Wer ist schon Hendryk Miller - Storyboard

Von Derbalubaer

In diesem Artikel gebe ich einen weiteren Einblick in die Entstehungsgeschichte (m)eines Romans. Wie bei allem im Leben ist meine Herangehensweise eine von vielen möglichen, und andere Schriftsteller werden anders vorgehen. Es muss jeder für sich herausfinden, was der zielführendste, effizienteste und passendste Workflow ist. Autoren, die den kreativen Schaffensweg bevorzugen, machen sich oft nur ein paar Notizen und schreiben drauf los. Sie haben lediglich eine Handvoll Eckpunkte und einen Faden zurechtgelegt. Alles andere entsteht unterwegs auf dem Weg zum Ziel.

Das ist nur ein Dummy - 
ich will ja nicht gleich alles verraten ;)

Die Gefahr bei dieser Methode ist, dass man sich vergaloppiert. Der Protagonist macht plötzlich Sachen, die man derart nicht erwartet hat. Man spricht vom Eigenleben der Figuren. Es braucht einiges an Übung, solche Situationen in den Griff zu bekommen.
Ich bin eher der Techniker und Werkzeugbenutzer. Je konstruktiver ich eine Geschichte vorbereite, desto weniger laufe ich später Gefahr, in einem Schreibloch hängen zu bleiben. Mir ist es ganz Recht, jeden Tag zu wissen, was mich und meine Figuren am nächsten erwartet. Das heißt nicht zwingend, dass ich den gesamten Roman von Anfang bis Ende vollständig durchplane, aber zumindest die wichtigen Abschnitte oder Kapitel bereite ich vor.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Während ich das Exposé in seiner ersten, zweiten oder dritten Version schreibe - es muss dazu noch lange nicht Verlagsreife erreicht haben - entsteht gleichzeitig eine Kapitel- und Szenenliste. Dazu definiere ich mir bereits vorher den Startpunkt - den Auslöser der Geschichte (Hendryks Roman wird abgelehnt) - die Wendepunkte (die Begegnung mit Rafael), die Höhepunkte (1. Frank vertraut Hendryk seinen dunkelsten Punkt an; 2. Verrate ich nicht; 3. Die Verhaftung des wahren Täters) und den Schluss (Rafaels wahre Identität). Diese wichtigen Punkte, mit denen der Roman im Grunde steht und fällt, verbinde ich dann mit den notwendigen Szenen. Diese Szenen müssen Fragen aufwerfen, sie wieder beantworten, den Leser in die Irre führen oder ihm einen Aha-Effekt verschaffen. Egal was, es muss zur Geschichte passen und am Ende der Szene oder des Abschnittes dazu animieren, weiter zu lesen.
[Bücher zur Dramaturgie, die darlegen ob eine Geschichte in „3 Akten“, „5 Akten“ mit „Point of no Return“ in der Mitte, weiter vorn oder hinten, konstruiert werden sollen, gibt es zu Hauf. Darüber möchte ich mich an dieser Stelle nicht auslassen.]
Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dem Leser die Möglichkeit zu geben, sich auszuruhen. Er muss zwischen den Szenen Gelegenheit bekommen, Luft zu holen. Wenn über mehrere Seiten hinweg Spannung aufgebaut oder düstere Stimmung erzeugt wird, dann ist es nötig, mal eine kleine Liebesszene oder eine Verschnaufpause in einem sicheren Versteck für die vor der Polizei Flüchtenden, einzubauen. Es ist das Wechselbad der Gefühle, das eine Geschichte lesenswert macht - nicht die ununterbrochene, von Anfang bis Ende dauernde Furcht vor dem Monster. Das wird mit der Zeit zu anstrengend.
Während der Arbeit kann es sein, dass mir neue Szenen einfallen, oder neue Ideen und Wendungen auftauchen. Schlussendlich habe ich meistens einen richtigen Haufen, den ich nochmal in die richtige Reihenfolge bringen muss. Man kann die Arbeit mit der eines Archäologen vergleichen, der erst mühsam alle Knochenteile aus dem Dreck wühlt und sie dann endlich Stück für Stück zusammensetzt, bis ein ganzes Skelett entsteht. Manchmal ist ein Teil dabei, das zu einem anderen Skelett gehört und manchmal begibt man sich auf die Suche nach einem fehlenden Stück.
Dieses Skelett ist dann mit mehr oder weniger Informationen, Hinweisen, Notizen, einzelnen Sätzen, Dialogen oder Passagen angereichert, die mir während der Arbeit an den Szenen ein- oder zugefallen sind.
In den Programmen Writer’s Café und Storybook gibt es dafür die Storyboards, die diese Arbeit unterstützen.
Nun - ein weiterer Schritt, den ich vor der Szenenliste oder gleichzeitig abarbeite, ist das Erstellen von Charakterbeschreibungen. Aber darüber in einem anderen Artikel