True Crime
Sam Millar
Atrium, 2015
978-3855355136
19,99 €
Diese Geschichte beginnt im Norden Belfasts: Dort wird 1955 Sam Millar geboren, der Vater Protestant, die Mutter Katholikin. Der Riss, der ganz Irland teilt, geht mitten durch Sams Familie. Sam geht früh von der Schule ab und arbeitet in einem Schlachthof. Als Teenager schließt er sich der IRA an, bis er eines Nachts von der Polizei aus seinem Bett gerissen wird. Es folgen Jahre im härtesten Knast Europas.
Kann man von einem Protagonisten sprechen, wenn es Sam Millar selber ist, der sein Leben uns Leser zur Verfügung stellt? Dahinter steckt ein Mensch und nichts, was er sich ausgedacht hat. Das imponiert mir von Anfang an. Er hat mit einer Überzeugung gelebt, als wäre jeder Tag sein letzter oder erster seines Lebens. Für nichts war er sich zu schade und auch seine Zeit im Knast hat mich berührt.
Die meiste Zeit lese ich atemlos wie es im Gefängnis zu geht. Eigentlich kenne ich dieses Szenario schon, denn ich habe den Film "Hunger" gesehen. Dieser beschäftigt sich mit dem Hungerstreik von Bobby Sands. Als ich dann las, dass Sam Millar dabei war, streikte und die schrecklichen Dinge selbst erlebt hat, konnte ich nur atemlos weiterlesen. Das Gefängnis, aber auch sein Leben davor und danach waren für mich immer gut vorstellbar und irgendwie atemberaubend.
Wir lesen hier ein Leben. Ein Leben von dem man sagen kann: So hätte ich es nicht gemacht und dies auch nicht und dies? Oder aber man lässt sich darauf ein, versucht zu verstehen, was Sam Millar zudem machte, was er jetzt ist.
Ich hatte ein gewisses Vorwissen über die Vorkommnisse dort im Gefängnis. Nichtsdestotrotz ist es immer und immer wieder schrecklich zu lesen, was dort passiert ist und was die Männer ertragen mussten. Für etwas zu kämpfen (in gewissen Maßen) sollte nicht so bestraft werden.
Oft habe ich Gänsehaut beim Lesen, denn die Stärke von Sam ist manchmal unfassbar oder auch sein Durchsetzungswille. Seine Geschichte beginnt ganz klassisch, könnte man fast sagen, in einem nicht so schönen Viertel. Trotzdem hat er auch schöne Erinnerungen - wenigstens ein paar. Ein Leben staut sich auf und so findet er zwar Arbeit, aber ist mit seinem Land nicht ganz glücklich. Will wohl irgendetwas verändern und gerät dann in die Mühlen des Gesetzes. Zack aus dem Bett in eines der berüchtigten Gefängnisse Europas. Bobby Sands, Hungerstreik, Aufstand im Gefängnis und dann ein Raubüberfall. Mehr Aufregung in einem Leben geht nicht, oder ?
Es liest sich wie ein sehr spannendes Buch, ein Thriller um Geld, Überzeugung und Leben. Wenn der Leser nicht vergisst, dass dies der ganze Fall eines Lebens ist, denn es ist manchmal so spannend, dass ich es selbst vergesse, ist diese Komponente noch etwas unheimlicher.
Es ist wie ein Unfall: man kann nicht weg gucken. Wie unter Zwang habe ich die Seiten umgeblättert. Wollte immer mehr wissen, immer mehr lesen. Es hat mir sehr gut gefallen, dass es zu jedem Kapitel Überschriften gab - manchmal kryptisch, manchmal herzlich offen.
Sam Millars Stil zu erzählen ist einzigartig und eine Mischung zwischen wahrem Crime, Leben und Dingen, die mich wirklich erschüttert haben, obwohl ich schon von ihnen gehört hatte.
Dieses Buch verdient 4 Bücherpunkte, denn es ist eine wirkliche Überraschung für mich gewesen. Bis zur Mitte hin war ich Feuer und Flamme für Sam Millar und auch jetzt schäme ich mich, dass mir das Buch zum Ende nicht mehr so gut gefallen hat. Denn das hieße ja, mir hat sein Leben nicht gefallen. Aber ich sage trotzdem: Thank you for this Book, Sam Millar.