Weltweite Demokratie-Umgehung: “Politik-Wäsche”, Freihandelsabkommen und Digitale Rechte

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Dieser Artikel ist nicht geheim! – Foto: © digitalrightslac.net (CC-BY-SA)

Ein um sich greifender, übler Trend, der nicht nur die Digitalpolitik auf der ganzen Welt stark beeinflussen wird, bezeichnet man als “Politik-Wäsche”. Es handelt sich dabei um die Instrumentalisierung internationaler Handelsabkommen, um Länder unter Druck zu setzen, restriktive oder übermäßig weit gefasste Regelungen und Gesetze einzuführen, die normalerweise niemals über einen transparenten, demokratischen Prozess beschlossen würden. (1)
Es ist nicht nur das Verfahren, das fragwürdig ist. Viele der Vertreter, die an der Aushandlung solcher Abkommen beteiligt sind, sind keine gewählten Vertreter ihrer Länder, sondern Beauftragte von Handelsunternehmen und mächtiger multinationaler Unternehmenslobbyisten.
“Politik-Wäsche” nimmt jeder Jurisdiktion, und vor allem, ihren Bürgern, die Chance, sich an einer legitimen Gesetzgebungsdebatte zu beteiligen

Insbesondere das Urheberrecht hat mit Handelsfragen oder -abkommen genau betrachtet nichts zu tun. Es ist jedoch ein ausgewiesenes Ziel dieser nicht öffentlichten internationalen Verhandlungen unter der Überschrift des “freien Handels”. Nehmen wir als Beispiel hierfür die Vereinigten Staaten: Mit dem “Digital Millennium Copyright Act” (DMCA) war es ab sofort illegal, eine CD direkt auf einen MP3-Player zu überspielen – Eine Kopie muss nun über einen Computer durchgeführt werden. Nach DMCA ist es auch verboten, ein Handy zu entsperren, wenn Sie es von einem bestimmten Mobilfunkanbieter gekauft haben. Und das ist nur der Anfang.
[Eigentumsrecht durch Vertragsrecht umgangen? Anm. der Red. Mit Eigentum kann man theoretisch machen was man möchte, also auch ein "eigenes" Handy entsperren. Lt. eingegangenem Vertrag mit dem Mobilfunktanbieter kann das Eigentumsrecht beim "Kauf" eines Handys jedoch umgangen werden. Man "besitzt" das Handy zwar  wie etwas Geliehenes, dann ist das im eigenen Besitz aber eben nicht Eigentum. Mit dem Entsperren begeht man je nach Vertragsklauseln des Anbieters Vertragsbruch. Viele wissen nicht, dass sie z.B. auch bei einem Pre-Paid Handy einen Vertrag eingegangen sind und denken, es sei nach dem Kauf ihr Eigentum. Beim "Entsperren" werden die Regeln des Vertrags damit verletzt. Das steht im "Kleingedruckten" in den Geschäftsbedingungen zu dem Produkt (Handy+Sim-Karte, die "kostengünstig" überlassen wurden). (2)]
Wie sind diese seltsamen und restriktive Gesetze zustande gekommen? “Politik-Wäsche”.

Der US Assistant Secretary of Commerce Bruce Lehman war nicht in der Lage, im Inland die Unterstützung zu erhalten, die er benötigt hätte, um diese Umgehung nationaler Gesetze zur Verwaltung digitaler Rechte (DRM) für illegal zu erklären. So wendete er sich damit an die WIPO der Vereinten Nationen (World Intellectual Property Organization) um die Regelungen in Verträge über internationales Urheberrecht einsetzen zu lassen. Er nahm die gleiche politische Richtlinie her, die im demokratisch gewählten Parlament in den USA nicht verabschiedet werden konnte (3) und teilte ihnen mit, das das “DMCA” nun zu einem “Bundesgesetz” würde, dass sich auf sowohl auf das Inland, auf Amerikanische Bürger und ausländische Unternehmen erstrecke.

Lateinamerika steht vor der sehr realen Bedrohung durch diese gefährliche Praxis mit dem Trans-Pacific Partnership (TPP). Es handelt sich dabei um ein multinationales Handelsabkommen, ein Paradebeispiel der “Politik-Wäsche”, bei dem das undurchsichtige und undemokratischen Vorgehen weitergeführt wird. . Der Start war 2005 mit Singapur, Chile, Neuseeland und Brunei und wurde bis 2012 stetig erweitert durch die Mitgliedschaft der USA, Australien, Vietnam und Peru  sowie Japan, Kanada und Mexiko. Kolumbien, das bereits mit 5 dieser Länder Freihandelabkommen hat, versuchte eine Beitrittsmöglichkeit zu den Gesprächen zu erhalten, aber es bleibt ein ungewünschter Kandidat, bis diese Verhandlungsrunden beendet sind. (4)

Die aktuellen Runden zu den TPP-Verhandlungen in Kanada haben eine weitere Wendung zum Schlechteren genommen, berücksichtigt man die aktuelle Sitzung, die hinter verschlossenen Türen stattfand. Termine und Ort wurden in der letzten Minute verlegt, von Ottawa nach Vancouver (4.300km) und man nahm sogar wichtige Verhandlungspartner heraus. Diese Geheimhaltung ist alarmierend und behindert die Integration der Öffentlichkeit in diesen Prozess. Jedoch, angesichts der Tatsache, dass während der letzten fünf Jahren der Verhandlungen, nicht eine einzige offizielle Stellungnahme oder Position von einem teilnehmenden Land veröffentlicht wurde, ist diese Fortsetzung Geheimhaltung nicht wirklich überraschend.

Alles, was wir über die Tagesordnung der TPP-Verhandlungen wissen, stammt aus einer Wikileaks Enthüllung aus dem Jahr 2011! Es handelte sich dabei um den Absatz über die vorgeschlagenen Regelungen zum “Geistigen Eigentum” und spätere Dokumente vom November 2013 aus den “Salt-Lake-Verhandlungen“. (“Viele Elemente des TPP dürften sich auch in TTIP wiederfinden, dem transatlantischen Freihandelsabkommen” siehe dazu Süddeutsche – (5) )

Ein besorgniserregender Trend in den TPP Gesprächen ist, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft nicht mit am Verhandlungstisch sitzen,  sondern die großen, multinationalen Unternehmen eingeladen wurden, denen damit außerordentlichen Einfluss auf die Verhandlungspositionen gewährt werden. Die MPAA hatte Zugriff auf den kompletten Text der Vereinbarung, während selbst die Mitglieder des Kongresses der Vereinigten Staaten im Dunkeln gehalten werden.

Was diese “Leaks” allerdings ans Licht brachten, ist insbesondere im Hinblick auf die vielen verschiedenen Unternehmen und Einzelpersonen, die durch das Urheberrecht betroffen sind interessant. Anders als die meisten Branchen, die eine Überregulierung für eine Handelsbarriere halten, betrachten die MPAA (Motion Picture Association of America), RIAA (Recording Industry Association of America) und andere multinationale Unternehmen die mangelnde Durchsetzung des Urheberrechts als ein bedeutendes Handelshemmnis. Als Resultat iher Überlegungen wird diese mächtige Industrie versuchen, harte und restriktive Gesetze zum geistigen Eigentum durchzubringen, die voraussichtlich mit der Freiheit der Meinungsäußerung kollidieren und wahrscheinlich Innovationen verhindern werden.

Die vielen umstrittenen Bestimmungen brachten eine bunte Koalition von Umweltaktivisten, Kapazitäten der medizinischen bzw. Gesundheitsberufe, Verteidiger digitaler Rechte zusammen, die sich gegen das TPP wenden. Sie halten die Gesetze und weitreichenden Bestimmungen für verheerend, die bisher öffentlich wurden. Zu den gefährlichsten Bestimmungen, die digitale Rechte betreffen gehören:

• Das Verbot des “Entriegelns” (Unlocking) oder “Brechen” (Breaking) des Digital Rights Managements (DRM), der Umgehung eines digitalen Schutzes auch im Bereich der im eigentlich Sinne erlaubten eigenen Nutzung der Daten (ähnlich den DMCA der Bestimmungen, die Handy-Entsperren verbieten)

• Die Forderung von Urheberrechtslizenzen für temporäre ‘Puffer Kopien “, die kleinen Kopien, die Computer benötigen, damit der Prozess der Datenvarbeitung rund läuft. Dies würde zu noch mehr Erlaubnisanfragen und Lizenzererwerbe für die End-Verbraucher führen, für Daten, die sie bereits besitzen. Da alle Computer solche Techniken verwenden und regelmäßig solche Daten puffern und kopieren, um Daten zu übertragen, beispielsweise beim legalen Streaming eins Musikstückes, könnte dies weitreichende Auswirkungen für das offene Internet haben!

• Die Begünstigung/Förderung von ISPs  (Internet-Service-Providern) sog. “Three Strikes” Gesetze, wo User, anstatt vor Gericht, auf privater Ebene durch “Schiedsrichter” aus dem Internet ausgeschlossen werden können. Diese sollen mit der Befugnis ausgestattet werden, schon bei dem Vorwurf von insg. 3 Urheberrechtsverletzungen Nutzer zu bannen. Diese SOPA-ähnliche Bestimmung könnte die Türen zur Zensur öffnen. Und nebenbei bemerkt, wurde diese Regelung von den Vereinten Nationen als Verletzung der Menschenrechte beurteilt.

• Harte Strafen für kleinere Urheberrechtsverletzungen, die über nationalem (z.B. US-Recht) stehen und für minderschwere Verletzungen Gefängnisstrafen vorsehen.

• Fehlen von Ausnahmereglungen und Copyright-Beschränkungen wie “fair use” u.a., Auswirkungen z.B. bei  kreativen Arbeiten für Behinderte uam.

• Extreme Ausweitung des Urheberschutzes. Derzeit gehen urheberrechtlich geschützte Werke 50 bzw. 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers (USA 50 Jahre/Deutschland 70Jahre) ins “Public Domain” (freie Verwendbarkeit). Mit TPP würde das auf 70 Jahre bzw. 120 Jahre für unternehmenseigene Werke erweitert. (Information entnommen aus tppinfo.org, sowie eff.org)

Der vielleicht am meisten verstörende Vorschlag ist die Schaffung eines “Investor-Staates”. Dabei handelt es sich um ein Modell, das für eine erhebliche Machtverschiebung sorgen würde. Multinationale Konzerne hätten so die Möglichkeit, souveräne, nationale Regierungen direkt zu verklagen in einem “Internationalen Tribunal für Rückerstattung”, Wiederherstellung bzw. ungerechte Enteignung – und für “angebliche Verminderung ihrer potenziellen Gewinne als ein Ergebnis der Regulierung. “Es ist diese Art von gefährlichen Schiedssystem , das dem amerikanischen Zigarettenhersteller Philip Morris gestattet, die Regierung von Uruguay auf die Zahlung von 2 Milliarden US-Dollar zur verklagen. Uruguay hatte ein Gesetz erlassen, die den Verkauf und die Vermarktung von Zigaretten begrenzt. Nun kann der Staat direkt verklagt werden, weil ein Freihandelsabkommen, das man unterzeichnet hat, möglicherweise verletzt wurde. Diese mit den Abkommen einhergehenden “Rechtssysteme” sind besonders für Entwicklungsländern schlimm und gefährlich, die nicht über die finanziellen Mittel für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit verfügen, wie die klagenden multinationalen Riesen – hier Philip Morris.

Der amerikanische Präsident Obma macht stets klar, dass ein erfolgreicher TPP Abschluss – eine “Top-Priorität” für seine Regierung darstekkt. Er verspricht, den Text des Abkommens dem Kongress und der Öffentlichkeit im November vorzulegen. Australiens Handelsminister Andrew Robb ist nicht ganz so optimistisch in der Beurteilung der “Timeline” und sagte kürzlich, er hoffe, dass das Abkommen “in der ersten Jahreshälfte 2015″ abgeschlossen werden könne. Nun steht nur noch zu hoffen, dass die endgültige Fassung des TTP-Abkommens in den kritisierten Punkten (sofern überhaupt bekannt geworden) verbessert wird. Die mangelnde Verhandlungs-Transparenz unter Ausschluss der Zivilgesellschaft bei den bisherigen Gesprächsrunden verheisst nichts Gutes für die Verbraucher weltweit und Benachteiligungen vor allem die Entwicklungsländer.

Die TPP-Verhandlungen sind ein “aktuelles Schlachtfeld”, bei dem Nationen multinationale Freihandelsabkommen einführen. Vordergründig, um Hindernisse für den Handel zwischen den Ländern zu senken. Sie werden bei der Einführung weitreichend die Sozialgesetzgebung, die Online-Meinungsfreiheit und Innovation bedrohen.

Die Freihandelsabhkommen, das transpazifische TPP  gemeinsam mit dem transatlantischen TTIP und dem EU-Kanadischen CETA-Abkommen werden die Welt grundlegend verändern und Machtverhätnisse neu definieren.

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Quellen – weiterführende Links

Foto: © digitalrightslac.net (CC-BY-SA)
Text: Freie und bearbeitete Übersetzung eines Artikels von Tyler Snell, Digital Rights LAC, © (CC-BY-SA)
Diese Übersetzung von Politropolis.de darf frei weiterverwendet werden mit der Bitte um einen Link auf unsere Seite. Kurz-Link zum Artikel: http://wp.me/p2mHZ8-3XW

(1) Digitalrightslac.net What do free trade agreements have to do with your ability listen to music online?
(2) Golem-Forum – Handy-Besitz und -Eigentum?
(3) Electronic Frontier Foundation – zum DCMA
(4) CSIS Center for strategic & interational Studies, Why is Colombia not in the Trans-Pacifik-Partnership
(5) Süddeutsche Zeitung 23.11.2013, Wikileaks veröffentlicht Details von Verhandlungen


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