Beate T. vor dem Gericht
Die Berliner Humanistin Beate T. möchte erreichen, dass Schulkinder am Welthumanistentag (dem 21. Juni) schulfrei bekommen. So, wie es Kindern, deren Eltern anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften angehören, ebenfalls genehmigt wird. Sie und ihr Sohn fühlen sich diskriminiert.
Grundlage dafür ist eine Ausführungsvorschrift des Landes Berlin: die AV Schulpflicht. Kindern aus religiösen Familie ist es nach den “Ausführungsvorschriften über Beurlaubung und Befreiung vom Unterricht („AV Schulpflicht“) gestattet, ihre Kinder freizustellen zu lassen, wenn die Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft für diesen Tag einen Feiertag vorsieht. Nicht so jedoch Kinder, deren Eltern sich zu den Humanisten zählen und zum Beispiel Mitglied im Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) sind. Gegen diese Diskriminierung klagte Beate T.
Als ihr Sohn im November 2009 mit einem Schreiben nach Hause kam, in dem den Eltern mitgeteilt wurde, dass Kinder aus “religiösen Familien an den Feiertagen der betreffenden Religion ohne Entschuldigung vom Unterricht fernbleiben dürfen” sei ihr klargeworden, dass Kinder aus diesen Familien gegenüber nichtreligiösen privilegiert sind. So Beate T. in einer Pressemitteilung zum heutigen Verfahren. Sie vertritt die Meinung, dass Kinder einen Anspruch auf eine wertneutrale Erziehung haben müssen. Dazu gehört eben nicht, dass Kinder wegen der Religion der Eltern “auf subtile Weise bevorzugt werden.”
Nachdem der Bildungssenat auf Anfragen nicht reagierte entschied Beate T., ihre beiden Söhne am Welthumanistentag 2011 zu Hause zu behalten. Die Schulen wurden informiert. Während die Grundschule mit der Freistellung einverstanden war, lehnte das Gymnasium eine solche ab. In Folge dessen erschien auf dem Zeugnis des Gymnasiasten ein unentschuldigter Fehltag.
Gegen diesen Eintrag klagte die Mutter sowie darüber hinaus dafür, dass der Welthumanistentag generell in die Liste der Feiertage aufzunehmen sei, an denen Kinder ohne Antrag freizustellen sind. Mit diesem Schritt soll der Welthumanistentag religiösen Feiertagen wie dem Reformationstag, dem Buß- und Bettag (evangelisch), dem Fest der Erscheinung des Herrn (06. Januar), Fronleichnam sowie Allerheiligen (katholisch) gleichgestellt werden. In der Listung finden sich zudem noch etliche muslimische und jüdische Feiertage, an denen Kinder ohne Antrag freizustellen sind. (Siehe Artikel 2, Abs. 2 der AV Schulpflicht). An anderen Feiertagen muss auf Antrag von der Schule freigestellt werden (Abs. 3 und 4).
Die Verhandlung
Im mit Pressevertretern vollbesetzten Saal des Verwaltungsgerichts Berlin-Moabit wurde heute Vormittag über die Klage verhandelt. Vor der kompletten Dritten Kammer (3 Richter, zwei Ehrenrichter/Beisitzer) des Gerichts sprach zu Beginn die Klägerin Beate T. in eigenen Worten und ungeübt in Juristendeutsch über ihre Beweggründe, weshalb sie sich als Humanistin sehe. Und weshalb sie sich – bzw. ihren älteren Sohn – in seinen Rechten beschränkt sieht. Sie sieht in der Nichtanerkennung des Welthumanistentages – in Form der im Zeugnis eingetragenen Fehlzeit – eine Einschränkung der freien Ausübung ihrer Weltanschauung sowie einen Eingriff in ihr Erziehungsrecht.
Der vorsitzende Richter Regener versuchte aus nicht nachvollziehbarem Grund darauf zu verweisen, dass in diesem Jahr der 21. Juni in die Ferienzeit und in den darauffolgenden Jahren auf Wochenendtag fällt. Diese Argumentation geht an der Sache vorbei – auch Feiertage anderer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften “wandern” im Kalender; deshalb wird nicht in jedem Jahr die den Regelungen zugrundeliegende Ausführungsvorschrift verändert. Deshalb war es nur vernünftig, dass weder die Klägerin noch deren Anwalt Dr. Heinrichs, sich auf diese Diskussion einließen.
Auch den Versuch des Richters, den Welthumanistentag als “minder wichtig” gegenüber religiösen Feiertagen zu werten schmetterte Beate T. mit dem Hinweis ab, dass der Gesellschaft durch die Anerkennung gerade auch dieses Tages klargemacht werden könne, dass es neben den vielbeschriebenen “religiösen Werten” eben auch humanistische gibt, die mindestens ebenso wichtig sind – wenn nicht gar zeitgemäßer.
Als Richter Regener nachfragte, wer den Welthumanistentag eingeführt habe und ob es Rituale gibt, diesen zu begehen, konterte Beate T. mit den Hinweis, dass es auch beim “Tag der Menschenrechte” gleichgültig sei, wer den wann eingeführt habe. Er habe seine Notwendigkeit erwiesen. Ähnlich sei es mit dem Welthumanistentag.
Verwaltungsrecht ist häufig langweiliges Verfahrensrecht. Das zeigte sich auch, als der vorsitzende Richter die Klage in seine verwaltungsrechtlichen Einheiten herunterbrach. Was ihm recht gut gelang; aber den Anschein erweckte, als würde er versuchen, die Zulässigkeit der Klage in Abrede zu stellen bzw. schon vor der Urteilsfindung klarzustellen, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben wird. Ein interessantes Detail am Rande: die beklagte Seite wurde in der gesamten – immerhin knapp eineinhalbstündigen Verhandlung – nur zweimal befragt.
Regener wies allerdings zu Recht darauf hin, dass der im Zeugnis eingetragene Fehltag keine Wertung des Welthumanistentages darstellt, sondern nur, dass das Kind am betreffenden Tag nicht in der Schule anwesend war. Deshalb sei im Weiteren zu klären, ob es einen Rechtsanspruch auf eine Freistellung geben könnte. Dies jedoch verneinte selbst der Anwalt der Klägerin. Daher eben fordere man ja im zweiten Teil der Klage, dass dieser Rechtsanspruch durch eine Änderung der “AV Schulpflicht” entstehen soll.
Deshalb fordert die Klägerin, dass der Welthumanistentag in den Absatz 2 (des Punktes 2 der AV) eingetragen werden soll. Denn wenn – im Gegensatz zu anderen Weltanschauungsgemeinschaften – Kinder, deren Eltern der humanistischen Weltanschauungsgemeinschaft angehören, diese in jedem Jahr einen Antrag auf Schulbefreiung stellen müssten, wäre schon allein dies eine Diskriminierung.
Das Gericht wird im Laufe des Tages sein Urteil bekanntgeben. Nach Auffassung des vorsitzenden Richters ist vor allem zu klären, ob eine Einzelfallentscheidung im Verwaltungsrecht Auswirkungen auf die Allgemeinheit haben kann. Sprich: ob eine Entscheidung in diesem Fall überhaupt dazu führen kann, dass die “AV Schulpflicht” geändert werden muss. Das allerdings könnte auch ein Rückzugsgefecht sein, denn gerade auch im Verwaltungsrecht zeigte sich immer wieder, dass Einzelfallentscheidungen zu Gesetzesanpassungen führten.
Der hpd wird über das Urteil berichten.