Wer Familie hat, braucht keine Feinde mehr

Wer Familie hat, braucht keine Feinde mehrDie Weihnachtszeit ist soooo schön und stressig aber für mich trotzdem schön. Ich sehe meine Familie und wir essen alle zusammen und verbringen meist relativ harmonisch einige Tage.

Das die Weihnachtszeit auch eine B-Seite hat, bewies uns schon die liebe Bella mit ihrem fantastischen Text. Nun kommts aber richtig dick. Vor einiger Zeit, gab ich einer anonymen Schreiberin, d en Platz über ihre Oma und die Krankheit Demenz zu schreiben. Leider verschärft sich die Situation immer mehr und Sie bat mich, ihrer Seele etwas Last zu nehmen und erneut etwas schreiben zu können.

Als ich von ihrer Geschichte las, dann war ich sofort sehr traurig. Diese Krankheit nimmt nicht nur den Betroffenen das Leben was Sie bisher kannten, einfach weg. Den Angehörigen, die ich ebenfalls als Betroffene ansehe, die geben ihr Leben auch ein Stück weit auf und wie sehr das an den Kräften zehren kann, das könnt ihr jetzt nachlesen. Weihnachten kann eben auch zum Albtraum werden.

Weihnachten 1992

Ich stehe kurz vor meinem 5. Geburtstag und freue mich auf den 2. Weihnachtstag. Denn da kommt
die Familie immer bei den Großeltern zusammen. Mit der Familie sind meine Großeltern, Eltern,
Tante und Onkel, Cousin und Cousine gemeint. Meine Großeltern wohnen unter uns, von daher ist
der Weg nicht weit. Schon den ganzen Morgen warte ich sehnlichst auf das Ankommen der Familie.
Zusammen wird zum Mittag gegessen, später gibt es noch Kuchen und Kekse. Es wird viel gespielt
und wir haben einen tollen Nachmittag.
Weihnachten 2015

23 Jahre später sieht leider alles anders aus. Am 2. Weihnachtstag treffen wir uns schon viele Jahre
nicht mehr. Meine Oma ist nach einem Schlaganfall und mit ihrer Demenz nicht mehr die selbe
Person und schafft das alles natürlich nicht mehr. Natürlich könnten wir alles organisieren, aber die
Familie ist auch nicht mehr das, was sie mal war.
Mein Opa ist eine schwierige Person, dass wissen wir alle. Das Wort „Danke" liegt leider nicht in
seinem Wortschatz, schließlich hat sich bei ihm auch noch niemand bedankt. So sagte er es einmal
zu meiner Mutter. Er hat etwas gegen seine Schwiegerkinder auszusetzen und das macht es nicht
einfacher. Er ist für mich aber weiterhin mein Opa, auch wenn er einem das Leben nicht einfach
macht. Deshalb gibt es in der Familie auch sehr viel Streit.
Meine Mutter pflegt meine Großeltern. Mittlerweile ist es ihnen nicht mal mehr möglich, die
Jalousinen hoch zumachen. Natürlich kommt ein Pflegedienst zur Unterstützung, aber die sind ja
auch nicht immer da. Und es ist wirklich schwer für meine Mutter, denn ein Danke bekommt sie
von meinem Opa nie zu hören.

Für ihn ist das alles selbstverständlich.

Alles muss sich nur um ihn drehen. Und ich merke, wie meine Mutter so langsam nicht mehr kann.
In der letzten Woche spitzte sich die Situation noch einmal mächtig zu. Mein Opa ist gestürzt, ihm
war schwindelig und er ist für Untersuchungen ins Krankenhaus gekommen. Mein Onkel hat ihn
begleitet. Mein Opa hat sich dort nicht sehr gut benommen. Was genau vorgefallen ist, weiß ich
nicht. Als mein Opa am Abend nach Hause konnte, bin ich bei meiner Oma geblieben, weil meine
Eltern ihn aus dem Krankenhaus geholt haben. Meine Oma ist mittlerweile so durcheinander, dass
man sie nicht mehr alleine lassen kann. Sie erzählte wirres Zeug und ich musste mit den Tränen
kämpfen. Sie sprach von ihrem Bruder, der ja noch vorbeikommen würde. Ihr Bruder ist im letzten
Jahr verstorben. Sie weiß es nicht mehr und ich habe einfach mitgespielt. Ob das nun richtig war,
weiß ich auch nicht. Aber hätte ich es ihr gesagt, dann hätte ich gewiss mit dieser Situation nicht
umgehen können.
Vor ein paar Tagen erhielt mein Opa nun einen Brief von meinem Onkel. Er hat sich damit von der
Familie verabschiedet (meine Tante, Cousin und Cousine kommen schon lange nicht mehr). Er wird
nicht mehr zu Besuch kommen. Seine eigenen Eltern im Stich lassen und nicht nur das: seine
Schwester die ganze Arbeit überlassen.

Meine Mutter muss sich jetzt um alles alleine kümmern.
Mich macht das unendlich wütend und lässt mir die Tränen in die Augen steigen. Ich mit den 2
Kindern kann sie da leider auch nicht so viel unterstützen. Auch wenn ich es möchte, sie möchte es
nicht. Ich bin so wütend, dass kann man sich gar nicht vorstellen. Auch wenn ich meinen Onkel in
Bezug auf seinen Vater verstehen kann, aber macht er sich denn gar keine Gedanken was das für
andere Auswirkungen hat? Es geht ja nicht nur um seinen Vater, nein, auch seine demenzkranke
Mutter wird ihn sicherlich vermissen. Meine Mutter, bzw. meine Eltern müssen sich nun um alles
alleine kümmern (war irgendwie auch schon immer so, aber jetzt ist es offiziell). Ich finde das
einfach nicht fair und egoistisch. Mir sollte er derzeit nicht begegnen, ich weiß nicht wie ich
reagieren würde.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr weiter, ich muss mir das ständige Weinen verkneifen, denn ich
möchte nicht, dass meine Kinder das mitbekommen. Irgendwas möchte ich unternehmen, komme
aber derzeit nicht weiter. Die Wut ist einfach zu groß.
Und auch die Gedanken, dass es meinen Großeltern mittlerweile so schlecht geht, machen mich
fertig. Bald ist Weihnachten, ich möchte ein schönes Weihnachtsfest, aber so wird das dieses Jahr
leider nichts. Zu düster sind meine Gedanken. Nur wenn ich nicht drüber nachdenke geht es mir
gut. Deshalb versuche ich es von Zeit zu Zeit zu verdrängen.

Wer Familie hat, braucht keine Feinde mehrMeine liebe Schreiberin, ich habe unendliches Mitgefühl für eure Situation. Erst vor 2 Jahren verloren wir jemanden an Demenz. Diese Krankheit macht einfach jeden, der Sie erleben muss, wütend und verzweifelt. Deine Wut verstehe ich. Deine Verzweiflung darüber, dass die Situation so aussichtslos erscheint. Das Unverständnis darüber, wie ein Familienangehöriger sich einfach so aus der Verantwortung stehlen kann und andere die „Drecksarbeit" machen lässt, kann ich auch nachvollziehen aber und jetzt kommt mein aber.

Eure Verwandten sind den einfachen Weg gegangen auch wenn dieser, Ihnen wahrscheinlich auch schwer fiel. Für Sie war eine Grenze erreicht und Sie wollten sich nicht mehr weiter verletzen lassen. Mit solch komplexen Verhaltensformen zurecht zu kommen, fällt jedem schwer. Ohne Beistand, professioneller Hilfe und auch etwas Abstand, schaffen es wirklich sehr wenige mit dieser Situation zurecht zu kommen. Deine Mama fühlt sich nach wie vor verpflichtet ihren Eltern gegenüber aber ich habe nur einen Rat und das aus eigener Erfahrung. Versucht, wenn ihr merkt eure Kräfte sind am Ende, euch ein Pflegeheim zu suchen, was auf Demenz spezialisiert ist, bzw. eine eigene „Station" für Demenz hat.

Dein Opa ist kein schlechter Mensch. Er verliert seine Frau und muss dem tatenlos gegenüber stehen. Er ist verbittert und traurig und verliert nach und nacht seine Familie. Ich will niemanden schützen aber ich kenne eben auch alle Seiten dieser Krankheit und euer Leben ist auch wichtig.

Ich wünsche euch trotz allem ein Weihnachtsfest, was euch ein bisschen Ruhe bringt und vielleicht Gespräche, die euch weiterbringen. Versuche dich von deinen Großeltern langsam zu verabschieden. Behalte die schönen Erinnerungen in deinem Kopf. Versuche die Wut in Liebe zu verwandeln und zu akzeptieren, dass Du deinen Opa nicht mehr ändern kannst.

Ich wünsche euch Kraft, das alles durchzustehen. Als Familie, nicht als Feinde.

Halt mich auf dem Laufenden und vielleicht haben meine Leser noch ein paar aufbauende Worte für Dich und deine Situation.


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