Medikamentenfehlgebrauch schleicht sich oft in den Alltag ein
Hannover (apothekerkammer) - Es beginnt mit dem Wunsch, wieder frei durchatmen zu können, Schlafstörungen zu beseitigen oder die träge Verdauung auf Trab zu bringen. Kurzfristig können Arzneimittel hier eine große Hilfe bieten und Beschwerden lindern helfen. Wichtig ist, dass der Einsatz der Medikamente sachgerecht erfolgt. Im Alltag kann sich sonst bei zu langem Gebrauch unbemerkt eine Abhängigkeit entwickeln. Die Apothekerkammer Niedersachsen erklärt: „Wenn ein Medikament nicht in der empfohlenen Menge und Art oder zu lange eingenommen wird, liegt ein Fehlgebrauch vor. Dieser kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen.“ Gerade bei Nasalia (Nasenspray, Nasentropfen, Nasengele), Schlaf- sowie Abführmitteln stellen Apotheker immer häufiger fest, dass Patienten in eine Abhängigkeit geraten, aus der sie aus eigener Kraft nicht herausfinden. Die Apothekerkammer Niedersachsen zeigt anhand von drei Beispielen, wie Missbrauch entsteht und erörtert wie man sich daraus wieder befreit.
Nasenspray, Nasentropfen, Nasengele
Der Dauergebrauch von Nasalia, die die Nasenschleimhaut abschwellen, gehört zu den häufigsten Formen von Arzneimittelfehlgebrauch. Um bei einer Erkältung wieder frei durchatmen zu können, nimmt der Patient ein abschwellendes Nasenspray oder Nasentropfen. Für sieben bis maximal zehn Tage profitiert der Patient von dem Arzneimittel. Nach einer Anwendung von zehn Tagen reagiert der Körper jedoch auf das Überangebot des Wirkstoffs und baut die Rezeptoren, die das Abschwellen der Gefäße fördern, ab. Das Resultat: Ohne den erneuten Einsatz von Nasenspray oder Nasentropfen bleibt die Nase verstopft. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Schleimhäute austrocknen und der Geruchssinn beeinträchtigt wird. Weiterhin ist mit einer höheren Infektionsgefahr zu rechnen.
Der Apotheker rät bei Missbrauch von Nasenspray, Nasentropfen und Nasengelen zu einer langsamen Dosisverringerung. Der Patient sollte zunächst ein Kindernasenspray nutzen und die Nase regelmäßig mit Meersalznasensprays befeuchten. Zum Schutz vor Missbrauch sollten Nasalia möglichst nur fünf Tage verwendet und dann auf salzhaltige Sprays umgestiegen werden.
Schlafmittel
Ein- und Durchschlafstörungen gehören zu den häufigsten Gesundheitsproblemen. Laut Schätzungen leiden etwa 10 bis 15 Prozent der Erwachsenen an einer chronischen Insomnie, einer bereits seit länger als vier Wochen bestehenden Schlafstörung. Die psychische und körperliche Abhängigkeit von Schlafmitteln ist unterschiedlich stark, je nachdem welcher Wirkstoff, in welcher Dosis und über welchen Zeitraum eingenommen wird.
Der Patient hat die Erfahrung gemacht, dass die Einnahme des Schlafmittels den ersehnten Schlaf bringt. Auf diese Erholung will er nicht mehr verzichten. Nimmt er dann bewusst keine Tablette, sind Angst und Aufregung so groß, dass der Schlaf tatsächlich ausbleibt.
Um aus diesem Teufelskreis zu entkommen, raten Apotheker, eine sogenannte Schlafhygiene zu entwickeln. Das heißt, der Patient erlernt Rituale, mit denen er sich auf die Nacht vorbereitet. Das können zum Beispiel bestimmte Abläufe, Entspannungsübungen oder die abendliche Tasse Tee mit Melisse oder Baldrian sein. Weiterhin sollte abends auf Giftstoffe wie Nikotin, Koffein oder Alkohol verzichtet werden.
Abführmittel
Viele Patienten erwarten täglichen Stuhlgang. Tritt dieser nicht ein, greifen sie zu Abführmitteln. Die Präparate sorgen für eine fast komplette Entleerung des unteren Darmabschnittes. Dieser muss sich anschließend erst wieder füllen, damit die Verdauung normal funktionieren kann. Das kann zwei bis drei Tage dauern, was erst recht dem Wunsch des Patienten widerspricht. So nimmt der Patient erneut ein Abführmittel. Der Patient verliert dabei Flüssigkeit und lebenswichtige körpereigene Salze, die der Körper für die gesunde Darmtätigkeit braucht. Um den täglichen Stuhlgang trotzdem zu gewährleisten, nimmt er nun regelmäßig Abführmittel ein. Bei jahrelangem Missbrauch können aus den Salz- und Wasserverlusten Folgekrankheiten wie Herzrhythmusstörungen entstehen, so die Apothekerkammer Niedersachsen. Ebenso ist zu beachten, dass durch den forcierten Stoffwechsel auch andere eingenommene Medikamente von der „Pille“ bis zum Herzmittel nicht richtig wirken können.
Die Regulierung des Fehlgebrauchs kann durch eine Ernährungsumstellung erleichtert werden. Eine ballaststoffreiche Nahrung, vermehrte Flüssigkeitseinnahme sowie natürliche Quellstoffe (z. B. Leinsamensaat) können eine regelmäßige Darmentleerung – wenn auch nicht unbedingt täglich – hervorrufen und den Patienten von alten Verhaltensmustern lösen.
Ein Arzneimittelfehlgebrauch kann zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen und sollte auf jeden Fall vermieden werden. Die Entwöhnung von Arzneimittelabhängigkeiten ist mühsam und bedarf der individuellen Beratung durch den Apotheker. So müssen Entzugserscheinungen und gegebenenfalls die Entgiftung zusammen mit dem Patienten besprochen werden. Damit es gar nicht so weit kommt, sollten Patienten stets nach der genauen Dosierung, Dauer und Art der Anwendung von Arzneimitteln fragen. Das gilt auch, wenn sie harmlos erscheinen.
Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören rund 7.000 Mitglieder an. Der Apotheker ist ein fachlich unabhängiger Heilberufler. Der Gesetzgeber hat den selbstständigen Apothekern die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwirbt der Studierende Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie und Toxikologie. Nach drei Staatsexamina erhält er eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung kann er eine öffentliche Apotheke führen. Der Apotheker fertigt individuelle Rezepturen an, erklärt die korrekte Einnahme von Medikamenten, warnt vor Wechselwirkungen und garantiert diese Versorgung auch im Nacht- und Notdienst.