“Wer keine Qual hat, macht sie sich selber.” Lebens-Lagen #39: 28. Oktober

C.F. Zelter: Gemälde von Carl Joseph Begas, 1827, das im hier zitierten Brief später noch erwähnt wird.

Portrait C.F. Zelters von Carl Joseph Begas, 1827, das im hier zitierten Brief später noch erwähnt wird.

Carl Friedrich Zelter (1758-1832) erlernte ursprünglich den Beruf seines Vaters – Maurermeister -, bildete sich nebenbei aber autodidaktisch musikalisch weiter und wurde später zu einem einflussreichen Musiker, Komponisten und Kulturpolitiker.

Im Februar 1802 begegnete Zelter während eines Besuchs in Weimar zum ersten Mal Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Die beiden hatten lange schon Kenntnis von den Arbeiten des jeweils Anderen genommen und waren begierig darauf, einander kennenzulernen. Goethe und Schiller trafen sich vom 23. Februar an bis zum Ende seines Aufenthalts immer wieder mit dem aus Berlin stammenden Zelter. “Eine wahrhafte Neigung, auf wechselseitiges Kennen und Anerkennen gegründet, entspann sich”, hielt Goethe Jahre später in seinen Tag- und Jahres-Heften fest. Der Nachwelt bleibt diese Neigung unter anderem als Briefwechsel erhalten, der sich über drei Jahrzehnte – vom August 1799 bis zum März 1832 – erstreckt. Der letzte Brief, den Zelter an Goethe schrieb, trägt das Datum 22. März 1832: Goethes Todestag. Zelter selbst verstarb drei Monate danach, am 15. Mai.

Dieser Briefwechsel enthält Diskussionen zu literarischen und musikalischen Fragen, bezieht seine Bedeutsamkeit aber insbesondere auch aus der Offenheit, mit der die beiden Freunde über Alltägliches und Gefühle sprechen oder Klatsch und Tratsch austauschen. Es sind wenige Gesprächspartner bekannt, denen gegenüber Goethe eine derartige Offenheit gezeigt hat. Dass Zelter eine der wenigen Personen war, die er duzte, legt davon Zeugnis ab.

Ein Beispiel für dieses Besprechen nachbarschaftlicher Angelegenheiten: Am Sonntag, den 28. Oktober 1827, schrieb Zelter an Goethe:

“Wer keine Qual hat, macht sie sich selber. Die bekannte Heiratsgeschichte ist etwas schlimmer, als man sie sich denken möchte. Die Braut soll als nicht intakt befunden sein. Das wäre nichts Neues, wenn es wahr wäre. Der junge Mann aber hat sich so stürmisch und mit Eklat betragen, dass ihm die Angetraute nach überhäuften Beschimpfungen entfliehn und ihre Zuflucht zur Gräfin v.d. Recke suchen müssen; endlich, als der Vater erschienen, hat er diesen Vater der Beflickung seines Kindes ins Angesicht beschuldigt. Der Vater ist nun bereits klagbar geworden und die Ehe soll aufgehoben werden.
Die Freunde des jungen Mannes sagen nun endlich aus, sie hätten schon in Rom von ihm gewusst, dass ihm eine gewisse Potenz abgehe; sogar sein natürlicher Vater (unser Antiquarius) und auch seine Mutter sollen davon unterrichtet gewesen sein. Der Vater des Mädchens wird am meisten bedauert, der noch an einem frühern Missverhältnis zu schleppen hat, dessen Frucht diese Tochter ist, und nun rühren sich die beiden Familiengeschichten wie ein stinkiger Brei ineinander.
Von meiner Seite will ich nur dabei bemerken, dass solche Vorfälle mir stets die “Wahlverwandtschaften” ins Gedächtnis zurückrufen. Man ist viel zu leichtsinnig, solche Kasus wie Meteorsteine anzuschauen.”1


1. Aus: Der Briefwechsel zwischen Goethe und (Karl Friedrich) Zelter

Ein längerer Text zum Verhältnis zwischen Zelter und Goethe findet sich auf dem Goethezeitportal.

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