WER BIN ICH und wenn ja, wie viele? – Richard David Precht | Buchreview

Von Lehmann59a

Foto: Buchcover © Goldmann Verlag

„Cognito ergo sum – Ich denke also bin ich”. Eine bekannte Weisheit, die sich nicht nur seinem Schöpfer R. Descartes (17. Jh.) als schlüssig ergab. Sondern ebenso philosophischen Vertretern respektive der Gesellschaft allgemein seit den Anfängen der neuzeitlichen Philosophie bis hin zur gegenwärtigen post-imperialen Epoche des 21. Jahrhunderts fasziniert. Seit geraumer Zeit beschäftigen sich Philosophen ihrer Zeit damit, was das „Sein“ oder das „Ich“ ist, wer wir sind oder ob es so etwas wie „Das Ich“ überhaupt geben kann. Nicht zuletzt stellt sich nach wievor die alles auf den Kopf stellende Frage nach dem „Sinn des Lebens“.

Genaue solche Fragen greift Richard David Precht in seinem Buch „Wer bin ich und wenn ja , wie viele“ in amüsanter und zugleich schlüssiger Art und Weise auf. Man könnte Precht als ein durchaus taktgebenden Philosophen des 21. Jahrhunderts betiteln – so wie es seine großen Vorgänger Kant (18. Jh.), Nietzsche (19 Jh.) oder Wiggenstein (20. Jh.) zu ihrer Zeit waren.

Doch was Precht von seinen „Kollegen“ unterscheidet, ist die der Umstand, dass die heutige Frage nach dem Sein der Nicht-Sein viel differenzierter betrachtet werden muss. Die Welt ist größer, schneller und komplexer geworden. So auch die Ansprüche an die Philosophie. Längst haben Neurobiologie, Physikwissenschaften oder Psychologie in die schweiferische Welt der Philosophie Einkehr gefunden und sie sozusagen zu einer interdisziplinären Betrachtung auf Mensch & Welt werden lassen. Doch genau dieses Dickicht aus teils wissenschaftlichen, teils philosophischen Fragen, weiß Precht gekonnt miteinander in Beziehung zu setzen.

In „Wer bin ich und wenn ja wie viele“ geht Precht den großen Fragen der Philosophie respektive der Menschheit auf den Zahn – zumindest versucht er auf diese Antworten zu finden. Antworten die es mit verlauf nicht immer geben kann. So versucht er beispielsweise, die Frage zu erörtern, wonach wir Menschen im Leben streben, mit den Erkenntnissen von Kant, Nietzsche oder Wiggenstein zu deuten, um dann anschließend den Bogen in die Praxis zu finden. Ein konkretes Beispiel gefällig?

Stichwort: Aktive Sterbehilfe. Ein kontroverser und definitiv aktueller Diskurs in unserer Gesellschaft.
Immanuel Kant sah in der Bestimmung des Lebens einzig die moralische Verpflichtung sich selbst gegenüber, nicht aber gegenüber Gott. Die Menschwürde seie entscheidend. So wie sie ja letztlich auch im Grundgesetz verankert ist – „Die menschliche Würde ist unantastbar“.

Nun nach Kant – so schlussfolgert Precht – wäre dem Mensch die freie Entscheidung genommen, wenn er nicht selbst bestimmen könnte, ob er leben oder Nichtleben wolle. Dies ist natürlich nur eine Perspektive, von der man sich diesem Thema nähern sollte. Das Selbstbestimmungsrecht lässt die Frage eindeutig erscheinen. Doch was ist mit der sozial-ethischen Verantwortung – z.B. seitens der Politik, die diese Frage letztlich stellen & gesetzlich definieren muss? Auch Überlegungen, ob und wenn ja, wann ein Mensch einen freien Willen besitzt – Herr seines Willens, seines Ichs ist – muss berücksichtig werden.

Was ist wenn man aktive Sterbehilfe erlauben würde? Was ergäbe das für Folgen für Gesellschaft, Familien und nicht zu vergessen für Ärzte? So kommt Precht zum Schluss, dass das Selbstbestimmungsrecht in dieser Frage durchaus Grenzen haben kann, wenn „es (mutmaßlich) unerträgliche und inhumane Folgen für die Gesellschaft zeitigt“.

Precht’s „philosophische Reise“ endet schließlich da, wo sich in der Philosohpie seit je her keine homogene Antwort ergeben mag. Was ist der Sinn des Lebens? Wie findet man ihn? Kann man ihn überhaupt finden? Oder muss man sich den Sinn des Lebens vielleicht viel eher selbst geben? Vielleicht sind es unsere persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen, die DEN EINEN Sinn des Lebens nicht existieren lassen. Sondern Wir – DU und Ich – jeder von uns seinen eigenen Sinn erkennen DARF.

„Der Sinn des Lebens ist leben“, wobei wir gut darin tun, unsere Tage mit Leben zu füllen und nicht andersherum.

Fazit: Precht versteht es die Erkenntnisse der großen Philosophen mit gegenwertigen Debatten in Beziehung zu setzen und darüber hinaus durch eigene Überlegungen dem Leser  differenzierende Schlüsse offen zulassen. Nichts ist definitiv. Ob nun unsere Moral angeboren ist oder was der Sinn des Lebens ist; Wer weiß das schon? Eins ist jedoch klar: Wer sich mit Precht’s philosophischen Zeitreise unvoreingenommen auseinandersetzt, wird unter Umständen zu seinem ganz eigenen Fazit von Sein und Lebenssinn kommen. Zudem ist das Buch mit durchaus interessanten Fakten aus den Bereichen der Neurobiologie und Psychologie gespickt. Wer Precht kennt, darf natürlich auch auf die ein oder andere, sowohl amüsante sowie zynische, Anekdote gespannt sein.

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