Wenn es Kunst werden soll, muss man sich etwas anstrengen …
Für viele Fotografen ist heute das Wort „Kunst“ fast wie ein spitzer Stein im Schuh. Ich weiß nicht warum, aber es fällt mir immer wieder auf. Ich finde Kunst ja wundervoll, weil ich mich vollkommen frei bewegen kann und auch krude Gedanken in Bilder packen kann. Interessant ist da für mich auch immer wieder, dass Bilder, die als Einzelbild nicht wirken würden, plötzlich in der künstlerischen Umsetzung ihre volle Kraft entfalten.
Ungewöhnliche Aktfotografie als Kunst
Normalerweise kennen wir in der Aktfotografie entweder die große Szene mit perfekter Präsentation des Models, oder das nahe Heranrücken zur Aufnahme von Körperlandschaften. Dies bedeutet, entweder nah dran oder weit weg. Die Entfernung dazwischen, also das nicht weit und nicht nah, scheint in der Aktfotografie keine Rolle zu spielen. Es scheint nicht nur, es ist so. Und gerade das hat mich gereizt. Dabei hat man auch die Möglichkeit, ungewöhnliche Schnitte zu setzen. Hier wollte ich es, mit voller Absicht, mit ein bisschen Kopf, aber nicht zu viel. Auf den ersten Blick und bei der Betrachtung des Einzelbildes wirkt das unentschlossen. Irgendwie stümperhaft wäre mit Sicherheit ein möglicher Kommentar (wenn auch hinter vorgehaltener Hand, weil man mir ja nicht weh tun möchte). Und ich dürfte darüber nicht böse sein, weil es stimmen würde, wenn ich das Ganze als Einzelbild angelegt hätte. Habe ich aber nicht. Da lag ein Plan dahinter.
Ungewöhnliche Ausarbeitung für die Kunst
Ungewöhnliche Aufnahmen benötigen eine ungewöhnliche Ausarbeitung. Das ist jetzt kein umwerfendes Geheimwissen, aber eventuell sollte man sich das immer wieder ins Gedächtnis rufen. Ungewöhnliches braucht Ungewöhnliches. Aber auf welche Ideen muss/sollte man dabei kommen?
Zuerst mal ein Fotokonzept
Ich höre schon leises Gähnen im Saal. Aber klar, alles was planlos geschieht, wird immer planlos aussehen. Ich hatte mir bei dem obigen Kunstwerk (oder soll ich sagen Machwerk?) vorgenommen, die Einzelbilder auf dem Fotopapier so zu platzieren, dass es wie eine Kollage wirkt. Aber nicht kunstvoll „kollagiert“, sondern platt und einfach nebeneinander gesetzt. Mit Absicht. Und weil man das nicht einfach so aus dem Handgelenk zusammen bekommt, habe ich ein kleines Fotokonzept geschrieben … nichts weltbewegendes, aber immerhin. Da stand also einen kurze Beschreibung der Aufnahmesituation und auch die Vorstellung, wie das auf das Papier kommen soll. Tja, nach der Filmentwicklung musste ich mir nur aus der gesamten Bildserie die vier Negative aussuchen, die zusammen kommen sollten.
Vier Belichtungen auf einem Fotopapier
Ich habe einen einfachen Vergrößerungsrahmen mit Metallplatte genommen, das Fotopapier draufgelegt und all die Bereiche, die im aktuellen Belichtungsgang nicht belichtet werden sollten, mit einer Magnetfolie abgedeckt. Ein komplexer Satz, aber einfach in der Umsetzung. Um die schwarzen Ränder zwischen den Bilder dann ordentlich schwarz zu machen, habe ich dann alle regulär belichteten Stellen mit Magnetfolie abgedeckt (4 Folien = 4 Bilder) und noch mal ordentlich weißes Licht drauf gegeben. Prima, so kommen vier Einzelbilder als Kollage auf ein Fotopapier.
Besonderes soll besonders aussehen
Nun kommt der Trick mit der Farbgebung des Fotopapiers. Hierzu habe ich den Papierentwickler „Spürsinn Straight Black classic“ verwendet, in der Verdünnung 1+7, bei einer Entwicklertemperatur von 18° C. Das war jetzt der Einschub für die Techniker. Nun ist es ein altbekannter Trick, dass es bei einigen Papierentwicklern möglich ist, einen Farbverschiebung ins Rot-Braun zu bekommen, wenn man überbelichtet und unterentwickelt. Also habe ich ca. 1 1/2 Blenden zu stark das Papier belichtet und die Entwicklung nach ca. 3/2 der Zeit abgebrochen. Die niedrige Entwicklertemperatur hat mich dabei noch unterstützt. Ergebnis: Rotbraun und gut.
Mehr musste ich nicht machen, fertig war das Kunstwerk (wahlfrei darf jeder hinter vorgehaltener Hand auch Machwerk sagen). Meine Kunst kann man kaufen. Nur nicht dieses Bild … es ist verkauft. Weg, raus, zu einem Menschen gegangen, der es schätzt und werthält. Und exakt in dieser Art kann ich es auch nicht noch einmal herstellen. Das ist das Wesen des Unikats. Zu viele Parameter und fein abgestimmte Arbeitsschritte. Wenn ich die Negative noch einmal verwende, dann wird es anders … vielleicht ähnlich, aber doch anders.
Spielerei oder Kunst?
Gute Frage, nächste Frage. Ich denke, Kunstschaffen und Spielerei sind nah verwandt. Bei dem Ding mit der Kunst liegt jedoch ein klarer Plan dahinter. Man sucht (und findet) Wege, etwas so zu gestalten (oder entstehen zu lassen), wie man es sich vorgenommen hat. Ob das alles zu 100% so wird, wie man es sich vorgestellt hat, ist nicht (immer) vorhersehbar. Aber genau das ist auch das Befriedigende daran. Je näher man seinem Ziel kommt, um so mehr. Und das spornt an. Mich jedenfalls und (immer wenn ich Zeit habe) will ich mehr machen, mehr erreichen. Stehen bleiben ist Stillstand und das war noch nie mein Ding.