Wenn das Politische privat wird
Da geriet die Politik zur Nebensache: Während des Parteitages der Linken im Saarland am vergangenen Wochenende gab Oskar Lafontaine bekannt, dass er getrennt lebe und sehr eng mit seiner Parteigenossin Sahra Wagenknecht befreundet sei. Das mag etwas dröge klingen, ist für den Politiker Lafontaine aber fast schon eine romantische Liebeserklärung.
Schon seit Jahren wird gemunkelt, dass die schöne Sahra und der «Napoleon von der Saar», wie Oskar Lafontaine scherzhaft genannt wird, mehr verbinde als nur die Parteizugehörigkeit. Aber die Gerüchte wurden von beiden entweder ignoriert oder für lächerlich abgetan. Er sei lediglich ihr Mentor, sagten beide. Was hinter diesem Satz wirklich steckte, verrät ein Blog-Eintrag von Sahra Wagenknechts Noch-Ehemann Ralph Thomas Nieymeyer, ein in Irland lebender Unternehmer: «Als Sahra mir von Oskar erzählte, so kam dies für mich nicht als ein Schock, sondern gewissermaßen erwartet, denn wir waren längst in ‹Philia› angekommen.» Philia ist griechisch und bezeichnet eine freundschaftliche Liebe.
Machtmenschen plötzlich menschlich, verletzlich, angreifbar
Wie bei fast allen Veröffentlichungen über das Privatleben von Politikern ist auch nun die Aufmerksamkeit groß. Skandale und Eskapaden von Stars und Sternchen treten in den Hintergrund, wenn ein Politiker über sein Liebesleben spricht. Dann bekommt der dröge Bürokrat eine menschliche Seite, wirkt plötzlich verletzlich und angreifbar – etwas, was sich für einen Machtmenschen eigentlich nicht gehört. Aber es hat auch Vorteile für den Politiker: Wird er menschlicher, rückt er näher an seine Wähler. Man merkt: Er ist einer aus dem Volk, einer von uns.
In Zeiten, in denen Boulevard-Journalismus immer tiefer in das Private von öffentliche Personen eindringt, um ihre Leser und Zuschauer mit menschlichen Geschichten bei Laune zu halten, gehört es sich deshalb auch für Politiker, die Presse mit Home-Storys und Exklusiv-Interviews zu füttern. Einer, der das besonders gut kann, ist Karl-Theodor zu Guttenberg. Er entspricht durch und durch dem von den Boulevardmedien so geliebten modernen Politiker. Er ist jung, eloquent, hat eine schöne Frau und liebt das Spiel mit Reportern und Kameras. Leider liebt er auch das Spiel mit Strg+C, was ihn erst einmal aus dem Rampenlicht gebracht hat.
Über Fotos, wie die des ehemaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping mit seiner Gräfin Kristina Pilati vor etwa zehn Jahren, würden sich Politikerkollegen heute kaum noch mokieren, weil sie immer häufiger zum Geschäft gehören. Es scheint so, als hätten sie verstanden, dass man den Medien etwas liefern muss, um in Ruhe gelassen zu werden. Dieses Verhalten haben sie sich von den Amerikanern abgeschaut. Deren Politiker lassen sich zu Weihnachten privat fotografieren, absolvieren Pressetermine im Urlaub und erzählen in Interviews gern angeblich private Anekdoten. Angela Merkel wäre in den USA niemals Präsidentin geworden.
Schotten amerikanische Politiker ihr Privatleben komplett ab, zwingen sie Journalisten gewissermaßen dazu, in ihrem Privatleben nach Leichen im Keller zu suchen. Und allzu oft werden die Reporter dann auch fündig. In keinem Land gibt es so viele Politskandale wie in den USA. Da stolperte schon so mancher Politiker über Prostituierte, Liebes-SMS und Affären.
Die verkniffen wirkende Kommunistin und der «Napoleon von der Saar»
Sahra Wagenknecht, die stille, leicht verkniffen wirkende und zugleich schöne Politikerin mit dem Rosa-Luxemburg-Dutt, hat schon immer Rätsel aufgegeben. Sie hat eine beispiellose Karriere hingelegt. Ein halbes Jahr vor dem Mauerfall trat sie mit 20 der SED bei, von 1991 bis 1995 war sie Vorstandsvorsitzende der PDS. 2004 wurde sie ins Europaparlament und 2009 in den Bundestag gewählt. Lange galt sie als überzeugte Kommunistin, die die Überwindung kapitalistischer Produktionsverhältnisse forderte und von einer anderen Gesellschaftsform träumte. Mittlerweile distanziert sie sich davon.
Ihr neuer Lebensgefährte Oskar Lafontaine gilt als ein politischer Tausendsassa, der für seine Überzeugung auch schon mal einen vielversprechenden Ministerposten aufgibt und aus der Partei austritt. Als er sich 2005 aus der SPD zurückzog, hatten ihn viele schon abgeschrieben. Niemand hätte damals geglaubt, dass er als Vorsitzender einer neuen Partei wieder in den Bundestag einziehen würde.
Private Inszenierungen benötigen Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine nicht. Sie arbeiten als Paar zusammen in einer Partei. Das was sie politisch tun, ist damit gewissermaßen auch privat – ganz im Sinn der 68er, die feststellten: Das Politische ist privat, das Private ist politisch.
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Lafontaine & Wagenknecht – Wenn das Politische privat wird
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