"Wenn man Fukushima meidet, besteht keine Gefahr."

Von Max Zellmer 
Sechs Monate nach der Atomkatastrophe meiden Touristen weiter Japan. Dabei soll die Strahlenbelastung in Tokio nicht höher als in Berlin oder New York sein. Geozentrale-Reporter Max Zellmer hat für die Zeitung "Die Welt" nachgefragt.

Während die Tsunami-Katastrophe eindrücklich auf Bildern dargestellt werden kann, ist die Gefahr durch die Strahlenbelastung in Fukushima unsichtbar. (Bildquelle: www.martintaylor.com)

Nach der Katastrophe im März haben viele Veranstalter und Touristen ihre Japan-Reisen abgesagt. Im April rutschten die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahr um 68% in den Keller. Mittlerweile entspannt sich die Lage etwas.
Aus Angst vor radioaktiver Strahlung meiden Touristen jedoch weiterhin das Land. Warum das so ist und weshalb er mit seiner Familie jederzeit Urlaub in seiner Heimat machen würde, erklärt Hideaki Nakazawa, Direktor der japanischen Fremdenverkehrszentrale in Deutschland.
Max Zellmer: Nach dem Tsunami und dem Atomunfall in Fukushima sind die Touristenzahlen in Japan stark zurückgegangen. Wie wirkte sich das auf die Tourismusindustrie aus?
  

Hideaki Nakazawa: Die Tourismusindustrie hat nach dem 11. März große Einbußen hinnehmen müssen, auch aus Deutschland. Die Ersten, die wieder nach Japan reisten, waren Geschäftsleute. Hinsichtlich der Hotelauslastung ergeben sich daher auch ganz unterschiedliche Situationen.
In den Metropolen Tokio und Osaka ist die Buchungslage inzwischen wieder recht gut, aber in den touristischen Regionen abseits davon, in Kyoto, in den Japanischen Alpen oder auf Okinawa, macht sich das Fehlen der Touristen bemerkbar. Die Regierung versucht, das auszugleichen, indem sie die Bevölkerung aufruft, im eigenen Land Urlaub zu machen. Die Hoffnung liegt nun auf dem nächsten Jahr.
Max: Sind die Aussichten für 2012 besser?
Nakazawa: Von deutschen Veranstaltern höre ich, dass Buchungen auf das nächste Jahr verschoben, aber nicht abgesagt wurden. Wir sehen, dass vor allem die Reisebüros Hilfestellungen brauchen, um ihre Kunden beraten zu können. Wir sind daher im Oktober in sieben deutschen Städten unterwegs, um Reisebüromitarbeiter über die aktuelle Situation zu beraten und sie zu ermutigen, Japan zu buchen.
Und um die Konsumenten direkt anzusprechen, werden wir mit eigenem Stand auf der Reisemesse CMT im Januar und auf der ITB im März 2012 vertreten sein. In Zusammenarbeit mit den japanischen Konsulaten sind wir auch auf den Reisemessen in Hamburg und München im Februar 2012.
Max: Besteht für Japan-Touristen Gefahr durch Radioaktivität?
Nakazawa: Die Antwort ist ganz klar: Wenn man die Region Fukushima meidet, besteht keine Gefahr. Tokio ist von Fukushima 250 Kilometer entfernt, und alle weiteren für Touristen interessanten Ziele, die Japanischen Alpen, Kyoto und Nara, Hiroshima, die Insel Kyushu und Okinawa, liegen noch weiter weg.
Max: Ist die Strahlenbelastung in Tokio höher als zum Beispiel in Berlin oder New York?
Nakazawa: Auch hier ist die Antwort eindeutig: Die Strahlenbelastung in Tokio ist nicht höher als in Berlin oder New York

Satellitenbilder der Zerstörungen in Japan auf einer größeren Karte anzeigen
Max: Japan ist Fisch-Land! Aber setzt man sich als Sushi-Fan nicht einer Gefahr durch verstrahlte Fische aus?
Nakazawa: Die Behörden prüfen das sehr genau und nehmen regelmäßig Proben an den Küsten im Nordosten Japans – nicht nur vor Fukushima, auch bis zu 320 Kilometer vor der japanischen Küste, um zu erfahren, wie belastet Fisch und andere Meerestiere sind. Die Befunde stellt die japanische Fischereibehörde ins Internet. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass durch den Verzehr von Meeresfrüchten während einer Japan-Reise kaum Gefahr besteht, sich radioaktiv zu belasten.
Max: Sollte man als Tourist einen Geigerzähler mit nach Japan nehmen?
Nakazawa: Klar könnte man sagen, dass das der Beruhigung dienen könnte. Aber dann müsste man sich mit dem Gerät vor der Abreise vertraut machen, um zu wissen, was man dann vor Ort misst. Wer möchte das auf einer Urlaubsreise schon? Ganz klar ist, dass es für einen Besucher nicht nötig ist, solche Messungen vorzunehmen. Japan ist eines der sichersten Länder der Welt – das liegt auch daran, dass die Behörden alle Grenzwerte und Messungen sehr sorgfältig überwachen.
Max: Gibt es eine neue Art des Tourismus: sogenannten Krisentourismus?
Nakazawa: Es gibt einige Angebote von Organisationen, aber auch von Reiseveranstaltern, als Freiwilliger in Japan an den Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten teilzunehmen.
Max: Ein Blick in die Zukunft: Wann wird sich die Lage aus touristischer Sicht wieder normalisiert haben?
Nakazawa: Wir gehen davon aus, dass sich die Situation im nächsten Jahr stabilisiert hat, auch wenn der Tourismus noch nicht wieder auf dem Niveau der Zeit vor der Katastrophe sein wird.   Max: Laut dem Hotel Price Index von 2011 sind die Hotelpreise in Japan um sechs Prozent gefallen. Ist Urlaub also jetzt günstiger als vor Fukushima?
Nakazawa: Leider steht dem der starke Yen im Wege. Tatsächlich hat man die Hotelpreise in Japan gesenkt, aber im Moment wird dieser Preisvorteil durch den Wechselkurs wieder aufgefressen. Glücklicherweise war der Reisepreis noch nie ein Argument für Japan-Reisende – dass es günstigere Reiseziele gibt, ist klar. Dennoch: Wenn man in die Kataloge der Veranstalter schaut, finden sich überall Einsteigerreisen um 2000 Euro – das ist nicht viel, um Japan kennenzulernen.
Max: Würden Sie jetzt selbst als Tourist mit Ihrer Familie nach Japan reisen? Auch in den Norden?
Nakazawa: Ich war gerade im Juli in Japan und würde jederzeit wieder dorthin reisen. Nur die Gegend um Fukushima und die Pazifikküste würde ich meiden, aber das versteht sich von selbst.  Links:  Reise- und Sicherheitshinweise für Japan gibt das Auswärtige Amt unter www.diplo.de.
Max Zellmer ist Mitarbeiter der Geozentrale. Dieses Interview hat er im Auftrag der Zeitung "Die Welt" geführt. Das Interview ist auch unter http://www.welt.de/reise/Fern/article13626396/Wenn-man-Fukushima-meidet-besteht-keine-Gefahr.html erschienen.

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