Wenn der Genosse zum Boss wird
Kürzlich verplapperte sich der ehemalige Vizepräsident der USA, Al Gore, auf einem großen Wirtschaftskongress. Gore sagte fast beiläufig: «Ganz zu schweigen vom neuen iPhone, das nächsten Monat herauskommt.» Das Auditorium und die Presse staunten. Ob er sich da wohl verplappert hat? Vielleicht war das aber auch nur eine geschickt lancierte Werbung für den Konzern mit dem Apfel im Logo. Das ist absolut legitim, fraglich ist nur, ob die Lobbyarbeit der Unternehmen während der Amtszeit eines Politikers der Grund für dessen Wechsel in ein bestimmtes Unternehmen ist. Beweisen lässt sich das natürlich nicht, zurück bleibt aber ein «Geschmäckle».
«Genosse der Bosse»
2005 war es der Wechsel des abgewählten Bundeskanzlers Gerhard Schröder in den Aufsichtsrat des Konsortiums NEGP Company, das mit dem Bau der geplanten Ostsee-Pipeline beauftragt wurde. Dieses Konsortium wurde im wesentlichen vom russischen Energieriesen Gazprom gesteuert, der wiederum direkten Kontakt zum Kreml hat. Genauer: zum damaligen russichen Präsidenten Wladimir Putin. Der ist bekanntermaßen ein Kumpel von Gerhard Schröder. Und der SPD-Kanzler setzte sich in seiner Amtszeit vehement für den Bau der Pipeline ein. Kürzlich stießen der «lupenreine Demokrat» Putin und der «Genosse der Bosse» Schröder fröhlich auf die Einweihung der Ostsee-Pipeline an. So schließt sich der Kreis.
Ähnlich pikant war der Fall des Martin Bangemann. Der FDP-Politiker war als EU-Kommissar maßgeblich für die Deregulierung der Telekommunikationsmärkte zuständig. Plötzlich wollte er einen Posten im spanischen Telekommunikationsunternehmen Telefónica übernehmen. Das war selbst den Oberbürokraten aus Brüssel suspekt. Der Rat der Europäischen Union setzte deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof ein Verfahren gegen Bangemann in Gang, um ein mögliches Fehlverhalten des Politikers zu überprüfen. Bangemann erkärte sich daraufhin bereit, sich zwei Jahre beurlauben zu lassen, bevor er eine dritte Partei gegenüber den EU-Organen vertreten würde. 2001 war der Weg in den Telefónicakonzern dann für ihn frei.
Die Karenzzeit des Martin Bangemann wird fortan als mögliches Rollenmodell für solche Fälle diskutiert. Bernhard Vogel (CDU), Ex-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, hält aber im Gespräch mit news.de eine Pause für kontraproduktiv, zumindest wenn es um den Wechsel von Wirtschaftsleuten in die Politik geht: «Sie können von niemandem erwarten, dass ein im Vollbesitz seiner Kräfte stehender Unternehmer mit 50 sagt: Ich muss aber erst 55 werden, bevor ich ein Mandat annehmen darf.» Jacob Fricke von lobbycontrol.de, einem gemeinnützigen Verein, der für mehr Transparenz in der Politik eintritt, kann sich der Meinung nicht anschließen. «LobbyControl fordert eine dreijährige Karenzzeit für Kanzler, Minister, Staatsminister, parlamentarische und beamtete Staatssekretäre sowie Referatsleiter. Innerhalb dieser Karenzzeit dürfen die betroffenen Personen nicht Lobbytätigkeiten ausüben.»
Austausch der Kompetenzen oder Lobbyarbeit?
Bernhard Vogel befürwortet Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft: «Wechsel sollten nicht nur von der Politik zur Wirtschaft, sondern auch umgekehrt stattfinden. Von den jeweiligen Komptenzen des anderen ließe sich bestenfalls profitieren, aber wären der Korruption nicht Tor und Tür geöffnet? Vogel verneint, denn «wenn es sich um eine qualifizierte Kraft handelt, wird sie in der jeweiligen Aufgabe versuchen, das Beste zu erreichen. Und ein Lobbyist als Politiker wird ebenso wenig erfolgreich sein wie ein schwacher Politiker in einer wirtschaftlichen Führungsfunktion.»
Fricke vertritt die Gegenposition: «Dies ist kein Vorteil, sondern schadet unserer Demokratie. Wir müssen sicherstellen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen unabhängig von ihren ökonomischen Ressourcen gleichberechtigt an politischen Entscheidungen beteiligt sind.» Er vermutet ohnehin, dass ehemalige Politiker in den Unternehmen hauptsächlich Lobbyarbeit betreiben. «Erstens haben sie detaillierte Kenntnisse über interne Abläufe in politischen Prozessen und zweitens noch warme Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern. Ehemalige Politiker fungieren auf diese Weise für die Unternehmen als Türöffner zu den politischen Entscheidungszentren und verschaffen ihnen einen unfairen Vorteil gegenüber anderen Interessengruppen.»
Um mehr Transparenz zu schaffen und möglichem «Klüngel» auf die Schliche zu kommen, fordert LobbyControl eine Reform der Parteienfinanzierung. «Die Spendendaten müssen für alle Bürger leicht zugänglich online präsentiert werden.» Jeder Bürger hätte Einsicht, welches Unternehmen welche Partei unterstützt. Politikerwechsel in die Wirtschaft würden in einem neuen Licht erscheinen. Die Piratenpartei fährt diesen Kurs. Fricke findet dies «begrüßenswert». Bis es aber zur totalen Transparenz kommt, wird wohl noch einige Zeit vergehen, denn wer sägt schon gern am Ast, auf dem er sitzt? Zurück bleibt ein «Geschmäckle».
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Politiker in der Wirtschaft – Wenn der Genosse zum Boss wird
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