Ein Kampf der am Ostersonntag, dem 08.04.2012, in Herne stattfand, erregt, zu Recht, immer noch die Gemüter. Im letzten Kampf des Abends traten im Weltergewicht Yavuz Ertuerk (16 Kämpfe, 15 Siege, 11 durch KO, 1 Niederlage) und – eventuell! – Denis Hamasi (12 Kämpfe, 11 Siege, 3 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) gegeneinander an. Dabei ging es um den vakanten WBC Baltic Silver Titel, der WBC – was immer das auch sein mag. Der Ausgang ist bekannt: Ertuerk gewann durch TKO in Runde 2.
Nahezu alles an diesem Kampf ist entweder als mysteriös oder skandalös zu bezeichnen. Es begann damit, dass Ertuerk mit einer schweren Gesichtsverletzung, einer auffälligen Wunde auf dem linken Jochbein, in den Ring stieg. Hier musste man sich eigentlich schon fragen, ob der BDB und der Ringarzt Dr. Stephan Bock die obligatorische medizinische Untersuchung etwa nicht durchgeführt hatten. Wie konnte der nicht zu übersehende Cut nicht auffallen?
Weiter ist dann natürlich zu fragen, warum der Ringrichter Daniel Van de Wiele, die BDB Punktrichter, Arno Pokrandt und Holger Wiemann, die WBC Punktrichterin und Ehefrau von Daniel Van de Wiele, Olena Pobyvailo und der WBC Supervisor Mikhail Denisov die unübersehbare Verletzung nicht bemerkten oder, wenn sie sie denn sahen, wieso sie den Kampf zuließen. Dass ein verletzter Boxer in der Ring steigen darf und dass keiner der Offiziellen des BDB (Bund Deutscher Berufsboxer) und des WBC (World Boxing Council) das verhindern, ist für sich eigentlich schon ein ausgewachsen Skandal.
Aber vielleicht verstehe ich auch alles ganz falsch. Vielleicht beeinträchtigt ja eine Platzwunde auf dem Jochbein nicht die Kampffähigkeit und dementsprechend durfte dann auch keiner Ertuerk, den er ja auch gewann, den Kampf verweigern.
Damit ist die Geschichte allerdings noch lange nicht zu Ende. Bereits vor dem Kampf stellten sich nämlich bei einigen Zuschauern Zweifel ein, ob der Boxer, der als Denis Hamasi in den Ring stiegen sollte und dann auch stieg, tatsächlich Denis Hamasi war. Einige meinten in ihm einen anderen, nämlich einen Kickboxer zu erkennen. Jemand berichtete mir einige Tage nach dem Kampf, dass er die Delegierten des BDB vor dem Kampf darauf hingewiesen hätte, dass Denis Hamasi nicht Denis Hamasi sei. Aber die Offiziellen hätten sich geweigert, dem nachzugehen. Dabei hätte es doch wohl ein Leichtes sein dürfen, die Identität eines Boxers zu prüfen. Die Konkurrenz des BDB, die GBA (German Boxing Association), überprüft vor jedem Kampf die Identität der Kämpfer. – Es geht mir hier nicht darum, einen Verband gegen den anderen zu auszuspielen. Es geht vielmehr darum, aus Fehlern zu lernen. Vermutlich hat sich die GBA auch erst nach unangenehmen und schmerzlichen Erfahrungen diese Maßnahme verordnet.
Natürlich kann man sich auch die Frage stellen, ob ein Delegierter sich von einem Zuschauer sagen lassen muss, was er zu tun und zu lassen hat. Aber dass beim Verdacht eines möglichen so gravierenden Verstoßes gar nicht versucht wird, einen möglichen Betrug zu verhindern oder den Sachverhalt zumindest aufzuklären, grenzt doch schon sehr an Pflichtvergessenheit.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass alle Beteiligten von BDB und WBC – angefangen beim Ringarzt, über Punkt- und Ringrichter bis hin zum Supervisor – einfach ihre Pflicht nicht anständig erfüllt haben.
© Uwe Betker