Wer fürchtet sich vor der Überpronation?

Wer fürchtet sich vor der Überpronation? Der Verkäufer blickt dich nach der Videoanalyse besorgt an und meint „Sie sind eindeutig ein starker Überpronierer! Da müssen wir einen sehr stabilen Schuh holen, damit Sie sich beim Laufen nicht verletzen“. Und bringt dir einen, der wahrscheinlich auch um einiges teurer ist, als herkömmliche Laufschuhe. Das muss es dir und deiner Gesundheit wert sein, denn wer will sich schon mit falschen Schuhen eine Überlastung einlaufen? Leider ist das aber ein falscher Trugschluss!
Die Pronation, ist medizinisch gesehen eine „Drehung des Fußes um seine Längsachse“. Du kannst es ausprobieren: drehe den Fuß so, dass du die Außenseite nach oben ziehst, dann kommst du von der Neutralposition in die Pronation. Umgekehrt (wenn du die Außenseite nach unten ziehst) wäre es eine Supination. Diese Pronation ist nicht umsonst, nein die Natur hat sich dabei etwas gedacht. Denn wir laufenden Menschen haben mit der Pronation ein zusätzliches Dämpfungssystem im Sprunggelenk, das über Bänder und Muskeln stabilisiert wird. Denn in der Stützphase eines jeden einzelnen Laufschritts federt diese Pronation den Aufprall etwas ab. Außerdem können wir uns mit dieser Drehung im Sprunggelenk auch besser an Unebenheiten des Untergrunds anpassen (siehe Titelfoto).
Wenn die Pronation also so wichtig für uns aufrecht laufenden Menschen ist, wieso ist sie gerade beim Kauf der Laufschuhe ein so großes Thema und vor allem wieso muss sie korrigiert werden? Wie schon vor einigen Jahren in diesem Infokanal beschrieben, hat die Überpronation einerseits einen technologisch-geschichtlichen Hintergrund: die Schuhe selbst provozierten durch die übermäßige Dämpfung eine Überpronation. Deshalb gibt es bei Läufern deutlich mehr „Überpronierer“ als bei Nichtläufern. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Menschen, die knicken von Natur aus deutlich mehr ein als sie eigentlich sollten. Ich habe einmal von einer Prävalenz von etwa 3 bis 5 % gelesen. Ich nehme an, das wird ungefähr hinkommen.
Diese übermäßige Drehung kann sich bis ins Knie fortsetzen und am Weg dorthin Probleme verursachen: Sprunggelenk, Achillessehne, Schienbein, Knie und sogar bis in die Hüfte hinauf. Diese Überpronierer werden beim Laufschuhkauf standardmäßig als gefährdet eingestuft und sollten gestützt werden.
Und jetzt beginnt das Dilemma. Wenn ich gestützte Schuhe trage, dann bekommt der Körper das Signal, dass ich laufen kann, ohne mich dabei zu überfordern. Von außen her gibt es genügend Unterstützung, die mich nicht in die (Über)Pronation fallen lässt und damit wird keine Überlastung in anderen Bereichen verursacht. Das ist eine passive Unterstützung (so wie eine Einlage), die langfristig bewirkt, dass der Körper überhaupt keinen Anlass mehr sieht, sich muskulär selbst zu stabilisieren. Durch den Ausgleich der Überpronation mit einer Pronationsstütze passiert nun genau der gegenteilige Effekt: Langfristig wird die Überpronation noch größer, da eigentliche stützende Muskulatur im Sprunggelenk abgebaut wird!

Aktiver oder passiver Laufstil?

Passive Unterstützungen (wie Einlagen, Orthesen oder auch Pronationsstützen) haben im Sport immer nur kurzfristig bei akuten Verletzungen eine Berechtigung. Damit entlastet man die betroffenen Bereiche und der Heilungsprozess funktioniert schneller. Langfristig muss man aber dafür sorgen, dass man selbst die nötigen Ressourcen aufbaut und nicht abhängig von dieser Unterstützung wird. Sonst schleppt man das Problem immer mit und es wird sich an der Verletzungshäufigkeit nichts ändern.
Im Leben ist Passivität nie wirklich zielführend. So auch nicht beim Laufstil. Setzte ich nämlich den Fuß bremsend gegen die Laufrichtung und mit der Ferse (vielleicht auch mit gestrecktem Knie) auf, dann drückt mich das Körpergewicht noch mehr in die Überpronation, da die entsprechende Muskulatur nicht aktiviert wurde. Bei einem aktiven Laufstil wird hingegen der Fuß so aufgesetzt, dass beim Aufprall die nötigen Muskeln bereits aktiviert sind. Und nur so kann man den Effekt der Pronation nützen. Nützen wir sich zu 100 %, denn sie ist eine natürliche Dämpfung, die nur wir Menschen im Fußgelenk haben! Kein Laufschuh kann sie ersetzen.

Laufanfänger falsch beraten!

Diese zu Beginn geschilderte Erfahrung beim Laufschuhverkäufer prägt einen Läufer ein ganzes Läuferleben. Viele denken nämlich, dass sie, wenn sie einmal eine starke Überpronation diagnostiziert bekamen, immer mit dieser teuflischen Deformation im Sprunggelenk zu kämpfen haben. Auch das stimmt in dem Sinn nicht, denn wenn jemand mit dem Laufen erst beginnt, dann wird sich die stabilisierende Muskulatur überhaupt noch nicht entwickelt haben, geschweige denn wird er einen aktiven Laufstil laufen können. Es ist nur logisch, dass man beim Laufschuhkauf etwas nach innen knickt. Der Körper kennt das Laufen noch gar nicht. Doch gerade für Anfänger ist es wichtig, sich nicht in einen vorgegebenen, gestützten und unterstützten Bewegungsablauf einzwängen zu lassen. So wird man sich seinen eigenen Laufstil nie erlernen können. Und schon gar nicht unabhängig von diesen Laufschuhen werden, im Gegenteil! Je länger man mit diesen Schuhen läuft, desto schwieriger wird es, davon loszukommen.

Was bedeutet das für dich?

  • arbeite an deiner Lauftechnik – immer!
    Wenn du deine Lauftechnik verbesserst, werden sich auch deine Laufschuhe verändern. Du wirst mit gestützten Schuhen nicht mehr laufen wollen und schon gar nicht laufen können, auch wenn du momentan nur mit solchen laufen kannst. Deine Verletzungsanfälligkeit wird aber sinken, trotz Überpronation.
  • unterschätze nicht die Überpronation
    Wenn du eine Überpronation hast, dann sind gestützte Schuhe (zumindest mittelfristig) noch immer wichtig, damit du dich nicht verletzt. Sie haben eine Berechtigung, wenn du nichts an deinem Laufstil änderst.
  • andere Laufschuhe
    Lege dir leichtere Trainingsschuhe zu. Ungestützte Schuhe mit einer geringen Dämpfung und Sprengung. Mit diesen Schuhen absolvierst du deine kurzen und/oder intensiven Einheiten wie zum Beispiel das Techniktraining oder kurze, knackige Intervalle.
  • „homöopathischer“ Einsatz
    Ändere deinen Laufstil bzw. deine Laufschuhe nicht zu schnell. Der Körper braucht seine Zeit, um sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen und die nötigen Muskeln aufzubauen.
  • trainiere deine Fußmuskulatur
    Ein guter Läufer hat eine starke Fußmuskulatur und eine bewegliche Fußgelenke. Versuche, mit den Füßen einen Knoten in ein Handtuch zu knüpfen, zerknülle eine Zeitung mit den Füßen, beuge und strecke die Zehen und aktiviere sie damit. So stärkst du die feinen Muskeln in deinen Füßen und sie können beim Laufen auch eingesetzt werden.
  • Barfuß gehen
    Nütze jede Gelegenheit, um barfuß zu gehen. Es muss nicht unbedingt das Barfußlaufen sein (das wäre noch eine Stufe höher und aufwendiger)! Sobald du barfuß gehst, wird sich die stabilisierende Muskulatur in deinen Füßen verbessern. Auch deine Beweglichkeit wird dadurch verbessert, weil du keinen Absatz unter der Ferse hast.

Und wer fürchtet sich nun noch vor der bösen Überpronation?


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Nimm dir etwas Zeit und investiere ein paar Trainingsminuten nach dem Konzept dieses amerikanischen Phystiotherapeuten. So bekommst du "Läuferfüße"
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