Weil Ende November Abstimmung ist, diskutiert man mal wieder über das richtigere Familienmodell. Noch habe ich mich nicht definitiv auf ein Ja oder ein Nein festlegen können, doch bereits habe ich die Nase gestrichen voll von dem Geschwätz über Familien, die “ihre Kinder selber betreuen”. Da soll mir doch mal einer die Schweizer Durchschnittsfamilie zeigen, die ihre Kinder nicht selber betreut.
Ja, ich weiss, es gibt Kinder, die tagsüber in der Krippe sind, einige etwas häufiger, andere etwas seltener. Manche sind an zwei oder drei Tagen pro Woche bei den Grosseltern oder bei einer Tagesmutter, in einigen Familien hilft man sich mit einem Au-Pair. Meines Wissens schliessen aber Krippen irgendwann, meist so gegen 18:30 Uhr, Tagesmütter erwarten, dass die Kinder am Abend abgeholt werden, Grosseltern bestehen meist darauf, früh zu Bett zu gehen und sogar Au-Pairs haben ein Anrecht auf Feierabend, auch wenn dies längst nicht allen Au-Pair-Familien passt. Es soll mir bloss keiner weismachen wollen, Kinderbetreuung lasse sich auf die Öffnungs- und Arbeitszeiten des gewählten Betreuungsmodells beschränken.
Oder kennt etwa einer von euch einen Vater, der mitten in der Nacht zu seinem kreidebleichen Kind sagt: “Tut mir Leid, du kannst jetzt nicht kotzen. Die Krippe öffnet erst um halb sieben wieder. Bis dahin musst du dich gedulden, ich bin nicht für deine Betreuung zuständig.” ? Oder eine Mutter, die ihr Kind von der Tagesmutter abholt, es zu Hause ins Zimmer steckt und sich einen netten Abend macht? Oder Eltern, die am Mittwoch zu ihrem Kleinkind sagen: “Hör mal, eine normale Arbeitswoche hat 42 Stunden und wir haben uns diese Woche bereits 50 Stunden um dich gekümmert. Wir weigern uns, weitere Überstunden für dich zu schieben. Geh zu Oma, wenn du unbedingt betreut sein willst.”
Viele Eltern in der Schweiz delegieren einen Teil ihres Rund-um-die-Uhr-Betreuungsjobs an andere Personen, kümmern sich aber ausserhalb ihrer Arbeitszeiten sehr wohl intensiv um ihren Nachwuchs. Gewöhnlich lassen sie auch alles stehen und liegen, falls ihr Kind sie während ihrer Arbeitszeit braucht. So zu tun, als würden nur Familien, bei denen Mama – und bitte nicht Papa! – zu Hause bleibt, ihre Kinder selber betreuen, ist eine Frechheit.
Zumal sogar Mamas, die auf eine Arbeit ausser Hause verzichten, ganz froh sind, wenn der Nachwuchs hin und wieder ein paar Stunden bei Nachbars spielt.