Die ganze Woche regnete es. Wir haben mittlerweile Donnerstag und ich komme mir vor, als zöge der Sommer seine Hosen herunter, um mir mit seinem blanken Hintern zu sagen:“Nicht hier, Mario. Nicht in Polen“.
Es regnet. Es ist kalt. Das schon die ganze Woche. Aber beschweren darf ich mich eigentlich auch nicht zu sehr. Meine Eltern waren mich inzwischen auch besuchen und zumindest diese Woche war der polnische Himmel sehr, sehr nett zu uns.
Sogar Sonnenuntergänge hatten wir
So eine Reise will ja auch gut organisiert sein – der Organisator war in diesem Fall ich.
Für jeden, der etwas Ähnliches hier vor hat – dem sei ein Rat gegeben: Unterkünfte müssen – von den Städten abgesehen – sofern man ein Auto hat nicht wirklich vorher gebucht werden. Auf unserem Weg sind sehr viele kleinere Gaststätten aufgetaucht, die allesamt sehr nett anzuschauen waren.
Für alle, die Südpolen in ein paar Tagen sehen wollen… Hier ein Beispielprogramm:
Tschenstochau/Częstochowa
Der Wallfahrtsort Tschenstochau
DER polnische Wallfahrtsort schlechthin – das Kloster heißt Jasna Góra und sieht vom Parkplatz recht unspektakulär aus. Ein paar hundert Meter weiter offenbart es sich dann in seiner vollen Pracht.
Der polnische Katholizismus ist hin und wieder etwas unheimlich, wenn z.B. in Krakau plötzlich der ganze Marktplatz auf den Knien vor der Marienkirche dahinrobbt. Wer‘s mag hat seine Freude…
Tschenstochau ist nicht nicht anders, sondern gleicher. Eine ganze Kirchengemeinden liegt hier auf dem Fußboden vorm Pfarrer und der schwarzen Madonna.
Die schwarze Madonna von Tschenstochau
Und nochmals...
Dieses Bild ist in Polen fast schon so etwas wie ein Identifikationssymbol. Als interessantes Detail am Rande lässt sich noch anfügen, dass es sich bei ihr um eine Ikone handelt, die zwar im orthodoxen Christentum sehr häufig, aber im Katholizismus nicht wirklich präsent sind. Polen ist katholisch.
Geweihtes Wasser kann man in Jasna Góra auch zapfen. Ich hab‘s probiert und war vom Geschmack wenig überzeugt…
Das Wasser schmeckt nicht...
Bielitz/Bielsko-Biała
Bielitz hat eine interessante Geschichte. Von Deutschen Siedlern gegründet blieb die Stadt bis in den Zweiten Weltkrieg eine deutsche Sprachinsel. Mir ist die Stadt schon einige Zeit lang bekannt. Viele Einwohner sagen von ihr, sie wäre ein „kleines Wien“. Was durchwegs zutrifft. Als Südpolen ein Teil von Österreich wurde, schien Wien besonders einflussreich zu sein. Nur ist Bielitz… Oder heute Bielsko-Biała – nach der Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieg – wurde auch es „repatriotisiert“ – Bielitz ist jedenfalls um einiges kleiner als Wien – was es sehr sehr sympathisch macht. Es erinnert auch leicht an Krakau. Zwei Museen finden sich dort soweit ich weiß.
Slowakische Grenzregion
Aus der Grenzregion...
Seen an der Grenze
Eine der beeindruckendsten Landschaften ist die Grenzregion zur Slowakei. Das hat für mich drei Gründe:
- Es ist einfach schön dort. Dort liegen viele Berge, die Luft ist etwas besser und die Menschen sind freundlicher.
- Für den zweiten Grund muss ich etwas ausholen: Einer der wenigen Deutschen, die es geschafft haben, in Polen Karriere zu machen war Steffen Möller, der in der polnischen Hausfrauenlieblingsfernsehserie „M jak miłość“ (L wie Liebe) mitspielt und nebenbei als Kabarettist durch Polen tourt. Erst einmal Respekt vor dieser Leistung – in Polen ist dieses Unterfangen für einen Deutschen sicher schwieriger als beispielsweise in Österreich.Dieser Herr beschreibt in seinem Buch „Viva Polonia“ ein Treffen mit einem polnischen Wirtschaftskorrespondenten, der in Deutschland unterwegs ist. An den Namen erinnere ich mich leider nicht mehr, aber vielleicht einer meiner Leser… Dieser Pole beschreibt, warum genau Polen das Nachbarland der Bundesrepublik ist, das ihr am ähnlichsten ist. Einige der Gründe sind u.A.:
- Polen und Deutschland sind ungefähr gleich groß
- Auf dieser Fläche gibt es da wie dort ein Soziales Gefälle von West nach Ost
- Im Gegensatz zu anderen Sprachen in Europa – wie Englisch oder Französisch existiert im Polnischen das Wort „Gemütlich“ (lt. Wörterbuch „przyjemny“)
-
Voralpen in Deutschland oder Beskiden in der Slowakei?
Und schließlich der wesentliche Punkt: auch topographisch sind Polen und Deutschland fast ident: Im Norden Meer, sonst recht flach und im Süden grenzt es an Berge, bzw. an ein gebirgiges Land.
- Von diesem Vergleich her könnte man sagen, dass die Slowakei auch der „Bruderstaat“ Österreichs sei. Wie Österreich ist die Slowakei durchwegs gebirgig und hat keinen Zugang zum Meer. Wien und Preßburg liegen faktisch gleich nebeneinander und wir beide hatten (haben) schon immer eine spezielle Beziehung zu Ungarn.Von daher ist es kein Wunder, dass ich mich in der Slowakei möglicherweise etwas wohler fühle.
Wo ist die Slowakei?
- Die Slowakei ist viel cooler als Polen. Warum? Weil man so etwas nicht in Polen findet…
Räder transportieren auf Slowakisch
See bei Niedzica
Grenzregionen sind generell sehr spannend. In diesem Fall gibt es den Vorteil, dass ein Teil der Polnisch-Slowakischen Grenze eine natürlich ist: Ein Fluss. Die Dunajec (auch gerne „kleine Donau“ genannt) eignet sich hervorragend für Floßfahrten. Witzigerweise bezeichnet Wikipedia das Gewässer als „nicht schiffbar“. Die Bilder sagen denke ich mehr, als wenn ich noch lange um den heißen Brei herumreden würde. Zur Information sei noch gesagt, dass man solche Fahrten durch den Pieniny Nationalpark macht und in der Nähe von Sromowce Wyżne startet.
Vorsicht vor Touristenfängern
Und es werden täglich mehr... (Man beachte die traditionellen Hosen)
Vorsicht: Die Dunajec ist nicht schiffbar!
Einer der Flößer...
Der Pieniny Nationalpark sollte gleich beginnen
Der Flößer vorne hat recht selten gerudet und recht oft geredet
In der Grenzregion gibt es viele Störche
Immer gerade aus - dem Fluss entlang
Auf dem Floß hat man natürlich auch seine Bewegungsfreiheit
Und wenn man schon nicht das Ruder bekommt, dann zumindest einen Hut
So sieht es dann im Nationalpark aus
Selten aber doch: Ein schwarzer Storch
Neu Sandec/Nowy Sącz
Das Stadtpanorama von Neu Sandec
Das Rathaus von Neu Sandec
Neu Sandec liegt ebenfalls nahe der slowakischen Grenze und wurde von den Habsburgern einst als Verwaltungszentrum verwendet. Heute ist es eine angenehme, verhältnismäßig große Stadt und recht sehenswert. Die Architektur ist – wie häufig in Polen- österreichisch beeinflusst.
Da ich Neu Sandec einmal sehen wollte, sind wir über diesen Umweg nach Krakau weiter. Plötzlich bat meine Mutter, das Auto anzuhalten – es gäbe etwas zu fotografieren. Ermüdet von der doch längeren Fahrt kroch ich aus dem Auto heraus und mein Blick richtete sich auf eine schon ziemlich große Pflanze:
Was ist denn das..?
„Nu…?“ Fragte ich mich… „Die kenne ich doch?“ Plötzlich dämmerte es mir. Vor ziemlich langer Zeit hatte ich einen Artikel über dieses Gewächs gelesen… „Riesen-Bärenklau“. In Österreich reagierte man auf jede, die aus dem Boden schoss mit Panik und die Experten der Feuerwehr mussten teilweise ausrücken, um die Wurzeln aus dem Boden zu brennen. So gefährlich war dieser invasive Neophyt. Meine Kamera gezückt kam ich ihm näher. Aber nicht zu nahe. Man weiß ja nie. Schnell ein paar Fotos gemacht und… Meine Mutter, die sich die Gegend auch etwas näher ansah rief mich zu sich. Ich staunte nicht schlecht:
Und es werden immer mehr...
Hier war nicht nur ein „Herkulaneum“ (den Fachnamen hatte ich mir zumindest fast richtig gemerkt. Es heißt, wie ich einzwischen gelernt habe nicht „Herkulaneum“, sondern „Heracleum“ – und dann nicht nur dass, sondern „Heracleum giganteum“ – trotzdem ist “Herakles“ und “Herkules“ dasselbe, nur eben deutscher und griechischer).
Egal ob Herkulaneum oder Heracleum - ich traue dem Zeug nicht
Aber musste ich vor diesem Kraut wirklich Angst haben? Mein ehemaliger Klassenvorstand – der eine gewisse Liebe für die Biologie hat, lachte mich einmal aus, als ich aufgrund der Medienberichte etwas in Sorge war. Er selbst hält sich so ein Heracleum im Garten – als Zierpflanze. Was war also dran an der Gefährlichkeit?
In meinem Fall konnte diese Frage nur ein Selbstversuch klären.
Der Bärenklau-Selbstversuch...
Ich näherte mich der Flora Monstruma und betätschelte sie vorsichtig mit meinen Fingern. Nichts. Vorläufig.
Etwas ungläubig – immerhin durch die sehr rasche Wirkung von Brennnesseln „verwöhnt“ – suchte ich mir noch eine Andere und rieb mir damit den linken Unterarm. Nichts.
Das Gift wirkt stärker, wenn man die betroffene Stelle der Sonne aussetzt. Tat ich. Nichts.
Gegen Abend befürchtete ich, dass sich eine Blase bilden könnte. Ob dies jedoch deswegen fast geschah, weil der Placebo-Effekt auch bei so etwas wirken könnte oder ob es wirklich Bärenklaugift auf mich abgesehen hatte weiß ich nicht. Die Blase war eher Einbildung…
Sind auch nicht gestorben - die Bestäuber
Noch ein paar Kunstfotos
Und die traditionelle Herculaneumsernte...
Die Versicherung warnt: Todesursache №1 bei toxischen Pflanzen ist Sterben durch akute Selbstvergiftung
Krakau war die letzte Station, doch hoffe ich, die Stadt einmal gesondert beschreiben zu können…
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