"Aber bei mir war das alles über Nacht gekommen. Über mich hereingebrochen. Meine Familie war mein Terrain gewesen. Meine Sicherheit. Und jetzt hatte ich irgendwie plötzlich den Boden unter den Füßen verloren."Autor: Jana FreyTitel: Wenn du mich brauchstErscheinungsjahr: 2011Verlag: ArenaSeitenzahl: 365Erster Satz: "Wie eine goldene Orange versinkt im Westen die Sonne hinter den Bäumen"Inhalt:Zwei Mädchen die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zum einen Sky Lovell, die mit einer drogensüchtigen, deutschen Mutter, dem zurückgezogenen Bruder Moon und dem Vater, der ständig fremdgeht, in einem heruntergekommen Haus in Los Angeles lebt. Ständig fehlt das Geld zum Leben und Sky hat nicht selten den Wunsch nach einem anderen, geregelteren Leben.Genau dieses andere Leben führt Hannah Greenberg. Das gleichaltrige Mädchen wächst in einer jüdischen Familie auf, in der Zusammenhalt und das Familienleben eine wichtige Rolle spielt und in der es dem Mädchen an nichts fehlt.Und obwohl sich beide Mädchen nicht kennen, sind sie sich durch einen unglücklichen Zufall näher, als sie ahnen.Meine Meinung:Das Buch hat mich überrascht. Inhaltlich konnte ich mir darunter nichts vorstellen, da der Klappentext einfach nur nichtssagend ist. Doch genau das machte für mich irgendwie den Reiz des Buches aus, als ich es zum ersten Mal in der Hand hielt.Das Buch wird abwechselnd immer aus der Sicht von Hannah und Sky erzählt. Trotz der Namensüberschriften der einzelnen Kapitel, habe ich bei dem ständigen Perspektivwechsel manchmal schwer getan und die beiden Perspektiven durcheinandergeworfen. Mit der Zeit kam ich damit aber immer besser klar.Die Thematik, die das Buch aufgreift ist total vielschichtig. Zum einen geht es um das Judentum und den Nationalsozialismus. Hannahs Familie, vor allem ihr Bruder, sind sehr religiös. In ihrem alltäglichen Leben spielen somit auch die jüdischen Rituale, Traditionen und Feste eine Rolle, obwohl die Familie alles in allem ein normales, amerikanisches Leben lebt. Mir hat es gefallen, dass man so einen Einblick in das Leben heutiger Juden bekommt.Einen Schatten auf die Familie wirft die Urgroßmutter Esther, die damals als schwangere Frau in das Vernichtungslager Auschwitz kam und die schreckliche Zeit dort überlebte. Doch immer noch fällt es ihr schwer die zeit dort richtig zu verarbeiten und so ertränkt sie ihren Kummer von Zeit zu Zeit in Alkohol und schaut sich immer wieder neue Filme und Dokumentationen über die Zeit des Nationalsozialismus an.Der Fokus in diesem Buch liegt nicht, wie in vielen anderen geschichtlichen Büchern, auf der Zeit während des zweiten Weltkrieges, sondern vielmehr drauf wie die Überlebenden mit den schrecklichen Erinnerungen an das Erlebte weiterleben. Die Geschichte von Esther hat mich sehr berührt und mir deutlich gemacht, dass nach der Befreiung der Juden aus den Konzentrationslagern eigentlich keine Probleme gelöst und keine Fehler wird gut gemacht werden konnten.Desweiteren ist da die Geschichte von Sky und Hannah, über die ich hier kaum etwas verraten kann ohne zu viel zu verraten.Die beiden Mädchen müssen sich im Laufe des Buches selbst finden und sich immer wieder fragen "Wer bin ich und was macht mich zu der, die ich bin?" So beginnen sie plötzlich alles um sie herum und ihr gesamtes bisheriges Leben in Frage zu stellen und finden sich in einem Chaos zwischen Familientragödien, Liebe, Freundschaft und Selbstzweifeln wieder.Die Gestaltung der Charaktere ist der Autorin meiner Meinung nach besonders gut gelungen. Selbst die Nebenfiguren, werden so klar und lebendig beschrieben, dass sie für den Leser beinahe greifbar werden.Am meisten angetan hat es mir Sky. Obwohl Hannah auch sympatisch ist, hat mich ihr nahezu perfektes Leben nicht so interessieren können, wie das turbulente von Sky, die eine dadurch auch eine interessantere Persönlichkeit entwickelt hat.Sky Lovell ist damit aufgewachsen, dass ihre Eltern sich ständig streiten und leidenschaftlich wieder versöhnen und manchmal wünscht sie sich es wäre anders. Dennoch weiß sie im Grunde genommen, dass sie ihr unkonventionelles Leben für kein Geld der Welt eintauschen würde.Genauso wie ihr Bruder Moon, der sich vollkommen in seine eigene Welt zurückzieht und seine Klamotten von oben bis unten mit Gedichten beschreibt und der seine kleine Schwester über alles liebt, kann sie ihrer Mutter nicht wirklich böse sein und verzeiht ihr jeden der Fehler, obwohl sie damit der ganzen Familie schadet.Der einzige Kritikpunkt ist, dass die Handlung teilweise sehr verworren und an den Haaren herbeigezogen ist. Die Autorin hätte sich teilweise auf ein paar klare Handlungsstränge beschränken sollen, anstatt immer wieder neue hinzuzufügen, die es schwer machen allen genau zu folgen.Fazit:Das Buch greift sensibel und interessant das Thema des Nationalsozialismus auf und gefiel mir vor allem wegen der starken Charaktere. Wegen ein paar kleiner Kritikpunkte vergebe ich 4 von 5 Herzen.♥♥♥♥♥