Wenn dem Parlament der Staatsstreich unmöglich ist, kann es die Justiz mal probieren

Von Nu
Gegen die brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rousseff läuft eine konzertierte Hetzkampagne der brasilianischen Rechten und eines Großteils der Medien. Ziel ist und war es, sie über ein Amtsenthebungsverfahren als Staatspräsidentin abzusetzen. Einer der größten Treiber hinter der Aktion ist der Parlamentspräsident Eduardo Cunha. Der Hebel sind die Korruptionsskandale “Lava-Jato” und “Petrobras”, In diese Affären ist fast die ganze brasilianische politische Elite verwickelt, aber eine unverfrorene Front der Linkenhasser versucht, diese allein der Staatspräsidentin und der sie unterstützenden Partei PT in die Schuhe zu schieben. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass der Parlamentspräsident Cunha sehr viel Dreck am Stecken hat und zu den korruptesten brasilianischen Politikern gehört. Seine Glaubwürdigkeit hat derart gelitten, dass seine Bemühungen gegen Rousseff in einem schrägen Licht erscheinen. Dank der geballten Unterstützung und Verhinderungsstrategien der rechten Parlamentarier ist er bisher darum herum gekommen, dass der Prozess gegen ihn energisch voran getrieben wird.
Nun, da die Saubermänner im Parlament ihr Chancen dahin schwinden sehen, versuchen sie es mit Terror auf der Straße – bei Demonstrationen werden Puppen von Rousseff und dem ehemaligen Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (Lula) in die Luft gesprengt - und über die Justiz. Dort sitzen durchaus genügend Richter, die sich nur im Dienst der herrschenden Klasse der Großgrundbesitzer, Wirtschaftsunternehmen und der Agrarwirtschaft sehen.
Der Richter Sérgio Fernando Moro (geboren 1972) ist Richter beim Obersten Bundesgericht (STF) und bekannt geworden, weil er die Untersuchungen im Korruptionsskandal “Lava-Jato” leitet. Richter Moro ist feuriger Kämpfer gegen die Korruption und als Fachmann für Bekämpfung der Geldwäsche bekannt. 2014 wurde er von der Zeitung “O Globo” zum Mann des Jahres wegen seiner Arbeiten im “Lava-Jato-Skandal” gewählt. Die brasilianische Presse und mit ihr der führende Medienmonopolist “O Globo” sind aber bekannt, dafür, dass sie die Nachrichten recht einseitig im Interesse der Besitzenden und ihrer Drahtzieher verbreiten. Im Selbstverwaltungsorgan der brasilianischen Justiz, dem Nationalrat für Justiz (CNJ) eckte Moro insoweit an, dass ihm vorgeworfen wurde, dass er parteiisch sei und dass er gegen die Ethik-Vorschriften des Rates verstoßen habe. Ihm wurde auch ein Teil der Untersuchungen zum Lava-Jato-Fall inzwischen von seinen Richterkollegen entzogen.
Richter Moro verfolgt im Lava-Jato-Prozess eine harte Linie. Komischerweise sind seine Hauptziele nicht alle Korrupten, sondern nur ein Teil und zwar diejenigen, die der Partei PT angehören und insbesondere alle, die mit dem früheren Präsidenten Lula zu tun haben oder hatten. Symptomatisch dafür ist die Tatsache, dass Moro kurz nachdem ihm ein Teil des “Lava-Jato”-Verfahrens entzogen worden war, zu einem von 580 Unternehmern und Wirtschaftsberatern organisierten Mittagessen in São Paulo eingeladen wurde. Dort hielt er eine feurige Rede gegen die Korruption. Der Journalist Luis Nassif hat das Treffen beobachtet und schreibt:
Moro wurde stehend applaudiert und seine maßvolle, “demütige” Rede gelobt sowie seine Fähigkeit Überheblichkeit zu vermeiden, obwohl alle Scheinwerfer des Landes auf ihn gerichtet seien.
Neben Moro saß dabei einer der Gastgeber des Treffens, der ständig seiner Zustimmung mit Kopfnicken Ausdruck gab und dem Richter heftig zu klatschte. Bei diesem liebedienerischen Gastgeber handelte es sich um Washington Cinel, Inhaber von Gocil, einem Sicherheitsunternehmen, eines der exemplarischen Beispiele für Gelegenheiten, die Brasilien Geschäftsleuten vom Typ “Self-made-man” des Ciniil bietet.
Dank seiner unternehmerischen Fähigkeiten wurde Washington einer der Goldjungs von Doria (Präsident einer Unternehmensgruppe), der ihn zum Präsidenten von Lide Segurança ernannte. Washington zeigte sich besonders begeistert über folgenden Aufruf, den Moro an die Unternehmer machte: “Die Unternehmer haben eine große Kraft, um die Reformen der Institutionen durchzuziehen und nein zu sagen, wenn Trinkgeld verlangt wird und im Falle von Erpressungen müssen sie diese den Behörden melden.”
Luis Nassif schildert den Werdegang des Washington Cinel: Nachdem er in Regionopolis, einer kleinen Stadt im Bundesstaat Sao Paulo, als Angestellter tätig war, bewarb er sich, nachdem er in Regionopolis wegen Unfähigkeit entlassen wurde, bei der Militärpolizei und hatte das Glück angenommen zu werden. Auf die Goldmine traf er als er als Militärpolizist ein Gebäude des Medienmonopolisten “O Globo” in einer Kleinstadt schützen musste, was er so gut machte, dass ihm das Unternehmen den Auftrag zum Schutz ihres Gebäudes übertrug. Cinil gründete dafür ein Unternehmen und da die Landesregierungen inzwischen zum Outsourcing ihrer Sicherheitsdienste schritten, war das für Cinil eine günstige Gelegenheit schnell zu expandieren. Innert kürzester Zeit wurde er zu einem der reichsten Unternehmer Brasiliens und er protzte mit teuren Villen und sonstigem neureichen Gehabe. Der schnelle Aufstieg in Brasilien ist in der Regel nur mit Korruption möglich und so riecht der Richter-Verehrer Washington Cinel stark nach unsauberen Machenschaften, zumal er sich auch dadurch profiliert hat, dass er ungern Steuern zahlt.
Generell sind die brasilianische Unternehmer tief in die Korruption verwickelt und es ist nicht so, dass die Behördenvertreter als erste Geld für ihre Dienste verlangen. Im Gegenteil, die Unternehmen bieten Geld an, um sich Vorteile zu schaffen und füttern damit die Korruption. Richter Moro scheint aber an das Gute bei den Wirtschaftsvertretern zu glauben, denn seine Hoffnung auf einen aktiven Beitrag zur Bekämpfung der Korruption von dieser Seite kontrastiert doch erheblich mit der Wirklichkeit. Aber vermutlich ist Moro nicht naiv, sondern tatsächlich parteiisch, wie es seine Richterkollegen schon vermuteten.
Was ist denn nun die wahre Absicht hinter den Aktionen im Lava-Jato-Fall? Journalist Rodrigo Vianna von Rede Brasil Atual sieht es so:
Moro beginnt jetzt seine Züge in Richtung auf den König des Schachbrettes zu ziehen. Moro will, dass Lula verhaftet wird. Das wollte er schon immer. Der Richter tischt eine größenwahnsinnige Geschichte auf, dass Lula der brasilianische Bettino Craxi sei. Moro wird seine Züge testen. Falls ihm die Kollegen vom STF Schwierigkeiten machen, wird er es vermutlich nicht riskieren gegen Lula vorzugehen. Aber der STF scheint Moro zu fürchten. Stattdessen wird er sich an den Sohn von Lula ran machen. Er will Lula entweder zerstören oder zumindest demoralisieren.
Über den Richter gibt es verschiedene Theorien: Es gibt welche, die ihm eine Erlöser- oder Messias-Mentalität zuschreiben (“ich habe die Aufgabe die Korruption zu bekämpfen”); andere sehen in ihm einen Abgesandten einer höheren Macht, die vielleicht sogar vom Ausland aus agiert. Was man nicht übersehen kann, ist, dass es eine “intelligente Operation” gibt, die die richterlichen Entscheidungen mit den Zielen der Medien und den Demonstrationen auf der Straße konzertiert.
In Brasilien geschehen seltsame Dinge. Eine Politikerkaste, die durch und durch korrupt ist, Richter, die willkürliche Urteile fällen und auf einem Auge blind sind. Scheingefechte statt Umsetzung der Gesetzgebung zur Korruptionsbekämpfung entsprechend der Internationalen Abkommen, wie es Transperancy international schon lange fordert. Reaktionäre und rachsüchtige Gesellschaftsgruppierungen, die es immer noch nicht verwunden haben, dass der Arbeiter Lula Staatspräsident wurde und seine Arbeiterpartei PT lange die brasilianische Politik gestaltete.
Siehe auch
 Ein oberster Richter, der ein Herz für Schwerverbrecher hat 
Gerechtigkeit in Brasilien: Vorbeugehaft für Obdachlose, Straflosigkeit für Vermögende 
Informationsquelle
O dia em que Sérgio Moro prestigiou o maior operador do PSDB paulista
Golpe judicial avança: Lula é o alvo do juiz de camisas negra