Seitdem unsere Kinder vor gut eineinhalb Jahren den alternierenden Küchendienst eingeführt haben, verläuft kein Tag mehr wie der andere.
Montag
„Muss ich denn unbedingt jetzt schon Küchendienst machen? Ich könnte doch am Abend mehr machen.“
„Am Abend hast du Therapie und Hausaufgaben und meistens bist du danach so müde, dass du gar nichts mehr machen magst.“
„Ach sooooo. Ja, aber dann könnte ich doch morgen helfen…“
„Nein, das geht nicht, denn morgen hast du auch ein volles Programm. Komm, wir legen los.“
„Oooookaaaayyyy.“
Kind kommt in die Küche geschlurft, trägt ein paar Teller zur Spüle. „Was muss ich jetzt noch machen?“
„Den Tisch fertig abräumen.“
„Aber das ist nicht meine Aufgabe. Jeder muss doch sein eigenes Geschirr abräumen.“
„Ja, natürlich, aber da sind auch noch Pfannen, Schüsseln und Getränke wegzuräumen.“
„Das finde ich aber unfair. Eigentlich müsste doch jeder dabei helfen, den ganzen Tisch leer zu räumen, denn wir haben ja nicht jeden Tag gleich viel drauf und wenn ich jetzt zum Beispiel heute drei Pfannen abräumen muss und Karlsson beim nächsten Mal nur eine, dann ist das nicht gerecht und ich finde, es sollte alles gerecht sein, denn darum haben wir den Küchendienst ja eingeführt und wenn nicht alle genau gleich viel machen müssen, sollte derjenige, der mehr machen muss, beim nächsten Mal weniger…“
So geht es weiter und weiter und weiter, bis das Kind zum Schluss gekommen ist, wir seien ganz schrecklich ungerechte Eltern und Amnesty International müsse ganz dringend mal einen Blick in unsere Küche werfen. Derweilen wird ein bisschen Geschirr in Richtung Spüle bewegt, der Esstisch wird kurz abgewischt und vielleicht wird auch noch der Abfall sortiert, aber dann ist es leider auch schon wieder Zeit, zur Schule zu gehen.
Dienstag
Das Kind kommt von der Schule nach Hause, stürmt in die Küche und ruft: „Was gibt’s heute?“
„Blumenkohl, Nudeln mit Zitronenrahmsauce und Poulet.“
„Mjam, Blumenkohl! Der ist für mich ganz alleine! Wie viele sind wir heute?“
„Sechs. Karlsson isst in der Schule.“
Das Kind geht unaufgefordert ins Esszimmer, um den Tisch zu decken. Meistens für sieben Personen.
Später, wenn auch der letzte Rest Blumenkohl in seinem Magen verschwunden ist: „Ich mach jetzt eine Pause.“
„Aber nur zehn Minuten. Du hast noch Küchendienst.“
„Mann! Immer Küchendienst. Ich muss verdauen.“
Zehn Minuten später erscheint das Kind in der Küche. „Was muss ich machen?“
„Den Tisch sauber machen.“
„Okay.“ Das Kind schnappt sich ein Küchentuch.
„Doch nicht mit dem Küchentuch! Dazu brauchst du einen Lappen.“
„Ach so.“ Das Kind geht ins Badezimmer, um sich einen Waschlappen zu holen.
„Doch nicht mit dem Waschlappen! Nimm den hier, der ist frisch gewaschen.“
Das Kind nimmt den trockenen Lappen und geht in Richtung Esszimmer.
„Den musst du doch erst noch nass machen, sonst wird der Tisch nicht sauber.“
„Ach so, stimmt. Habe ich vergessen.“
Irgendwann ist der Tisch dann doch sauber und meist reicht die Zeit sogar noch, um den Geschirrspüler auszuräumen und den Abfall zu sortieren. Man muss dann einfach kurz nachkontrollieren, denn es könnte durchaus sein, dass die leere Milchflasche im Kühlschrank gelandet ist, die Kaffeetasse im Vorratsraum und der Reibkäse im Treppenhaus.
Mittwoch
„Ich komme gleich, um die Küche aufzuräumen, ich muss nur noch schnell den Plattenspieler holen gehen.“
Zehn Minuten später erscheint das Kind mit dem Plattenspieler und einem Stapel Schallplatten unter dem Arm.
„Ist Bach okay, oder wollt ihr lieber Louis Armstrong?“
„Egal. Ist beides schön. Können wir anfangen?“
„Gleich. Ich muss nur noch schnell das richtige Stück suchen.“
Augenblicke später klingt laute Musik aus dem Esszimmer, das Kind kommt in die Küche, schnappt sich den Abfalleimer, um den Müll im Treppenhaus sortieren zu gehen.
„Schliess die Tür! Es wird kalt hier drinnen.“
„Kann nicht! Sonst höre ich die Musik nicht.“
Wenig später ist das Kind wieder in der Küche. „Was muss ich noch machen?“
„Den Geschirrspüler ausräumen.“
„Moment, muss erst noch die Musik lauter machen.“
„Was hast du gesagt?“
„Muss die Musik lauter machen. Man hört ja kaum etwas.“
„Kann dich nicht verstehen. Die Musik ist zu laut. Kannst du die nicht etwas leiser drehen?“
Kind geht ins Wohnzimmer, dreht die Musik voll auf und kommt zurück in die Küche, um den Geschirrspüler auszuräumen. Danach wird fleissig weiter gearbeitet, bis die Schallplatte zu Ende gespielt ist. Meistens sind Küche und Esszimmer dann auch sauber. Es kehrt himmlische Ruhe ein, der Plattenspieler bleibt aber mindestens bis Samstag im Esszimmer stehen, denn nach getaner Arbeit hat man nicht auch noch die Energie, das Ding wegzuräumen.
Donnerstag
Kaum ist der letzte Bissen im Mund verschwunden: „Kann ich nach draussen gehen?“
„Nein, du hast Küchendienst.“
Das Kind zieht eine Schnute. „Und eine Folge schauen?“
„Nein, du hast Küchendienst.“
Das Kind ist eingeschnappt. „Mann! Immer muss ich arbeiten!“
„Nun hab dich nicht so. Alle müssen mal helfen.“
„Ja, aber das ist voll unfair. Immer muss ich arbeiten. Immer!“
Voller Zorn macht sich das Kind an die Arbeit, fegt wie ein Herbststurm durch Küche und Esszimmer, knallt das Besteck in die Schublade und den Abfall in den Eimer, stapft wütend mit dem Altpapiersack zum Container und schafft so die ganze Arbeit in Rekordzeit. Zum Glück auch. Allzu lange hält man diese miese Stimmung nicht aus.
Freitag
Vor dem Mittagessen: „Kannst du bitte herkommen. Du musst den Tisch decken.“
Mit schlecht kaschierter Unlust macht sich das Kind an die Arbeit.
Nach dem Mittagessen: „Kann ich meinen Küchendienst heute Abend nachholen? Ich muss gleich zur Schule und vorher muss ich unbedingt noch einmal Mathe anschauen. Ich mach dann auch ganz bestimmt das Doppelte am Abend.“
„Wenn’s sein muss. Ist zwar nicht ganz fair.“
Vor dem Abendessen: Noch einmal widerwilliges Tischdecken.
Nach dem Abendessen: „Können wir mit dem Küchendienst etwas später anfangen? Ich brauche unbedingt eine Pause.“
„Himmel, allmählich reicht’s mir. Du kannst nicht immer alles aufschieben.“
„Komm schon, nur eine winzige Pause. Ich mache dann auch ganz bestimmt das Doppelte.“
„Von mir aus. Aber nicht mehr als fünf Minuten.“
Acht Minuten später, nach zehnmaligem Rufen erscheint das Kind in der Küche.
„Könntest du bitte den Tisch…“
„Hab schon angefangen, Mama.“
Wenig später ist der Tisch tatsächlich sauber abgeräumt. Das Kind schnappt sich einen Lappen.
„Igitt, der ist aber nicht ganz frisch. Hast du mir einen Sauberen?“
Augenblicke später ist der Tisch sauber. Wirklich sauber.
„Könntest du jetzt bitte noch…“
„Ich hab bereits mit dem Abfall angefangen. Wenn ich das erledigt habe, räume ich noch schnell den Geschirrspüler aus.“
Wenig später: „Kannst du bitte noch die Getränke wegräumen.“
„Ja, mach ich. Aber wohin damit? Auf den Balkon können wir sie nicht mehr stellen, jetzt, wo es manchmal schon siebzehn Grad ist draussen. Weisst du was? Ich mach schnell Platz im Vorratsraum.“ Das Kind macht sich an die Arbeit und fragt dann: „Ist es okay, wenn ich die Reste in kleinere Gefässe umfülle, oder hast du eine andere Aufgabe für mich?“
„Ääääh, nein, ist natürlich okay für mich.“
„Mist, diese Folie ist völlig unbrauchbar. Ich finde, wir sollten uns da mal eine bessere Lösung ausdenken.“
„Ja, du hast wohl recht…“
„Was kann ich noch machen?“
„Tja, also… ich glaube, wir sind fertig.“
„Weisst du, mich dünkt, ich muss immer viel weniger machen als die anderen.“
Wie bitte? Ihr möchtet Namen sehen? Vergesst es! Wer unsere Kinder auch nur ein bisschen kennt, weiss genau, wer an welchem Tag dran ist.