Wenn ich das vor dem ersten Kind gewusst hätte... (Blogparade)

Den Anlass zu diesem Text hat nicht nur der Ursprungsbeitrag der Blogparade Wenn ich das vor dem ersten Kind gewusst hätte... gegeben, sondern besonders der allererste Beitrag von Klaudia bloggt, der in mir einigen Widerstand hervorrief. Im Rahmen der Blogparade fragt die Rubbelmama, was wir vor der Geburt des ersten Kindes anders gemacht hätten, wenn wir gewusst hätten, wie das Kinderhaben wirklich ist. Sie erwähnt einige Beispiele der Dinge, die ihr früher wichtig waren (Reisen, Feiern) und die sie lieber noch mehr ausgekostet hätte. Gleichzeitig bringt sie auch Aspekte an, die sie gar nicht berücksichtigt hatte und die sie, hätte sie es besser gewusst, vorher intensiver betrieben hätte (Beispiel Trageberatung). Man liest aus ihrem Text heraus, dass sie sich wie die meisten Eltern nicht vorstellen konnte, wie verändernd das Leben mit einem Kind tatsächlich ist.
Das geht auch aus dem Text von Klaudia bloggt hervor, die bestätigt, dass sich mit Kind vor allem für die Mamas vieles verändert, aber behauptet, dass man nach der ersten unbestreitbar anstrengenden Zeit vieles selbst in der Hand hat, man selber "Herr, oder in diesem Fall Frau über sein Schicksal" ist und meint, mit der entsprechenden Organisation und einer gesunden Portion Egoismus, um "sich nicht im Mamasein zu verlieren" könne man zumindest teilweise sein altes Leben wieder aufnehmen. Ihr Kind ist ein halbes Jahr alt, sie hat schon eine "babyfreie Partynacht" hinter sich und wird bald über Nacht wegfahren. Die Oma wohnt in unmittelbarer Nähe und fungiert problemlos als Babysitterin. Dies kumuliert in der Aussage: "Mein Rat also an alle kinderlosen: Lasst euch nicht abschrecken, in erster Linie entscheidet ihr, wie weit ihr euch einschränken müsst, zumindest über die “normalen” Einschränkungen hinaus." Sie impliziert damit, dass man vor dem ersten Kind eigentlich nichts besonders auskosten muss, weil man es sich alles selbst wieder ermöglichen kann, wenn man nur möchte. Ähnliches klingt auch aus dem Blogparadentext von Mami und Ich heraus, die sagt: "Ich glaube das funktioniert bei jeder Mama, die es auch will."
Ich muss ehrlich sagen, als Kinderlose und auch mit einem pflegeleichten Kind hätte ich das geglaubt und genauso gesehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Leben tatsächlich auf Jahre hinaus fremdbestimmt ist und man daran, so sehr man es vielleicht will, nicht viel ändern kann, entweder weil die Umstände ungünstig sind oder die Kinder das einfach nicht mitmachen. Ich war auch der Meinung, dass man nur genügend wollen muss, um sich sein Leben neben dem Mamasein zu erhalten. Sicherlich gehört der eigene Wille dazu, aber man unterschätzt völlig, dass Kinder auch ihren eigenen Willen, ihre Bedürfnisse und Eigenheiten haben, gegen die man manchmal nicht viel ausrichten kann, selbst wenn man es wöllte. Man unterschätzt auch, dass das Wohlergehen des Kindes plötzlich wichtiger ist als die eigenen Wünsche, auch wenn man unter der Tatsache leidet, und dass man es nicht mit sich vereinbaren kann, sich über diese hinwegzusetzen und das Unglück des Kindes für die eigene Zufriedenheit in Kauf zu nehmen. Und dass man kämpfen muss, um überhaupt ein paar Mama-Bedürfnisse durchsetzen zu können.
Ich bin ein sehr freiheitsliebender, selbstbestimmter Mensch und leide immer noch, mal mehr, mal weniger unter der Tatsache, dass ich nicht mehr über alles in meinem Leben frei bestimmen kann, seit ich Kinder habe. Ich bin eigentlich kein aufopferungsvoller Mensch und vor allem verbiege ich mich nicht gern, damit jemand anderes zufrieden ist. Für meine Kinder mache ich dies aber seit fast 5 Jahren, und zwar nicht unbedingt aus freien Stücken, zwar durchaus aus Überzeugung, aber auch weil es notwendig ist, weil es nicht anders geht, weil sie manches nicht akzeptieren, was andere Kinder vielleicht problemlos mitmachen. Beide haben beispielsweise keine Flasche akzeptiert, d.h. solange ich vollstillte, musste ich immer parat stehen. Ich habe auch beide Kinder lange einschlafgestillt und deshalb auch keine Möglichkeit zum abendlichen Weggehen gehabt. Seit dem Wegfallen des Einschlafstillens bei der Kleinen vor einem Jahr will sie trotzdem nur von mir ins Bett gebracht werden und wehrt sich mit Händen und Füßen gegen unsere Versuche, dass der Papa das mal übernimmt. Ich bin seit nunmehr fast 5 Jahren nicht ein einziges Mal über Nacht weggefahren, nicht weil ich nicht will (ich will unbedingt), sondern weil es mit meinen Kindern nicht geht. Mein Großer hatte im gesamten ersten Lebensjahr mehrstündige nächtliche Wachphasen und war tagsüber sehr unzufrieden und schwierig. Man konnte ihn einfach an niemanden übergeben, ohne Eskalation. Wir haben ihn mit wenigen Monaten mal für 1,5 h meinen Eltern anvertraut, um ins Museum zu gehen. Er war gestillt, er war müde und sollte im Wagen schlafen. Stattdessen hat er die ganze Zeit geschrien, bis kurz vor unserem Rauskommen. Meine Eltern haben ihn getragen, herumgefahren, alles versucht, erfolglos. So ein Kind kann man einfach niemandem "zumuten". Von den Nächten ganz zu schweigen. Meine Kleine braucht mich abends und nachts bis heute, ob ich das will oder nicht. Sie hat sich sogar gesträubt mitzukommen, als die Großeltern sie und ihren Bruder einmal von der Kita abholten. Mag sein, dass das in den Augen anderer Eltern mit pflegeleichteren Kindern ungewöhnlich, übertrieben, marottenhaft oder hausgemacht ist, aber so ist unsere Realität und es bleibt uns nichts übrig, als sie zu akzeptieren. Zumindest wenn wir nicht über die Kinder hinweggehen wollen. Das sind die Faktoren, die vom Kind und seinen Bedürfnissen und Eigenheiten abhängen, vom Trennungsverhalten, der Anhänglichkeit und Ausgeglichenheit. Auch das Reisen ist nicht mit allen Kindern einfach. Mein Großer hatte schon immer große Umstellungsprobleme und Schwierigkeiten in fremden Umgebungen. Deshalb fahren wir bevorzugt in vertraute Gefilde, damit sich die Kinder und damit auch wir wohlfühlen, und behalten genau den Rhythmus wie zuhause bei. Schön für die Eltern, wenn sie schreiben können: "Aber es war wunderbar, Zoe war dort genauso wie zuhause, kein Fremdeln oder sonstiges." Aber das ist nicht allgemeingültig und vor allem nicht allein von den Eltern abhängig. Genau das wird aber in solchen Texten suggeriert.
Daneben gibt es die äußeren Faktoren wie das Vorhandensein von Babysittern, die Nähe der Großeltern und die Zuverlässigkeit des sozialen Netzwerkes. Nicht jeder hat Großeltern in unmittelbarer Nähe wohnen, die auch noch freudig bereit sind, Babysitterdienste zu übernehmen und den Eltern freie Abende und Nächte zu ermöglichen. Bei uns wohnen die Großeltern 300 km entfernt und wir sehen uns ca. 5-6x im Jahr, wovon ca. 3x wir unsererseits in ihre Umgebung reisen. Dass die Kinder keine verlässliche Beziehung zu ihnen aufbauen können, liegt auf der Hand. Wir haben das Glück, dass unser Großer einen sehr guten Draht zu seinem Opa hat und sich dadurch relativ problemlos von uns löst. Das ist wirklich ein absoluter Glücksfall, denn er war lange Zeit ein Kind mit enormen Trennungsschwierigkeiten. Wäre diese Chemie zwischen den beiden nicht vorhanden, wäre es mit Sicherheit bis heute schwer, ihn bei den Großeltern übernachten zu lassen. Das ist eine Tatsache und kein Punkt, den man irgendwie beeinflussen könnte. Trotzdem hat er erst mit 3 Jahren bei ihnen übernachtet. Bei der Kleinen wird das noch schwieriger werden. Nach einem Babysitter haben wir mal ein dreiviertel Jahr lang gesucht, bis wir entnervt aufgaben. Es passte einfach nicht. Für ein pflegeleichtes Kind nimmt man vielleicht einfach die erstbeste Schülerin zum Babysitten und das klappt dann auch gut, aber für anspruchsvolle Kinder schaut man schon genauer hin. Auch dies konnte ich mir, bevor ich Kinder hatte, nicht vorstellen.
Ich wehre mich dagegen, wenn andere Eltern behaupten, es wäre alles nur eine Frage des Wollens und dann könnte man sich Freiheit und Freizeit auch als Eltern schaffen. Dem ist nicht so oder nur sehr eingeschränkt, zumindest bei einigen speziellen Kindern, und wer so ein Kind nicht hat, sollte nicht über andere urteilen oder Kinderlose in ihrer Naivität bestärken, dass das Leben mit Kindern fast genauso weitergeht wie vorher. Ich bin jetzt mal radikal und sage, bei uns ist kein Stein auf dem anderen geblieben und nichts ist mehr so wie vorher. Und ich kenne aus der Online-Welt einige andere Eltern, wo dies genauso ist. Natürlich ist auch dies nicht allgemeingültig und auf alle anderen Eltern und Kinder anwendbar, was wir erlebt haben, aber es kann passieren und man sollte darauf vorbereitet sein. Das ist in jedem Fall besser als Blauäugigkeit, die durch die o.g. Blogposts noch unterstützt wird.
So, und um nun noch konkret etwas zum eigentlichen Thema der Blogparade zu schreiben: Hätte ich gewusst, was wirklich auf mich zukommt, ich wäre vorher noch um die Welt gereist, ich hätte fast mein ganzes Erspartes für Reisen draufgegeben, weil es das ist, was ich wirklich sehr vermisse und was auch auf lange Sicht nicht mehr in der Form wie früher möglich sein wird. Alles andere habe ich mir häppchenweise zurück erkämpft, mal ins Kino, Museum oder essen zu gehen ist mittlerweile möglich, wenn auch zu anderen Zeiten und gehetzter als früher. Im ersten Babyjahr allerdings waren selbst solche Vergnügungen fast ein Ding der Unmöglichkeit. Also rate ich allen, die Dinge, die einem wichtig sind und fehlen würden, auszukosten und auszuleben. Was das ist, ist individuell verschieden. Aber geht nicht davon aus, dass ihr es mit Kindern genauso weitermachen könnt. Sicherlich gibt es Kinder, mit denen das geht, mit denen man reisen und essen gehen kann und die alles problemlos mitmachen. Aber es kann auch anders sein. Und darauf sollte man sich vorbereiten.
Und noch einen anderen Rat hätte ich: wartet mit dem Geschwisterkind lieber etwas länger, falls eines geplant ist, und lasst euch zwischen zwei Kindern Zeit, um wieder ein wenig Freiheit und Selbstbestimmung auszukosten. Es macht, denke ich, viel aus, in eine erneute Babyzeit zu gehen mit dem Wissen, zwischendurch wieder mehr für sich gemacht zu haben. Ich hatte das nicht und bin nun sozusagen seit fast 5 Jahren ununterbrochen in diesem Kreislauf. Das zerrt schon manchmal an den Nerven, auch wenn mit zunehmendem Alter der Kinder vieles besser wird.
Was hättet ihr anders gemacht, wenn ihr gewusst hättet, wie das Leben mit Kindern wirklich ist?
Und hier habe ich darüber geschrieben, was ich als Mama vermisse.

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