Wenn die Nacht am stillsten ist
Arezu Weitholz
Kunstmann, 2012
978-3888977756
17,95 €
Sie ist am Bett von Ludwig. Mit dem hat sie ihr Leben geteilt, welches nicht mit seinem kompatibel war. Hört er sie oder hört er sie nicht? Warum hat er getan, was er getan hat? Und sie erzählt und erzählt: über das Licht, welches sich im Staub bricht, aber ein Leben der Traurigkeit, über das Ende von allem …
Es gibt nur zwei Leben und nur eines davon habe ich gemocht. Anna ist eine Frau, der ich immer wieder zuhören würde, wenn sie ihre Gedanken ausspricht. Oder ich möchte ihre Gedanken immer wieder lesen, würde einen ganzen Roman sitzend mit ihr am Bett verbringen. Die Poesie und die kalte Melancholie ihrer Worte haben mich manchmal unfassbar mitgenommen. Kein Wunder, dass ich später mit Ludwigs Leben nicht allzu viel anfangen konnte. Immerhin zeigte es mir, die Fehler von einem Leben und einer Liebe, die fast nur bei Anna lagen und Anna hatte ich schließlich lieb gewonnen.
Es ist ein Buch, das mein Regal nicht mehr verlassen wird. Auch wenn die Bewertung am Ende vielleicht nur aus meinem Leserherzen kommt und ich es diesmal überhaupt nicht geschafft habe objektiv zu sein, könnt ihr diese Rezension lesen. Aber geschrieben habe ich sie für Anna, eine Figur, die mich tief beeindruckt hat.
Die Kulisse ist fast ein Standbild und ich freute mich darauf in diesem Zuhause zu sein. Aber aus dem Schlafzimmer, das sich abkapselte und meine kleine Welt wurde, wurde im zweiten Teil des Buches ein ganzes Leben. Das ganze Leben war interessant keine Frage und beleuchtet den “Rest” der Geschichte. Aber es wirkte fehl am Platz, wie ein Splitter, den ich hätte entfernen müssen.
Es geht um ein fast weggeworfenes Leben und um eines, das es nicht wert war, geliebt zu werden. Wenn ein Mensch viele Dinge nicht aussprechen kann und immer im verborgenen lebt, kann eine Liebe nicht gut ausgehen. Oder? Ich war mir sicher, dass es so sein würde. Dennoch überrascht mich das Buch mit einem Menschen, der sich nicht wehren kann und einer, die viel zu erzählen hat. Die Gefühle einer Frau sind wunderbar ausgebreitet worden, aber als der Mann an die Reihe kommt, merkt man, wo der Fehler liegt. Die Frau liebte zu viel, zu schnell und er konnte nicht damit umgehen.
Es ist, was es ist. Ein Roman, in Brauntönen. Auf ihn gestoßen bin ich nur bei Kunstmann selbst, geliebt habe ich die erste Seite einer Leseprobe. Außerdem lässt sich das Papier gut anfassen, es fühlt sich nach einer guten Geschichte an. Nicht zu glatt, sondern so als ob das Buch etwas zu erzählen hätte.
Fasziniert hat mich dieses Buch schon. Es passt in ein Regal mit Lilly Lindner: Bücher, die mich tief berührt haben. Leider konnte “Wenn die Nacht am stillsten ist” den Bruch zwischen zwei Welten nicht kitten. Die erste Hälfte haute mich sprachgewaltig um, die Zweite war Ludwigs Klischee und machte mich traurig: als Leserin und Freundin von Anna.