Auch er liebt es unglaublich, die volle Aufmerksamkeit eines Erwachsenen zu haben. Er braucht die Gelegenheit, seine Gedanken ungestört entwickeln und auch äußern zu können. So oft wird dazwischengeredet, so oft muss er unterbrechen und warten, so oft hat er dann verständlicherweise keine Lust mehr zu erzählen. Wenn man sich ihm ganz und gar widmet, sich auf ihn einlässt und exklusiv für ihn da ist, ist er das glücklichste Kind. Dann hört er intensiv zu, wenn man ihm etwas Spannendes erzählt, saugt alles auf und kann Dinge reproduzieren die man ihm vor langer Zeit mal nahegebracht hat. Er ist kein aktives und exploratives Kind, nein, er hat bisher kaum den Drang, sich selbst Wissen anzueignen oder etwas Neues auszuprobieren. Aber er ist ein sehr freudiger und dankbarer Empfänger von Aufmerksamkeit und Zuwendung. Es tut ihm unheimlich gut, in der direkten Interaktion mit einem Erwachsenen im Mittelpunkt zu stehen, ja, eigentlich entfaltet er sein Potential erst dann so richtig.
An einem der letzten Wochenenden war die Kleine auf einem Kindergeburtstag eingeladen und wir mit dem Großen allein. Da das sehr selten vorkommt, wollte ich unbedingt etwas mit ihm unternehmen, was wir mit der Kleinen im Schlepptau keinesfalls machen können. Meine ursprünglichen Vorhaben scheiterten nach vorheriger Recherche am Alter (eine Unternehmung war ab 7 Jahre, er wird erst im März 7) und an den zu kurzen Öffnungszeiten nach Ablieferung der Kleinen beim Geburtstag. Da wir sowieso zu dritt erst in ein schwedisches Möbelhaus wollten, um ein neues Sofa für den Großen und einen Schreibtisch für die Kleine zu kaufen, suchte ich nach Zielen in der Umgebung. Und so verschlug es uns ins Stasi-Museum Berlin, der ehemaligen Zentrale des MfS der DDR.
Er braucht keine kleine Schwester, er braucht Erwachsene, die für ihn da sind, die sich exklusiv um ihn kümmern, die ihn nicht als Kind sehen, sondern ernst nehmen. Er braucht keine Streitereien, kein Kämpfen um die Eltern, keine Eifersüchteleien, er braucht Aufmerksamkeit, Zuwendung und Ernsthaftigkeit. Exklusiv. Und genau das ist natürlich nur bedingt möglich, wenn es ein Geschwisterkind gibt, noch dazu ein jüngeres. Umso mehr genieße ich, genießt er die rare Zeit, wenn er mal allein mit uns ist. Er wirkt dann immer so selig. Und auch für mich sind diese Momente meist wunderschön und bleiben in Erinnerung. Die erste (kurze) Exklusivzeit nach der Geburt der Kleinen, Fahrradausflüge und Museumsbesuche zu zweit und vor allem unsere gemeinsame Mutter-Kind-Kur sind einige Beispiele für schöne Zeiten mit ihm allein. Diese haben wir ihm auch immer wieder ermöglicht. Ich konnte ihn sogar schon einmal 4 Stunden mit auf meine Arbeit nehmen, als die Schule geschlossen war. Das wäre mit der Kleinen noch undenkbar. Auf der Kur habe ich allerdings auch gemerkt, dass ihm gleichaltrige Freunde fehlen, wenn er nur eine erwachsene Bezugsperson hat. Als ich begann, das Zueinanderfinden der Vorschulkinder zu forcieren, ging es ihm gleich viel besser. Das war seinerzeit eine neue Erfahrung für mich, weil ich das von ihm noch nicht kannte.
Ich mag es sehr, mich mit ihm zu unterhalten und ihm meine Gedankenwelt oder Themen aus Geschichte und Gegenwart nahezubringen. Ich mag es sehr, etwas mit ihm zu unternehmen und gemeinsame Erlebnisse zu sammeln. Ich staune, wie er überlegt und was er aufsaugt. Ich sehe gerührt seine glücklichen, strahlenden Augen und wie er den Moment auskosten will. Ich freue mich darüber, ihn ab und zu auch mal von dieser Seite kennenzulernen und zu erleben, so ausgeglichen und fröhlich. Ich genieße dann den Austausch mit ihm und merke, wie groß mein Großer nun schon ist, mit seinen fast 7 Jahren. Und wie glücklich er sein kann, wenn er mit Aufmerksamkeit bedacht und ernst genommen wird. Ich möchte ihm viele solcher Momente ermöglichen. Denn auch ich speichere mir diese Momente tief in meiner Erinnerung ab: wenn mein Großer glücklich ist!