und fußballschauend auf der Couch sitzen, statt gemeinsam mit der Frau die Kinder ins Bett zu stecken oder das Chaos in Küche und Bad zu beseitigen?

Ein Thema, bei dem die Emotionen schnell hochkochen. Als Versuch, Sachlichkeit und Objektivität in die Debatte einzuführen, erörtere ich im Folgenden unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze, die vorgeben, Licht ins Dunkel der Geschlechterverhältnisse bringen zu können.

Vorweg muss ich zugeben, keine dieser Wissenschaftsdiziplinen studiert oder mir auf andere Weise tiefere Kenntnisse in diesen Bereichen angeeignet zu haben. [Daher ist es auch ziemlich sinnlos, in Kommentaren mit mir diskutieren zu wollen, dass ich die wissenschaftlichen Ansätze inkorrekt dargestellt habe. Ich würde es ohnehin nicht verstehen.] Als Mann halten mich Unwissenheit und Inkompetenz aber selbstverständlich nicht davon ab, trotzdem meine Meinung kundzutun. Oder wie denken Sie, werden tagtäglich Diskussionen in den Vorständen börsennotierter Unternehmen geführt?

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Die Hirnforschung: Halbe Kraft voraus!

Das menschliche Gehirn besteht aus einer linken und einer rechten Hälfte, die jeweils unterschiedliche Bereiche und Aktivitäten steuern. Während bei Frauen meist beide Hirnhälften aktiv sind, nutzen die Männer verstärkt die rechte Hälfte. Mit dieser verarbeiten sie beispielsweise abends die Erlebnisse des abgelaufenen Tages. Die linke Hälfte befindet sich derweil im Ruhezustand.

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In der linken Hirnhälfte sitzt unter anderem das Sprachzentrum. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Ehefrauen, die abends eine gepflegte Unterhaltung mit ihrem Gatten führen wollen, von diesem allenfalls unartikulierte Grunzlaute als Antworten erhält.

Die Hörfunktion steuern zwar beide Hirnhälften, aber ungünstigerweise spielt der linke Hörcortex eine größere Rolle beim Interpretieren von Geräuschen. Somit registriert der biertrinkende fußballschauende Mann, dessen linke Hirnhälfte nur im Stand-By-Modus läuft, wenn überhaupt irgendeine Art von Radau im Hintergrund, ist aber nicht in der Lage, dies als motzende Kinder einzuordnen. Folglich überhört er die plärrende Brut nicht aus Bösartigkeit, sondern sein Gehirn lässt es nicht zu.

Klingt abwegig und ist es wohl auch. Also lassen Sie uns einem alternativen Erklärungsansatz zuwenden, der gesellschaftliche Aspekte berücksichtigt.

Die Soziologie: Let’s role, baby!

Einige Strömungen der Soziologie erklären gesellschaftliche Interaktionen anhand der Rollen, die Individuen zugeschrieben und mit denen bestimmte Erwartungen verknüpft werden. Traditionell gelten Männer als Oberhaupt und Ernährer der Familie, die für die Außenkontakte zuständig sind. Frauen sind nach dieser tradierten Vorstellung für die sozialen Bindungen innerhalb der Familie und für die Kinder verantwortlich.

Diese geschlechtsspezifischen Rollen werden durch Beobachtung erlernt und Nachahmung angewandt. Unser sofasitzender, fußballschauender Biertrinker tut folglich nur das, was schon sein Vater, des Vaters Vater, des Vaters Vaters Vater und des Vaters Vaters Vaters Vater getan hat. Wobei?!? Bei letzerem gab es noch überhaupt keine Fernsehgeräte, so dass er sich Samstagabends gar nicht auf der Chaiselongue lümmeln, Fußball schauen und Hopfenkaltschalen in sich hineinschütten konnte. Nach den maulenden Plagen hat er trotzdem auf keinen Fall geschaut.

Der Erkenntnisgewinn der soziologischen Rollentheorie scheint damit auch eher begrenzt zu sein. Denn nur weil Til Schweiger seit Jahren immer die gleichen Rollen spielt und nicht plötzlich als Professor für vergleichende Literaturwissenschaft besetzt wird, heißt das ja nicht, dass Männer prinzipiell nicht doch lernfähig sind. Möglicherweise ist eine psychoanalytische Betrachtung der Geschlechterbeziehungen aufschlussreicher.

Die Psychoanalyse: Alles Schlampen außer Mutti!

Viele Ehefrauen klagen darüber, dass ihre Gatten keine Partnerschaft auf Augenhöhe wollen, sondern sich lieber wie ein Kind behandeln lassen. Seit Freuds psychoanalytischen Thesen wissen wir, dass Männer ihre Mütter begehren, ihre Väter als Rivalen betrachten und diese nur aufgrund ihrer Kastrationsängste nicht umbringen [Freudianer bewundern mich sicherlich für diese pointierte aber doch elegante Zusammenfassung.].

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Somit ist die Liebe des Mannes – wenn auch ins Unterbewusstsein verdrängt – für seine Mutter reserviert, nicht aber für die Ehefrau. Stattdessen versucht er gezielt, seine Ehe zu sabotieren, indem er sich vor Hausarbeit und Kindererziehung drückt. Diese Strategie scheint erfolgsversprechend zu sein, bringt den Mann doch jeder Abend, den er biersaufend auf der Couch vor dem Fernseher verbringt, einen Schritt näher an die Scheidung.

Aber ins Unterbewusstsein verdrängte Mütterbegierden als ursächlich für Hausarbeitsverweigerung von Männern anzuführen, mutet doch wie ein tautologischer Taschenspielertrick an und widerspricht darüber hinaus wissenschaftlichen Standards der Überprüfbarkeit. Schauen wir uns stattdessen ein Modell an, das auf die Ratio des Mannes abzielt.

Die Spieltheorie: Was nützt der Partner in Gedanken?

In den Wirtschaftswissenschaften gibt es den spieltheoretischen Ansatz des ‚Homo oeconomicus‘. Nach diesem Konzept ist der Mensch ein rationales Wesen, das durch sein Handeln darauf abzielt, persönlichen Nutzen zu maximieren.

Angesichts unseres Beispielszenarios muss man sicherlich kein intellektueller Überflieger sein, um zu erkennen, dass Sofa, Bier und Fußball einen vielfach höheren Nutzen versprechen, als sich mit den störrischen Kindern rumzuärgern. Entsprechend bleibt der Mann sitzen.

Einen Haken hat der ‘Homo oeconomicus’-Ansatz aber für unser Beispiel: Bei seiner Nutzenmaximierungsberechnung müsste der Mann kühl kalkulierend berücksichtigen, dass seine unterlassenen Hilfeleistung dazu führt, dass er später keinen Sex haben wird. So entgeht ihm der maximale Nutzen. Womöglich ist der Mann doch nicht so rational, sondern ein Sklave seiner Gene?

Die Evolutionspsychologie: Und täglich grüßt das Mammut

Die Evolutionspsychologie erklärt, wie es der Name schon vermuten lässt, menschliche Verhaltensweisen mit Erkenntnissen über die Evolution. Wenn man ihr glauben möchte, unterscheidet sich der moderne Mann, der sich Tag für Tag in einen Anzug wirft, um als Buchhalter Zahlen in Excel-Tabellen zu tippen, nur unwesentlich von unseren behaarten Vorfahren, die durch die Lande zogen, um Mammuts zu jagen. Beobachtet man Männer in einer Großraumdisco auf dem Ballermann, sind gewissen Ähnlichkeiten mit Neandertalern tatsächlich nicht von der Hand zu weisen.

Die Jagd auf die Mammuts oblag den Männern und war extrem gefährlich. Die Jäger mussten sich vollkommen auf die haarigen Elefanten konzentrieren und durfte sich von keinerlei Umwelteinflüssen ablenken lassen. Jede Unachtsamkeit konnte die letzte sein.

Dieser Fokus auf das Wesentliche hat sich beim Mann über Millionen von Jahren in die DNA und seine Gene eingebrannt. Dies führt dazu, dass der biertrinkende Sofasitzer von heute evolutionär bedingt alles außer dem Fernseh-Fußball ausblendet. Somit nimmt er auch den pöbelnden Nachwuchs nicht wahr.

Die steinzeitliche Mammutjagd gilt übrigens auch als ursächlich dafür, dass Männer nicht im Sitzen pinkeln können. Ein Sitzpinkler hätte auf der Jagd nicht schnell genug fliehen können, wenn das Mammut sich plötzlich gegen den Jäger wendet. Das wirkt bis heute nach. Und mit gutem Grund: Wer möchte schon gerne tot auf der Toilette gefunden werden? [Ein Mörder-Gag, bei dem ich förmlich Mario Barth vor mir sehe, wie er sich vor Lachen die Schenkel blutig klopft.]

Aber richtig überzeugend ist die ‘Mammut-Wissenschaft’ auch nicht. Es erscheint doch ein wenig an den Haaren herbeigezogen, dass Männer ihr Verhalten von einem Tier diktiert bekommen, das größtenteils vor mehr als zehntausend Jahren ausgestorben ist. Dabei gibt es heute doch viel realere Gefahren: zum Beispiel Reality-TV, Helene Fischer oder Saitenbacher-Werbung im Radio.

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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass leider alle hier – verkürzt und verzerrt – erörterten Ansätze wenig oder noch weniger zufriedenstellend sind. Jedoch gibt es eventuell doch eine überzeugende Erklärung. Eine nicht sehr wissenschaftliche, aber sehr einfache und naheliegende.

Möglicherweise haben es sich die biersaufenden und fußballschauenden Männer einfach auf dem patriarchalen Sofa bequem gemacht, wo sie sich hinter Mammuts verstecken, um nicht ihren Beitrag im Haushalt zu leisten und die quengelnden Kinder ins Bett bringen zu müssen. Eine partnerschaftliche Beziehung auf Augenhöhe führen sie dann allerdings nicht. Kann man ja mal drüber nachdenken.

Ich kontaktiere inzwischen Mario Barth. Vielleicht möchte er meinen Text für sein nächstes Programm kaufen. Platt genug ist er ja.