Weniger ist mehr

Von Wonseong

Letztens unterhielt ich mich mit einem Triathlon-Kollegen und das Gespräch kam zu Brett Sutton. Wie so oft hatte sich auch bei meinem Sportfreund die Meinung verfestigt, dass Sutto’s Training übermäßig hart sei. Meine Nachfrage bestätigte, was ich in solchen Situationen grundsätzlich vermute: Je mehr Meinung, desto weniger Ahnung. Mit anderen Worten: Er hatte Sutto nie persönlich kennengelernt und kein Training besucht. Hörensagen. Ein schönes deutsches Wort. Irgendjemand kennt jemanden, der jemanden kennt, der mal gelesen oder gehört hat…bla, bla, bla.

Tatsache ist, dass Sutto der Großmeister des individualisierten Trainings ist. Lange vor wissenschaftlichen Beweisen hatte er intuitiv verstanden, dass polarisiertes Training am effektivsten ist. Wenn hart, dann richtig hart. Sonst aber eben auch viel locker. Diejenigen, die mir auf Strava folgen, sehen ja auch bei mir (seit ich wieder „Messinstrumente“ einsetze), dass es da häufig einen 20-25 Minuten langen super-lockeren Lauf gibt, wo andere nicht mal ihre Laufschuhe für anziehen würden. Oder den langen Lauf mit Anja & Uli, der eben auch wirklich tiefenentspannt abläuft. Oder eine Stunde (oder auch mal nur 45 min.) locker radeln. Oder eine Runde (900 Meter) im Aileswasensee schwimmen.

Aber wenn dann mal eine harte Einheit kommt, dann eben auch richtig Gas geben. Und richtig hart kann ich nur, wenn ich auch richtig locker kann. Richtig hart geht nur, wenn ich körperlich und mental gut ausgeruht und „hungrig“ bin.

Wir kennen das alle vom üblichen Trainingslager. Da kommen tausende Triathlon-Agegrouper in herrlich sonnige und warme Gefilde (Malle, Kanaren & Co.) und dann werden zwei Wochen reingepackt, was geht. Absolut Anschlag. Volles Rohr, damit sich das auch wirklich lohnt. Dann kommt auf auf der letzten Rille nach Hause und fängt sich gleich mal eine fette Grippe ein und liegt ’ne Woche flach. Und die ganze gute Form ist weg. Okay, die war auch vorher schon weg, weil der Körper mir ja nur signalisiert, dass das schon alles viel zu viel war.

„Hard as nails“ sagt man dann im Englischen von denen, die dieses Monster-Programm überleben. Und schon befinden wir uns wieder im Sprachgebrauch, der das „harte“ als besonders erstrebenswert glorifiziert. Selbstverständlich wird nur von den „Monster-Einheiten“ mit Stolz berichtet. Und dann kommt das Rennen…und…nichts. Leider wieder einmal underperformed. Hatten wir auch gerade vergangene Woche: Am Mittwoch beim „Verrückten-Lauftreff“ vollgas im Wettkampf-Tempo um dann, am Wochenende, beim Rennen einmal mehr langsamer unterwegs zu sein als im Training. Ich kennen eine ganze Reihe von Athleten, die unter mir deutlich weniger trainieren würden und bessere Wettkampf-Ergebnisse erzielen. Weil sie sich ständig „am Rande des Abgrunds“ befinden.

Um nochmal auf Meister Sutto zurückzukommen: Ja, in bestimmten Situationen mit bestimmten Athleten muss man die „harte Tour“ fahren, um ein Ziel zu erreichen. Das ist aus meiner Sicht auch der Haupt-Grund, warum er mit Frauen mehr Erfolg hat, als mit Männern. Die Jungs sind tendenziell eben schon mehr von sich überzeugt (bin hin zu krankhafter Selbstüberschätzung – Du weißt, wer gemeint ist). Die Mädels dagegen kommen häufig mit schwachem Selbstvertrauen daher, mit einem ganzen Bündel an Selbstzweifeln. Eine Siri Lindley zum Beispiel (für die Jüngeren unter uns: Zweimalige Weltmeisterin und vieles mehr, jetzt Coach von u.a. Mirinda Carfrae und Anja Beranek) musste er mit der Holzhammer-Methode Selbstbewusstsein eintrichtern. Sie musste Einheit für Einheit lernen, dass sie zu viel mehr fähig war, als sie sich selbst zutraute. Eine Daniela Ryf dagegen muss er dagegen eher zügeln, damit sie sich nicht vorzeitig ins Grab trainiert. Und vielleicht auch mal eine dreimonatige Zwangspause verordnen wie im vergangenen Winter. Härte kann ein mächtiges Schwert sein in der Trainingsarbeit, aber es sollte mit viel Fingerspitzengefühl individuell fein dosiert eingesetzt werden. 

Weniger ist tatsächlich oft mehr!

Letztens unterhielt ich mich mit einem Triathlon-Kollegen und das Gespräch kam auf Brett Sutton. Wie zu erwarten kam die alte Leier vom unglaublich (und übermäßig) harten Training, das Sutto angeblich universal verschreibt.

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