Wenn Säuglinge nichts hören

“Ja, nein, diese Ohruntersuchung möchte ich nicht.” Die Mama schüttelt bestimmt mit dem Kopf.

Ich mache mal wieder meine Vorsorgechecks in der Frauenklinik des Nachbarortes, konsiliarisch, nennt sich U2 – die erste Vorsorge nach der Entbindung, noch in der Klinik. Gerade war Tayo dran, ein schmächtiger Junge mit wahnsinnig vielen Haaren auf dem Kopf, darüber hatte ich grade mit der dabeistehenden Mama ein paar Witze gerissen. (“Schade, dass die alle noch ausfallen” – “Herr Doktor machen Sie mir keine Angst.” – “Nein, nein, das merken Sie gar nicht, da wachsen gleich wieder welche nach. Aber das ist kein Garant für volles Haar bis ins Seniorenalter.” usw.)

Die Kinderkrankenschwester hatte mir schon vorher zugeraunt, die Mutter lehne die TEOAE ab, ein Hörscreening in den ersten Lebenstagen, dass sehr segensreich angeborene Hörstörungen erkennt. Frühes Erkennen bedeutet frühe Therapie. Früher eine Serviceleistung der Krankenhäuser (oft mit Sponsoring proudly by the Lions Club), inzwischen Kassenleistung und gesetzlich vorgeschriebenes Screeningverfahren wie das Stoffwechselscreening und der Hüftschall mit einem Monat. Außer, die Eltern lehnen das ab.

“Man weiß ja nichts von den Langzeitnebenwirkungen”, setzt die Mutter fort.
“Doch, … es gibt keine”, sage ich etwas flapsig.
Sie schaut mich an mit einem Blick, der besagt, was soll ich als Mediziner auch schon anderes sagen? “Könnte ja selbst zu Hörstörungen führen.”
“Sagt wer?”, frage ich.
“Die Elke… also, meine Hebamme in der Schwangerschaftsvorsorge.”
Jetzt ist es an mir, die Augenbrauen hochzuziehen.
“Naja, ich fürchte, da ist die Hebamme nicht gut informiert.”
Der Buzzer dröhnt in meinem Kopf. Fehler meinerseits, ganz klar. Kritisiere nie eine Duz-Freundin.

“Ach, naja”, wieder der mitleidige Blick für den Arzt, “nur weil es keine Studien gibt … Immerhin wird da ein Schall aufs Ohr gegeben.”
“Ja, aber ein sehr geringer. Da kommt im Moment, wenn wir reden, mehr und lauterer Schall an das Ohr Ihres Babys.”
Sie senkt die Stimme: “Aber dann muß ich es ja nicht noch provozieren.”
“Was provozieren?”, frage ich.
“Die Schwerhörigkeit.”
“Ich denke, von einem Schall unter 35 Dezibel wird man nicht taub.”
Sie wiegt den Kopf hin und her: “Das kann man nicht wissen.”

“Ein frühes Erkennen kann aber sehr gut für Ihr Kind sein, man kann dann früh behandeln und eventuell früh Hörgeräte anpassen”, sage ich etwas lahm.
“Naja, wissen Sie, eine Mutter merkt das auch so, ob ein Kind nicht wirklich hört, früher ging es ja auch ohne.”
“Stimmt, da haben Sie Recht, früher wurden die Kinder aber oft erst im zweiten Lebensjahr auffällig, wenn die Sprache sich nicht richtig entwickelte.”
“Reicht doch.”
Reicht nicht.

Schließlich ihr letzter Versuch einer Argumentation: “Außerdem…, wie oft kommt denn sowas schon vor? Da verdient sich doch bestimmt wieder jemand eine goldene Nase beim Quasi-Erkennen einer seltenen Krankheit.”
“Wow”, sage ich, “gegen das Argument habe ich natürlich kaum etwas vorzubringen. Immerhin sorgen diese Menschen dafür, dass pro Jahr in diesem Krankenhaus drei oder vier Kinder herausgefischt werden, die man dann frühzeitig versorgen kann.” Wir haben hier ungefähr neunhundert bis tausend Entbindungen.
“Herausgefischt …, wie Sie das schon sagen”, sie rümpft die Nase, “als ob das Trophäen wären.”

Da hat es mir die Sprache verschlagen (kommt selten vor), auch zum empfohlenen Stoffwechselscreening mußte sie später dezent von der Krankenschwester und dem Gynäkologen “überredet” werden. Da könne es zu einem frühen Trauma des Kindes kommen, sagte sie.



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