Das Phänomen der “Berührungsangst”, dass durch die mediale Berichterstattung über den Islam auch noch verstärkt wird, sorgt leider in einigen Fällen dafür, dass man sich aus dem Weg geht. Die “engstirnigen Muslime” und die “intoleranten Nichtmuslime” gehen alle ihres Weges. Was aber, wenn sich die Wege doch mal kreuzen und man in den Dialog kommt?
von Nora A.
Immer wieder begegnen wir Muslime in unserem Alltag nicht-muslimischen Mitbürgern, die mehr über unsere Religion erfahren möchten. Nicht wenige kommen mit aufrichtigem Interesse auf uns zu und erhoffen sich „klare Antworten“. Doch nicht selten reagieren wir gereizt und wissen nicht auf die Fragen unserer Kollegen, Kommilitonen und Freunde zu antworten. Manchmal kommt es jedoch auch zu garkeinem Austausch. Das Phänomen der ´Berührungsangst´, dass durch die mediale Berichterstattung über den Islam auch noch verstärkt wird, sorgt leider in einigen Fällen dafür, dass man sich aus dem Weg geht. Die ´engstirnigen Muslime´ und die ´intoleranten Nichtmuslime´ gehen alle ihres Weges.
Gerade deswegen habe ich mich so über den „Islambasiskurs“ der Muslimischen Hochschulgruppe der Uni Mainz (MHG) gefreut, den ich als aktives Mitglied mitorganisieren durfte. Zu Beginn hatte ich mich in meinem universitären Freundeskreis informiert, ob Personen am Kurs teilnehmen möchten. Die Resonanz war niederschmetternd und damit ging meine Hoffnung bereits zwei Monate vor Kursbeginn verloren. Umso erstaunter war ich über ganze 27 Kursanmeldungen.
Die Veranstaltung haben wir, MHG, als vollen Erfolg empfunden. Ich durfte miterleben wie alle anwesenden Studierenden dem Referenten interessiert lauschten und eifrig mitschrieben. Zuerst schilderte er wie er selbst im Alter von 17 Jahren zum Islam fand, erklärte das Konzept des Glaubens an einen Schöpfer und skizzierte kurz das Leben des Propheten Muhammad s.a.w. An der einen oder anderen Stelle lachte das Publikum, wenn er einen kleinen Witz einbrachte und überhaupt war die Atmosphäre am Nachmittag sehr entspannt, freundschaftlich und aufklärend. Der Referent beantwortete alle Fragen souverän und mit fundiertem Wissen. In einem anschließenden Evaluationsbogen gaben die Studierenden an, dass sie seine „offene“ und tolerante Art besonders sympathisch fanden.
Das hat mir einen Denkanstoß gegeben. Denn oft beschweren wir Muslime uns darüber, dass man uns nicht offen und tolerant begegnet oder dass, wir aufgrund unserer Religion benachteiligt werden. Doch Fakt ist, dass wir selbst oft genug mit Vorurteilen bepackt durch die Welt schreiten. So hatte ich beispielsweise zuerst Bedenken bezüglich des Kurses, da ich glaubte, dass Nicht-Muslime eine „Gehirnwäsche“ vermuten würden. Doch der heutige Abend und die Auswertung des Evaluationsbogens bestätigen, dass nicht-muslimische Studierende ein großes Interesse am Islam haben. Es ist sogar eine „Fortsetzung“ von den Anwesenden gewünscht worden.
Scheinbar besteht ein Wissensdurst, den wir im Alltag nicht wahrnehmen. „Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null. Und das nennen sie ihren Standpunkt“, besagt ein schönes und treffendes Zitat von Albert Einstein. Sollten wir Muslime nicht dazu beitragen den Horizont anderer Menschen in Bezug auf den Islam zu erweitern und somit auch unseren eigenen zu erweitern?
Der interreligiöse Dialog erfordert nämlich auch oft Selbstkritik, die Hinterfragung des eigenen Wissens und der eigenen Beweggründe als Muslim. Durch den Austausch mit Nichtmuslimen und ihren Fragen zum Islam, die meistens eben doch – wie viel zu selten angenommen- aus Ahnungslosigkeit heraus gestellt werden, setzen wir uns auch mit uns selbst und unserer Religion auseinander. Allgemeiner ausgedrückt, muss man sich manchmal von der allzu bequemen ´Opferrolle´ distanzieren, an die eigene Nase packen und reflektierte Dialoge führen.
Nach dieser überraschend positiven Erfahrung die ich mit diesem Islambasiskurs machen durfte, erhoffe ich mir, Vorurteile auf beiden Seiten beseitigt zu haben.