Wer das Klima schützen soll, braucht konkrete Anweisungen

Die Umweltpsychologin Dr. Heidi Ittner über die Notwendigkeit, im Alltag mit dem Klimaschutz zu beginnen.

Lasse ich morgens mein Auto stehen oder nicht? Eine winzige Entscheidung im Alltag eines Erdenbürgers, die in ihrer Summe den Klimawandel mit verursacht. Der im Oktober als DVD erschienene  Film „The Age of Stupid – Warum tun wir nichts?“ der britischen Regisseurin Franny Armstrong ergründet die Ursachen dieser weit verbreiteten Klimaträgheit. Im Interview erklärt die an der Universität Magdeburg lehrende Umweltpsychologin Dr. Heidi Ittner, weshalb Menschen sich im Alltag dennoch für den Klimaschutz entscheiden, warum viele vor einer persönlichen Co2-Bilanz zurückschrecken – und wie der Klimagipfel in Mexiko eine Wende einleiten kann.

Von der COP 15-Konferenz in Kopenhagen hatten sich viele Umweltschützer einen Paradigmenwechsel in der Umweltpolitik erhofft – und waren enttäuscht von den Zugeständnissen der großen Nationen. Nun ist ein knappes Jahr vergangen: Hat sich in der Zwischenzeit unter den Naturschützern eine gewisse Resignation breitgemacht?

Ja, die Erwartungen an Kopenhagen waren sehr hoch und natürlich war es hart, das Ergebnis zu verdauen – für viele Seiten. Ich würde aber nicht von Resignation sprechen – vielleicht eher von Ernüchterung. Kopenhagen hat deutlich gemacht, dass sich die Hoffnung auf ein „großes“ Folgeprotokoll, also ein umfassendes, rechtlich bindendes Abkommen, in naher Zukunft kaum erfüllen wird. Stattdessen wird die zwangsläufige Strategie sein, viele kleinere Schritte zu unternehmen. Resignation wäre gerade jetzt fatal.

Wie kann es Umweltschützern gelingen, die Öffentlichkeit während der COP 16 erneut zu mobilisieren, wenn doch der Eindruck vorherrschen könnte, dass – ähnlich wie beim Projekt Stuttgart21 – die Meinung der Öffentlichkeit von politischen Entscheidungsgremien kaum beachtet wird?

Klimaschützendes Engagement ist nicht nur während der COP wichtig. Es muss vielmehr zu einem selbstverständlichen gesellschaftlichen Konsens werden, nicht zu einer Bewegung, die im Konferenzrhythmus aufflammt und abebbt.

Gleichzeitig sind die internationalen Klimaverhandlungen unglaublich komplex. Hier treffen Nationen aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Wir haben es hier mit einem Aushandeln von Interessen zu tun, das eigenen Gesetzen folgt und für Außenstehende nicht zu durchschauen ist. Und doch können alle Nationen entsprechende Maßnahmen in ihrem Land nur langfristig erfolgreich umsetzen, wenn diese durch die eigene Bevölkerung mitgetragen werden.

Weshalb reagieren viele Menschen auf den Klimawandel mit Gleichgültigkeit und delegieren die Verantwortung für den Umweltschutz an politische Instanzen?

Zum einen ist der Klimawandel für uns nicht direkt und eindeutig erfahrbar – wir sehen, riechen, hören, spüren ihn nicht. Das macht es natürlich leichter, die Bedrohung auszublenden.

Aber selbst wenn uns das Problem durchaus bewusst ist, kann man als Individuum nur wenig dagegen ausrichten. Wenn ich das Auto stehen lasse, wird dies in der globalen Emissionsbilanz nicht sichtbar sein. Ebenso, wenn ich das Auto eben doch benutze – auch das wird die globalen Emissionen nicht nach oben jagen.

Dennoch gibt es Idealisten wie den im Film „The Age of Stupid – Warum tun wir nichts?“ porträtierten Windkraftingenieur Piers Guy, der mit seiner Familie zusammen eine Co2-Bilanz zieht und entscheidet: Flüge ins Nachbarland sind ein Tabu. Warum macht dieses Vorgehen nicht Schule?

Ähnlich wie bei den Klimaverhandlungen ist es auch beim alltäglichen individuellen Handeln so, dass wir die Hürde für eigenes klimaschützendes Handeln unerreichbar hoch hängen, wenn wir dies bei all unseren Handlungsentscheidungen perfekt umsetzen wollen. Auch hier ist es entscheidend, sich Ziele zu setzen, die erreichbar sind und so weiter motivieren. So kann man sich das Ziel setzen, z.B. in den nächsten vier Wochen mindestens fünf Autofahrten pro Woche einzusparen und diese Zahl vielleicht dann weiter zu erhöhen, anstatt das Auto sofort abzuschaffen.

Der Schaden, den wir mit unserem Verhalten anrichten, zeigt sich erst in der Summe, häufig dazu noch mit zeitlicher Verzögerung und geografisch entfernt. Von der Bequemlichkeit einer Autofahrt hingegen profitiere ich sofort.

Das Problem ist: Wenn viele so denken, dann zeigt sich eben sehr wohl ein Effekt. Wir stecken hier in einem sozialen Dilemma, das es uns leicht macht, die Verantwortung für Verhaltensänderungen an andere abzuschieben. Trotzdem ist es ein Trugschluss, dass wir alle einzig und allein nach einer Maximierung des eigenen Nutzens streben – unser Handeln wird vielmehr von einer Vielzahl unterschiedlicher Ziele und Motive bestimmt. Ein sehr wichtiges ist das Bedürfnis nach Fairness. Dies kann uns motivieren, uns sehr wohl für den Klimaschutz einzusetzen und das eigene Handeln entsprechend danach auszurichten. Denn die Klimaproblematik steckt voller ungelöster Gerechtigkeitskonflikte.

Lässt sich das Bedürfnis nach Fairness denn auch auf den Alltag beziehen?

Auf der individuellen Ebene kann dieses Bedürfnis auch dazu führen, dass ich – obwohl ich mir des Problems bewusst bin – mein Verhalten eben gerade nicht verändere, z.B. meine Autofahrten eben nicht reduziere. Denn wenn wir beobachten, dass außer einem selbst die anderen eben nicht ihre Autofahrten reduzieren, und man selbst z.B. Bequemlichkeitseinbussen in Kauf nimmt, während die anderen uneingeschränkt die Vorteile genießen – dann empfinden das viele als absolut nicht fair. Und um sich dagegen zu schützen, fahren sie selbst weiterhin Auto, denn wer will schon „der Dumme“ sein? Auch daran sieht man, wie eng unser Verhalten und Erleben mit demjenigen anderer Menschen in Verbindung steht.

Rationale Argumentationen scheinen beim Umweltschutz schnell an ihre Grenzen zu stoßen. Ist eine nachhaltige Verhaltensänderung nur möglich, wenn eine Argumentation auch die Gefühlsebene anspricht? Welche Rolle können hierbei Klima-Filme wie “The Age of Stupid. Warum tun wir nichts?” spielen?

Für eine nachhaltige Verhaltensänderung reicht es in der Tat nicht, allein auf der rationalen Verstandesebene zu argumentieren. Wir sind in unseren Entscheidungen auch stark von unseren Gefühlen beeinflusst. Allerdings wird hier leider immer noch häufig der Fehler gemacht, dass auf die Angst gesetzt wird. Das bewirkt meist das genaue Gegenteil – wir sind geradezu gelähmt vor Angst und handeln dann eben auch nicht im erwünschten Sinne oder wir sagen uns: „Das ist so schlimm, da kann ich eh nichts mehr dagegen ausrichten“ – also behalte ich mein Verhalten bei.

Franny Armstrong, die Regisseurin von „The Age of Stupid. Warum tun wir nichts?”, erzählt deshalb in ihrem Film nicht nur aus dem Leben von Menschen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, sondern hat auch die Initiative 10:10 initiiert, die Menschen mit konkreten Empfehlungen motivieren soll, innerhalb von einem Jahr zehn Prozent Co2 einzusparen. Was halten Sie davon?

Natürlich ist es wichtig, ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen, ausreichend Informationen leicht zugänglich zu machen – aber nicht gepaart mit gezielter Angstinduzierung. Viel wichtiger ist es, gleichzeitig ganz konkrete, spezifische Handlungsmöglichkeiten „mitzuliefern“, um dem Problem zu begegnen. Nur wenn ich mir des Problems bewusst bin, die Notwendigkeit und die Verantwortung für eigene Verhaltensänderungen sehe und auch entsprechende Handlungsmöglichkeiten habe, erst dann steigt die Chance für tatsächliche Veränderungen.”

The Age of stupidBlickpunkt: Film Kurzinfo
Doku-Drama, in dem Pete Postlethwaite im Jahr 2055 mit Hilfe von sechs Kurz-Dokus auf die Umweltzerstörung unserer Zeit zurückblickt.

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