Wenn die Natur verloren geht, geht mit ihr auch der Tanz

Die nadaproductions von Amanda Piña & Daniel Zimmermann stellten den Verlust von Tanzmaterial in den Fokus ihrer neuen Arbeiten. Aufgeführt beim ImpulsTanz Festival, erlebte das Publikum dabei alles andere als historische Tänze.

Amanda Piña & Daniel Zimmermann sind mit ihren nadaproductions dafür bekannt, sich beständig auf kultursoziologische Spurensuche zu begeben und ihr Ergebnis in Performances oder tänzerisch zu präsentieren. „Four remarks on the history of dance“ nennt sich ihr neuer Abend in dem vier weiß gekleidete, junge Damen mit langen Haaren auf der Bühne rituellen, historischen Tänzen nachspüren. Erde, Feuer, Wasser und Luft sind titelgebend für je eine Session, in der die Tänzerinnen dem jeweiligen Element ihre Referenz erweisen.

Bevor die Show jedoch beginnt, darf das Publikum Einsicht in kleine Dioramen nehmen. Wie in Puppenhäusern sind dort jene Stationen nachgebaut, in welchen das Projekt zustande kam. Vom Flugzeug, mit dem man in ferne Länder aufbrach, über die Probenräume bis hin zum Aufführungssaal im Kasino am Schwarzenbergplatz ist hier alles vertreten. In einer Videoproduktion, in der die Räume mit einer Kamera gefilmt und live übertragen werden, wird schließlich vermittelt: Was hier zu sehen ist, wurde von langer Hand vorbereitet. Nicht schnell und hastig, sondern mit einem personellen Aufwand, der den auf der Bühne sichtbaren bei Weitem übersteigt. Notwendig war dieser, da das Projekt von einer Publikation begleitet wird: Sie trägt den selben Titel mit der Ergänzung „Endangered Human Movements Vol. 1“. Darin wird jene Suche dokumentiert, in der auf allen fünf Kontinenten nach verschwindenden oder bereits verlorengegangenen Bewegungen Ausschau gehalten wurde.

Die Choreografien, die im Anschluss gezeigt werden, sind keine original überlieferten Schrittsequenzen. Vielmehr standen Piña manches Mal nur fragmentarische Videoschnipsel von nur wenigen Sekunden zur Verfügung. Diese genügten, um daraus selbst Inspiriertes tanzen zu lassen. Die weißen, knielangen Kleider und die weißen Accessoires wie Haarreifen mit Strahlenkränzen oder in Blattform zugeschnittener Stoff, die weißen, üppigeren Kostüme, die nur zur Dekoration dienten, all das hinterlässt den Eindruck, als sei das ehemals Farbige, das ihnen innewohnte, verblasst. Die Tänze, die hier nicht einmal rekonstruiert, sondern die vielmehr wie ein Nachhall von etwas auftauchen, das es nicht mehr gibt, das man sich aber zumindest noch vorstellen kann, gehören zu jenem Kulturgut, das rund um den Globus langsam verschwindet. Ein Zustand, der nicht erst mit der wirtschaftlichen Globalisierung einhergeht, von ihr aber tatsächlich befördert wird.

Eine kleine Lichterkette am Boden der Bühne zeigt durch ihr Leuchten, ob blau, grün oder rot, die jeweiligen Elemente an. Wasser und Erde sind von langsamen Schrittfolgen geprägt. Von Bewegungen, die Regen oder einen Fluss imitieren oder der Erde eine Fruchtmetapher präsentieren. Feuer und Luft hingegen gestalten sich in schnellerem Rhythmus, der zusätzlich durch eine Live-Performance auf unterschiedlichen Schlaginstrumenten erzeugt wird. Die teils sehr kontemplativen, teils schweißtreibenden Tänze vermitteln die Idee einer naturverbundenen Vergangenheit, in der durch kollektive Akte nicht nur die Natur selbst beschworen wurde, ihr gehuldigt oder sie besänftigt werden sollte. Die Tänze machen auch deutlich, dass wir heute in einer Zeit leben, in der das Gefühl für eine bestimmende Natur völlig verloren gegangen ist und es auch keine Räume mehr gibt, in welchen die Idee von einem ganzheitlichen, naturverbundenen Leben noch funktioniert.

Eine Produktion, die weniger zur Unterhaltung aber vielmehr zum Nachdenken und Nachlesen anregt.


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