Wenn mein Großer glücklich ist

Von Frühlingskindermama @fruehlingsmama
Ich liebe es, mit dem Großen allein unterwegs zu sein. Etwas gemeinsam zu entdecken, Zeit zum Reden zu haben und mich ganz und gar auf ihn konzentrieren zu können. Ihm interessante Dinge aus der Geschichte und Gegenwart zu erzählen und seine Fragen zu beantworten. Ihm die Ruhe zum Überlegen geben zu können und selbst Muße zu haben, mich auf seine Gedanken einzulassen. Ihn anzuschauen und mich exklusiv um ihn kümmern zu können, ohne dass von der Seite jemand verbal oder physisch an mir zerrt. Mir bewusst zu werden, was für ein großer Junge er schon ist und wie toll man sich mit ihm schon austauschen kann. Das ist wunderbar und ich brauche das total.
Auch er liebt es unglaublich, die volle Aufmerksamkeit eines Erwachsenen zu haben. Er braucht die Gelegenheit, seine Gedanken ungestört entwickeln und auch äußern zu können. So oft wird dazwischengeredet, so oft muss er unterbrechen und warten, so oft hat er dann verständlicherweise keine Lust mehr zu erzählen. Wenn man sich ihm ganz und gar widmet, sich auf ihn einlässt und exklusiv für ihn da ist, ist er das glücklichste Kind. Dann hört er intensiv zu, wenn man ihm etwas Spannendes erzählt, saugt alles auf und kann Dinge reproduzieren die man ihm vor langer Zeit mal nahegebracht hat. Er ist kein aktives und exploratives Kind, nein, er hat bisher kaum den Drang, sich selbst Wissen anzueignen oder etwas Neues auszuprobieren. Aber er ist ein sehr freudiger und dankbarer Empfänger von Aufmerksamkeit und Zuwendung. Es tut ihm unheimlich gut, in der direkten Interaktion mit einem Erwachsenen im Mittelpunkt zu stehen, ja, eigentlich entfaltet er sein Potential erst dann so richtig.
An einem der letzten Wochenenden war die Kleine auf einem Kindergeburtstag eingeladen und wir mit dem Großen allein. Da das sehr selten vorkommt, wollte ich unbedingt etwas mit ihm unternehmen, was wir mit der Kleinen im Schlepptau keinesfalls machen können. Meine ursprünglichen Vorhaben scheiterten nach vorheriger Recherche am Alter (eine Unternehmung war ab 7 Jahre, er wird erst im März 7) und an den zu kurzen Öffnungszeiten nach Ablieferung der Kleinen beim Geburtstag. Da wir sowieso zu dritt erst in ein schwedisches Möbelhaus wollten, um ein neues Sofa für den Großen und einen Schreibtisch für die Kleine zu kaufen, suchte ich nach Zielen in der Umgebung. Und so verschlug es uns ins Stasi-Museum Berlin, der ehemaligen Zentrale des MfS der DDR.
Das ist ja nun für Kinder eigentlich ein völlig unattraktiver Ort, mit den alten, original belassenen Einrichtungsgegenständen, den textlastigen Ausstellungsräumen und dem "schweren", nicht greifbaren Thema. Mit der Kleinen könnte man dort keine 10 Minuten verbringen, bis sie die Flucht ergreifen würde. Mit dem Großen sind wir eine Stunde durch die Ausstellung gestreift, haben ihm altersgerecht ausgewählte Details aus unserer Geschichte erklärt und seine Fragen beantwortet. Er war sehr interessiert und hat alles aufgesaugt. Sicherlich versteht er die großen Zusammenhänge und das Ausmaß dieser Vorgänge noch nicht, aber das, was wir ihm erzählt und gezeigt haben, hat er schon gut verarbeitet. Für mich ist es total toll, so ein großes Kind neben mir zu haben und ihn ein wenig am Wissen über die Welt teilhaben zu lassen. Und für ihn war es endlich mal ein Nachmittag mit der vollen Aufmerksamkeit beider Elternteile, ohne Störungen, ohne Aufregung, ohne Nervpotential. Seine Augen glänzten und er war total glücklich, das merkte man deutlich. Es bedeutet mir unheimlich viel, ihn so zufrieden zu sehen, und ich weiß, was ihm im Alltag fehlt.
Er braucht keine kleine Schwester, er braucht Erwachsene, die für ihn da sind, die sich exklusiv um ihn kümmern, die ihn nicht als Kind sehen, sondern ernst nehmen. Er braucht keine Streitereien, kein Kämpfen um die Eltern, keine Eifersüchteleien, er braucht Aufmerksamkeit, Zuwendung und Ernsthaftigkeit. Exklusiv. Und genau das ist natürlich nur bedingt möglich, wenn es ein Geschwisterkind gibt, noch dazu ein jüngeres. Umso mehr genieße ich, genießt er die rare Zeit, wenn er mal allein mit uns ist. Er wirkt dann immer so selig. Und auch für mich sind diese Momente meist wunderschön und bleiben in Erinnerung. Die erste (kurze) Exklusivzeit nach der Geburt der Kleinen, Fahrradausflüge und Museumsbesuche zu zweit und vor allem unsere gemeinsame Mutter-Kind-Kur sind einige Beispiele für schöne Zeiten mit ihm allein. Diese haben wir ihm auch immer wieder ermöglicht. Ich konnte ihn sogar schon einmal 4 Stunden mit auf meine Arbeit nehmen, als die Schule geschlossen war. Das wäre mit der Kleinen noch undenkbar. Auf der Kur habe ich allerdings auch gemerkt, dass ihm gleichaltrige Freunde fehlen, wenn er nur eine erwachsene Bezugsperson hat. Als ich begann, das Zueinanderfinden der Vorschulkinder zu forcieren, ging es ihm gleich viel besser. Das war seinerzeit eine neue Erfahrung für mich, weil ich das von ihm noch nicht kannte.
Es kommt jedoch nur äußerst selten vor, dass er beide Eltern parallel für sich allein hat, da die Kleine bisher nur selten abwesend war. Da wundert es nicht, dass er sich schon jetzt auf die 4 Tage freut, wenn sie bald zum ersten Mal auf Kitafahrt sein wird. Denn während er schon früh seine Freunde besucht hat und zumindest in den letzten 3 Jahren mehrfach ein paar Tage verreist war, ist sie gefühlt für ihn immer da. Also immer, wenn er auch da ist. Deshalb freue ich mich für ihn, dass es nun so langsam losgeht und sie ab und zu weg ist. Denn dann kann man ihm genau das geben, was er so essentiell braucht: Konzentration, Aufmerksamkeit, Exklusivität.
Ich mag es sehr, mich mit ihm zu unterhalten und ihm meine Gedankenwelt oder Themen aus Geschichte und Gegenwart nahezubringen. Ich mag es sehr, etwas mit ihm zu unternehmen und gemeinsame Erlebnisse zu sammeln. Ich staune, wie er überlegt und was er aufsaugt. Ich sehe gerührt seine glücklichen, strahlenden Augen und wie er den Moment auskosten will. Ich freue mich darüber, ihn ab und zu auch mal von dieser Seite kennenzulernen und zu erleben, so ausgeglichen und fröhlich. Ich genieße dann den Austausch mit ihm und merke, wie groß mein Großer nun schon ist, mit seinen fast 7 Jahren. Und wie glücklich er sein kann, wenn er mit Aufmerksamkeit bedacht und ernst genommen wird. Ich möchte ihm viele solcher Momente ermöglichen. Denn auch ich speichere mir diese Momente tief in meiner Erinnerung ab: wenn mein Großer glücklich ist!