Wenn Rassismus und Hass schick werden


Er wartet geduldig. Da! Es bewegt sich etwas? Was sieht man dort hinter dem Fels hervor kommen? Ja, das ist es! Ein typisches Beispiel von Multikulti, das es zu zerstören gilt. Er zielt und schiesst. Booom, getroffen. Cool. Da nochmals, hinter dem anderen Felsen. Zielen und Volltreffer! Hurra, diesen Multikultis zeigt er’s und freut sich darüber! Nein, hier ist nicht vom Massaker in Norwegen die Rede, sondern von einem Computerspiel. Ein Computerspiel, das die SVP vor einiger Zeit ins Internet gestellt hat und man viel Punkte sammelt, wenn man auf Minarette und rufende Muezzins schiesst. Wenn man das Spiel verliert, ist die Schweiz „voller Minarette“, was als zusätzliche Motivationen dienen soll, alle Minarette zu treffen. Noch immer trauert die Welt um das Massaker in Norwegen. Noch immer lesen wir fassungslos, dass offenbar ein Einzeltäter eine Bombe gezündet und junge Menschen erschossen hat. Aber auch wenn dies die Tat eines Einzeltäters war, so reicht es nicht, wenn man sich darauf beschränkt und zur Tagesordnung übergeht. Der Täter ist ein offensichtlicher fremdenfeindlicher Rechtskonservativer, der sich als Kreuzritter im Kampf gegen den Islam und die Linken mit ihrer Vision einer multikulturellen Gesellschaft sieht. Er hat seine Tat lange geplant und hat in rechten Internetforen seine fremdenfeindlichen Ansichten schon lange preis gegeben. Unbemerkt. Und genau das ist das Problem. Seit einiger Zeit ist eine schleichende Veränderung der Gesellschaft festzustellen. Rassismus, Fremdenhass, Vorurteile und Abschottung werden immer mehr zur Mode. Während man früher noch hinter vorgehaltener Hand mit den Sätzen „ich bin ja kein Rassist, aber....“ begonnen hat, stehen heute viele offen zu ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Ausländerinnen und Ausländern. Man begründet das halt mit schlechten Erfahrungen. Schlechte Erfahrungen sind schliesslich Grund genug, ganze Bevölkerungsschichten zu hassen. In der ganzen westlichen Welt, haben Rechtspopulisten Aufwind. Auch in der Schweiz! Dauernd hört man Warnungen, dass die Schweiz bald untergehe. Wir stimmen über Minarettverbote ab, stimmen über Ausschaffungsinitiativen ab, die nicht mit dem Völkerrecht vereinbar sind und diskutieren wie man am besten verhindern kann, von Asylbewerbern überrannt zu werden. Mit Millionenkampagnen vermitteln die Rechtspopulisten in unserem Land, dass sie die einzig wahren Kämpfer für die Schweiz sind. In Inseraten wird behauptet, „Linke und Nette“ seien Schuld an den Schlägern, Vergewaltigern und Mördern unseres Landes. Abgerundet werden diese Kampagnen mit den Behauptungen, dass „Schweizer SVP wählen“ würden. Das Gefährliche an der Sache ist allerdings, dass die Kampagnen so tun, als würden sie die „einfachen Bürger“, also das Volk vertreten. Die Kampagnen geben vor, nur die Wut der Bürger auszusprechen und tatsächlich für die Bedürfnisse des Volkes zu kämpfen. Es werden Horrorszenarien aufgezogen (wie z.B. Inserate, die behaupten in 20 Jahren wäre 70% der Schweiz islamisch), nur um dann zu zeigen, dass man diese Horrorszenarien als einzige Partei bekämpft. So sät man Hass. So sorgt man für Misstrauen. So macht man Rassismus schick. Die Hemmschwelle in vollen Zügen, an Mittagstischen oder an Arbeitsplätzen über Ausländer zu schimpfen, ist nicht mehr vorhanden. Schliesslich sagt man ja nur die Wahrheit.  Die Worte "Solidarität" oder "sozial" werden bereits als negativ oder als lächerlich empfunden. Als „Linker“ ist man sofort in der Defensive. Man hört sich dauernd an, dass man ohnehin weltfremd sei, die Schweiz verraten wolle, Kriminelle verhätscheln und möglichst viel Ausländer in unser Land holen möchte. Das Volk scheint zu wissen, was „die Linken“ denken und wollen, dank den einfachen Hasskampagnen von rechts. Ein Blick in Kommentarspalten von Onlinezeitungen reicht, um zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit und wie breit der Hass bereits gestreut wurde und wie selbstverständlich er geworden ist. Als beispielsweise vor ein paar Monaten ein Schweizer Bauer einen Ausländer erschoss, der von seinem Garten Hanfpflanzen stahl, waren die Kommentarspalten voll mit Sympathien für den Bauer. Das ist der Nährboden für Fanatismus. Es ist nur logisch, dass dieser Nährboden weitere Hemmschwellen senkt. Wenn es in Ordnung ist, in Onlinespielen vor Abstimmungen Minarette abzuballern, wenn es in Ordnung ist vor Wahlen in Onlinespielen auf Richter zu schiessen und Linke zu verprügeln, wenn es in Ordnung ist Menschen- und Völkerrechte als Gefahr für ein zu Volk verkaufen, was kommt dann als nächstes? Die Leute fühlen sich wütend und sehen sich als Kämpfer für ihr Land. Als Beweis haben sie schliesslich täglich Inserate und die Hetze der grössten Partei unseres Landes, die weiterhin Öl ins Feuer giesst und den Hass anstachelt. Auch wenn Worte nicht töten können, so lösen sie viel aus. Nur auf fruchtbarem Boden kann etwas wachsen. Das gilt auch für den Fanatismus und den Hass. Da braucht es nicht mehr viel, bis Spinner und Psychopathen sich plötzlich aufgerufen fühlen, im Namen des Volkes gegen „Linke und Nette“, Ausländer und Fremdes zu kämpfen, schliesslich haben sie die Meinung der grössten Schweizer Parteien im Rücken, wie sie täglich auf Plakatwänden und Inseraten sehen können.Selbstverständlich weisen alle die Schuld weit von sich und empören sich, wenn man ihnen vorwirft, ihr Hass sei der Nährboden für das Massaker in Norwegen. Statt sich zu empören, täten diese Leute aber gut daran, darüber nachzudenken, was sie tun könnten, um Fundamentalismus den Nährboden zu entziehen. Denn wer mit dem Feuer spielt, will zwar in den meisten Fällen keinen Brand verursachen, muss aber damit rechnen, einen auszlösen, spätestens seit Norwegen sollten wir das in Europa wissen. Fundamentalismus, extreme Positionen und Schüren von Vorurteilen sind Gift für eine Gesellschaft, egal ob es von links oder rechts kommt. Die Politik muss dafür sorgen, dass Auseinandersetzungen durchaus hart, aber mit dem nötigen Respekt und ohne Fanatismus geführt werden. Und das Volk darf sich nicht von Hetzern und Demagogen verführen lassen. Sonst steuern wir auf dunkle Zeiten zu, die sich Europa geschworen hat, nie wieder erleben zu wollen!


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