Fazit des Gesprächs: Die AOK und auch alle anderen Krankenkassen bieten alle nur dasselbe, und zwar das, was ihnen der Gesetzgeber vorschreibt. Und es geht hierbei nur darum, dass man den Ausgleich schafft, keine zusätzliche Leistung. Es geht einer Krankenkasse nicht um Teilhabe, sondern einzig und alleine um die medizinische Notwendigkeit. Wenn ich mehr an meinem Rollstuhl haben will, müsste ich das privat zahlen. Es ist halt nur die gesetzliche Krankenkasse, die natürlich auch Vorteile bietet. Solidaritätsprinzip. Dann folgte noch ein kleiner Vortrag über die gesetzliche Krankenkasse. Natürlich sei es ärgerlich, dass das ganze so unglücklich gelaufen ist, aber die Sanitätshäuser haben sehr viel zu tun. Die Telekom sagt ja auch, dass sie von Uhrzeit bis Uhrzeit kommt und nicht zu einem bestimmten Termin. Ja, das stimmt. Aber das letzte Mal war die Telekom bei mir, als ich eingezogen bin. Und sogar wenn die Telekom dann mal kommt, dann reparieren die das vor Ort, und müssen nicht das Telefon mitnehmen. Und dann kommen sie nicht ein paar Tage später wieder und nehmen den ganzen Tag wieder in Wartezeitanspruch, um das Telefon auszuliefern. Aber das ist ein Argument, das fällt einem erst nachts und nicht im Gespräch ein. Abgesehen davon hätte das dem Gespräch bestimmt nicht gut getan. Ich hatte sowieso den Eindruck, dass er erwartet hat, er hätte es mit einer Zicke zu tun. Er hat nämlich vorher auch mit dem Mitarbeiter von Reha- Team West gesprochen. Wie viel man dann doch sagt, ohne es auszusprechen. Eine Zusatzversicherung würde keinen Sinn machen, weil die Beiträge wären viel zu teuer. Das würde sich für niemanden lohnen und keiner hätte das Geld. Wie gesagt, ich habe immer noch die Möglichkeit, die Zusatzfunktionen dann privat zu zahlen, aber der Rollstuhl bleibt immer noch Eigentum der Krankenkasse. Und wenn der Rollstuhl dann als wirtschaftlicher Totalschaden erklärt werden würde, wäre mein Geld und die bezahlte Zusatzfunktion auch weg. Sie würden noch nicht mal den Gesamtwert des Rollstuhls steigern. Und das lohnt sich dann auch für mich nicht. Aber es wäre meine Entscheidung. Eine Entscheidung, die mir angesichts der hohen Kosten und der Fremdbestimmung als unmöglich erscheint. Was meinem Verständnis widerstrebt, in meinen Augen müsste das auch von Interesse für die Krankenkasse sein, wenn Hilfsmittel auch vorbeugend für Folgeerkrankungen eingesetzt werden können, wie z.B. elektrische Fußstützen, Rückenverstellung, sogar wenn sich Therapien, die sich auf Dauer betrachtet als teurer erweisen, nicht immer vermeiden ließen, so könnte ihr Erfolg gestützt werden. Ich stelle mir das vor wie den Besuch bei der jährlichen Prophylaxe beim Zahnarzt: sie bewahrt einen nicht vor den Dritten, aber jeder Tag, mit dem man die Dritten hinauszögern kann, ist ein gewonnener Tag. Und das zahlt ja die Krankenkasse auch, aber halt nicht die Pflegeversicherung.
Da frage ich mich natürlich als treuer Versicherter der AOK, wie war das nochmal mit den ganzen Bonusprogrammen, wenn man zu Vorsorgeuntersuchungen hingeht, dass man das Geld wiederkriegt oder irgendwie Wasserbälle? Wie war das? Und dann bin ich noch in diesem Wellness-Card-Programm eingeschrieben, wo es um Entspannung geht, Rezepte, Selbstzufriedenheit. Alles, was die Frau von heute vorm Burnout schützt. Wurde ich für das Programm nur auserwählt, weil man vergessen hat zu bemerken, bei Behinderten lohnt sich das nicht? Fehlte da der Vermerk, dass hier nur das Mindestmaß an Leistungen erbracht werden muss? Warum ist das denn so, dass ich den Eindruck habe, dass ich als Versicherte der AOK vorzugsweise behandelt werde und dass man sehr um mich bemüht ist und auf der anderen Seite als Versicherter der Pflegekasse, was ja nichts anderes ist als eine Abteilung derselben Krankenkasse, hier bin ich plötzlich ein Bittsteller. Diese Schere scheint immer mehr auseinander zu gehen. Ich weiß, es ist nicht die einzige Schere, die weiter auseinander geht, aber es ist auffälliger, wenn die beiden Klingen dieselbe Adresse haben. Wäre es zu überpathetisch oder realistisch zu sagen, dass ich den Eindruck habe auf Grund meiner Behinderung bin ich ein Versicherter der 2. Klasse. Oder Mensch 2. Klasse? Mit einer Behinderung hat man es nicht leicht, nirgends. Nicht auf dem Arbeitsmarkt, nicht auf dem Wohnungsmarkt. Aber hier, seltener bin ich so mit der Nase drauf gestoßen worden, dass für mich andere Spielregeln gelten, dass ich andere Möglichkeiten habe, andere ist gut, weniger ist es tatsächlich. Hier ist es besonders schmerzhaft, weil man sich dieser Problematik bewusst sein muss. Ich weiß nicht, ob hier mein beliebter Vergleich hinkt, nach Brecht: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ So, jetzt ist mein Bedarf gedeckt, jetzt ist es Zeit für meine Bedürfnisse. Und dann soll auch plötzlich das Ende der Fahnenstange erreicht sein? Darf ich keine Erwartungen mehr haben? Nicht aus dem Vollen schöpfen? Mit 36 alles erreicht haben, was man erreichen kann? Ich will noch so viel mehr und am Anfang stehen Hilfsmittel, die Möglichkeiten eröffnen und nicht einschränken, ergänzen und nicht behindern.
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