Das klappt sogar sehr gut. Wie und was es bringen soll?
Ein Erklärungsversuch.
Halb 10 in Deutschland. Fitnessstudio. Mit nichts als meiner Willenskraft bewaffnet führe ich einen ungleichen Kampf gegen eine Langhantel. Sie gewinnt nach drei Sätzen. Doch Grund dafür ist nicht etwa fehlende Muskelmasse, sondern der Typ neben mir auf der Flachbank.
Er lenkt mich ab. Seinem Wimmern nach zu urteilen ist er hochschwanger und das Baby zickt rum. Da muss ich dann schon mal kurz rüber schielen. Er liegt sichtlich unzufrieden unter Eisenwaren begraben da, stöhnt und spuckt und im morgendlichen Gegenlicht sehe ich wie sein Trizeps im Speichelregen tanzt. Wer regelmäßig den Kraftraum eines Fitnessstudios besucht, dem wird es auch schon aufgefallen sein: Es gibt Stemmer und Stöhner. Die Stemmer trainieren. Die Stöhner trainieren auch, aber produzieren dabei den Soundtrack für TV-Dokumentationen über frühmittelalterliche Niederkünfte. Und seltsamerweise sind die meisten Stöhner Männer. Die Erklärung für das kreissaalreife Gejaule: Mann müsse so laut sein, weil Krafttraining anstrengend sei. Dass Frauen ihre Umwelt nicht lautstark an lebenserhaltenden Maßnahmen teilhaben lassen, bedeutet der testosteronverstopften Logik nach wohl, dass es nicht anstengend ist. Dem kann ich guten Gewissens widersprechen. Nur reißt Frau sich lieber zusammen, weil sie sich das Gestöhne entweder fürs Schlafzimmer oder für die Wehen aufheben. Niemand will von einem Fremden wissen, wie er sich bei dem einen oder dem anderen anhört.
Andererseits kann man die Ersatzgebärden ja auch verstehen. Natürlich ist es ungerecht, dass Schwangere 9 Monate ein Recht auf Fußmassagen, das letzte Schoko-Muffin und grundlos schlechte Laune haben und der Mann dazu sich nur verständnisvoll geben aber nie vollständig gehen lassen darf. Da ist es nur nachvollziehbar, dass sich Männer einen Ort suchen, an dem sie auch ein bisschen schwanger sein dürfen. Im Fitnessstudio ist man Mann und darf es sein. Es geht um Stärke, Schweiß und Schmerzen - um Unverfälschtes, Echtes eben. Hier kann Mann es sich und den Frauen so richtig zu beweisen: "Hey, ich kann auch in den Wehen liegen. Ich liege am Boden und es tut echt weh."
Der Sitznachbar, der laut am Telefon in der Sbahn seine Krankheitsgeschichte kundtut oder die Ticketverkäuferin im Kino, die einem mit ihren Blicken vorwirft, sie von ihrem Whatsapp-Chat abzuhalten:Welches soziale Erlebnis hat dich bisher am meisten verwundert?