Wer hat hier die Hosen an?

Frauen, die vorangehen, sind im Kommen. Kurzbiografien über sie auch. Trotzdem greifen die meisten Porträtsammlungen zu kurz...

Foto: Kremlin.ru, Lizenz: CC BY 3.0

Skandal im Bundestag. Da hat doch tatsächlich eine Frau die Hosen an - und ihren Rock im Schrank gelassen. Die traut sich was! "Sie sind eine ganz disziplinlose Person", schimpfen die einen an diesem 15. April 1970. Für die anderen ist Lenelotte von Bothmer eine Heldin, die etwas gewagt hat, wofür niemand vor ihr den Mut gefunden hat. Sie ist eine Erste, wie alle anderen Frauen auch, von denen der an sich gut gelungene Sammelband von Barbara Sichtermann und Ingo Rose berichtet. Trotzdem läuft die boomende Frauenbiografik Gefahr, sich in unzeitgemäßer Emanzipationsrhetorik zu verlieren. Denn um die Leistungen starker Frauen zu erkennen, braucht es eigentlich längst keinen Vergleich mit Männern mehr...

Wer hat hier die Hosen an?

Barbara Sichtermann / Ingo Rose

Die Erste

Mutige Frauen verändern die Welt

Erschienen bei insel taschenbuch im September 2014. 144 Seiten kosten in der Taschenbuchausgabe 12,95 €.


Der Markt für Biografienbände wächst und wächst. Das ist kein Wunder. Das Format ist angenehm: Kurzportaits sind wie Kurzgeschichten appetitliche Lesehäppchen, die man guten Gewissens mal zwischendurch genießen kann. In der Biografik haben sie meistens eine sogenannte Klammer: Irgendwas, das die Portraitierten gemeinsam haben: Berühmte Ärzte, Musiker, Maler, Entdecker und so weiter. Und: Frauen. Immer mehr Portraitbände nehmen das Geschlecht zur Klammer. Zwischen ihren Buchdeckeln sind Frauen versammelt, die dann aber noch irgendetwas anderes gemeinsam haben müssen: Schöne Frauen, kluge Frauen, mutige Frauen und so weiter und so fort.

Wer hat hier die Hosen an?

Das wirkt leider sehr oft aufgesetzt, denn die Botschaft solcher Bücher ist fast immer: Seht her, die Frauen können es auch. Und genau da liegt das Problem: Emanzipationsrhetorik dieser Art bewirkt schnell mal das Gegenteil. Die Sensationsaufmachung, in der die Leistungen starker Frauen in den Biografieregalen abgefeiert werden, vermitteln eher den Eindruck, als sei das etwas ganz besonderes und deshalb - anders als bei Männern, die das gleich leisten - besonders bewundernswert. Je mehr aber eine vermeintliche Geschlechterunterscheidung angeprangert wird, desto fester wird sie in der Wahrnehmung zementiert - auch wenn sie noch so unzeitgemäß ist.

Der Sammelband Die Erste ist da zum Glück etwas anders aufgezogen, auch wenn auch hier Portraits von Frauen dominieren, die zum ersten Mal etwas getan haben, was  Männer schon vorher gemacht haben (Kampfpilotin, Regierungschefin, Moderatorin). Wahrscheinlich wäre für diese Frauen der Titel des Vorworts der passendere Buchtitel gewesen: Türöffnerinnen. Das geht. Unter diesem Blickwinkel ist der Sammelband über mutige Frauen selbst ein gut gelungener Mutmacher. Aber es geht entweder nicht weit genug oder zu weit - je nach Perspektive. Die Autoren stellen selbst fest, dass wir in einer "Zeit der Ersten" leben. In vielen Bereichen - nicht in allen! - haben wir diese Zeit der Ersten jedoch allmählich hinter uns. Es gibt bereits eine ganze Reihe von Frauen, die durch die geöffneten Türen treten. Manche Türen werden regelrecht eingerannt: Beispielsweise sterben die Lehrer aus und das ist eine mittlere Katastrophe für die heranwachsenden Jungs (und Mädchen), die auch männliche Bezugspersonen brauchen.

Wer hat hier die Hosen an?

Zum Glück warten auch andere Sichtweisen auf die Leserinnen und Leser des Sammelbands. Eine gute Story ist eine gute Story, da gibt es keinen geschlechtlichen Index", wird die erste Chefredakteurin der New York Times, Jill Abramson zitiert. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Auch, dass sich nicht Otto Hahns Begriff der 'Atomzerplatzung' durchgesetzt hat, sondern dass nach Lise Meitner von 'Spaltung' geredet wird, ist ein Beispiel für echte Erstleistungen, wie sie Männer und Frauen  gleichermaßen erbringen. Wie schade also, dass zum Beispiel das lesenswerte Portrait über die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, als Aufmacher die sexuellen Eskapaden ihres Vorgängers nötig hat. So ganz kann sich also auch dieser Sammelband nicht lösen von den eingeschliffenen Argumentationsfiguren... 

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