“Wenn ich bleibe” von R. J. Cutler

Erstellt am 20. September 2014 von Denis Sasse @filmtogo

Mia Hall (Chloë Grace Moretz) bewegt sich ungesehen und außerhalb ihres Körpers durch das Krankenhaus, in dem sie im Koma liegt.

Chloë Grace Moretz ist eine der wenigen Jungdarstellerinnen, bei der man es kaum noch abwarten kann, dass sie ein erwachsenes Alter erreicht, mit dem sie manch einer nur für Kinder tauglichen Rolle entgehen kann. Sie ist auch eine der wenigen Darstellerinnen, die genau das bereits mehrfach erfolgreich gemacht hat. Nicht umsonst ergatterte sie die blutrünstige Rolle der Carrie in der gleichnamigen Neuverfilmung, ebenso stark spielte sie das Vampirmädchen in dem US-Remake Let the Right One In. Mit Wenn ich bleibe von Regisseur R. J. Cutler begeht sie das Vergehen, sich in einer Teenie-Literaturverfilmung zu zeigen, die im Fahrwasser von Das Schicksal ist ein mieser Verräter dümpelt, in der sie allerdings dermaßen stark spielt, dass man es ihr sogleich wieder verzeihen mag.

Das Drehbuch zum Film, nach dem Roman von Gayle Forman von Shauna Cross umgesetzt, hält einige spielstarke Momente bereit. In einer von zwei Zeitebenen darf Frau Moretz aus ihrem Körper fahren, ihr eigenes im Koma liegendes Abbild beobachten und in Erinnerungen schwelgend (die zweite Zeitebene) auf eine bessere und durch und durch glückliche Zeit zurückblicken. Hier hat sie coole unkonventionelle Rock-Eltern und einen kleinen Bruder, mit dem sie sich niemals streitet. Hier hat sie ihr Talent zum Cello-spielen und Adam, ihre große erste Liebe. Dann aber entzweit ein Autounfall sie von diesem wundervollen Leben. Außerhalb ihres Körpers muss sie das Leid, Elend und die Trauer um sie herum mit ansehen, nur wenige Lichtblicke lassen sie daran zweifeln, dass der Tod nun die beste Lösung ist.

Jamie Blackley als Adam.

Hier liegt die Stärke von Wenn ich bleibe: Der Film richtet sich wenig vorhersehbar in eine Richtung. Tod und Leben bleiben gleichermaßen eine Möglichkeit. Der Tod scheint ebenso legitim wie das Leben, es dreht sich alles darum, welche Entscheidung Mia fallen wird. Der Großvater würde es verstehen, wenn Mia den Tod wählt, Adam fleht die im Koma liegende Freundin an, um ihr Leben zu kämpfen. Das weiß scheinende Licht wirkt reizvoll, das Leben hält trotz aller Traurigkeit auch noch einiges Schönes für sie bereit. Leid und Freude in Tod wie Leben. Eine arge Zwickmühle für Mia, eine Möglichkeit für Grace Moretz, ihr Spiel zwischen schönem Leben und Erinnerungen an dieses und Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zu wechseln.

Ein Manko entsteht aus dem Ungleichgewicht der Zeitebenen. Die viel interessantere Gegenwart wird hinter die erinnerte Vergangenheit gerückt, die Mia und Adam in den Fokus stellt, wie sie sich kennen lernen, hassen und lieben, wie sie leider immer wieder abgedroschene Worte von sich geben, die entweder viel zu schlau für das Teenager-Leben wirken, oder aber vor Poetik nur so triefen, meistens auf alle Fälle fern der Realität sind. Viel stärker, aber leider auch seltener, ist die Gegenwartsebene: der Unfall, das Krankenhaus, das Schicksal der Familie. Die emotional mitnehmenden Momente entstammen nicht der Liebe zwischen Mia und Adam, sondern von Großvater und Enkelin.

Stacy Keach spielt Mias Großvater.

Stacy Keach spielt den alten Mann, der sich keine Träne verdrücken kann und um seine Mia bangt und bettelt, aber eben auch erkennt, dass er sie gehen lassen muss, wenn sie mit der wachen Welt abschließen möchte. Selbst in ihrem Zustand außerhalb ihres Körpers scheint der Großvater Mia noch zu sehen. Er blickt sie an, sie macht große Augen. Ein Hoffnungsschimmer. Er ist sicherlich einer der Gründe, weshalb Mia um ihr Leben kämpfen sollte. Grace Moretz und Keach schaffen hier Momente, die eines Taschentuchs bedürfen.

Die Schwämme an Verfilmungen von Teen-Literatur mit tragischen Schicksalen inbegriffen dürfte ins schier unermessliche steigen, nachdem sowohl Shailene Woodley in Das Schicksal ist ein mieser Verräter als nun auch Chloë Grace Moretz in Wenn ich bleibe so zu Tränen rührende Performances abgeliefert haben. Dabei werden einige Filme, recht viele sogar, auf der Strecke bleiben, denn es bedarf immer auch starker Schauspielerinnen, um diese Gefühlswelten zu entfachen. Das hat mit Grace Moretz in diesem Falle wunderbar geklappt.

Sharelines

In ”Wenn ich bleibe” sind Tod und Leben gleichermaßen eine Möglichkeit. Der Film bleibt unvorhersehbar. Es bedarf einer starken Schauspielerin um wechselhafte Gefühlswelten zu entfachen. Grace Moretz gelingt es.

Wenn ich bleibe
106 Minuten, freigegeben ab 6 Jahren, Kinostart: 18. September 2014
im Netz: Offizielle Homepage zum Film
alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany