James McAvoy in “Welcome to the Punch”
In den nächsten ein bis zwei Jahren werden wir eine ganze Menge James McAvoy zu sehen bekommen. Nach eher vereinzelten Auftritten in Actionfilmen („Wanted“), Dramen („Ein russischer Sommer“) oder historischen Thrillern („Die Lincoln Verschwörung“) hat sich McAvoy nach einer Karriere definierenden Hauptrolle in „X-Men: Erste Entscheidung“ in die Arbeit gestürzt, die schon bald auf den Kinoleinwänden und auf den Heimvideomärkten Früchte tragen soll. Noch in der Postproduktion befindet sich das Projekt „The Disappearance of Eleanor Rigby“, ein Zweiteiler der die Zusatzbezeichnungen „Hers“ und „His“ trägt, ein und dieselbe Geschichte aus der Sicht eines Mannes und einer Frau erzählt. In „Drecksau“ spielt McAvoy einen Cop im Drogenrausch, immer an der Flasche hängend, ein Rüpel der brutal mit seinen Mitmenschen umgeht und nicht die vornehmsten Umgangsformen pflegt. Am Medienwirksamsten wird sein Engagement für Regisseur Danny Boyle sein, der mit „Trance“ seinen ganz eigenen Nolan-gleichen Brainfuck in die Kinos bringt: Eine Geschichte um einen Kunstraub, einen Dieb der vergessen hat wo die Beute gelagert ist und dem durch Hypnose geholfen werden soll den Diebstahl zu rekonstruieren. Ein weiterer Film auf der Liste ist derweil „Welcome to the Punch“, seit März in den britischen Kinos, noch ohne Starttermin in Deutschland.
Hier bekommt James McAvoy mit Mark Strong einen Gegenspieler präsentiert, der ihm gleich zu Beginn eine bleibende Wunde verpasst. Bei einer Verfolgungsjagd wird Detective Max Lewinsky (McAvoy) von dem Kriminellen Jacob Sternwood (Strong) ins Knie geschossen. Damit entkommt der Gesetzesbrecher nicht nur, sondern schürt auch die Rachegelüste des Cops. Sternwood flüchtet nach Island und wiegt sich dort in Sicherheit. Doch dann wird sein Sohn in einen fehlgeschlagenen Raubüberfall involviert, der den Vater dazu zwingt nach London zurückzukehren. Hierdurch erhält Lewinsky eine letzte Chance den Mann zu schnappen, dem er so verbissen auf den Fersen ist. Aber als sie dann wirklich aufeinandertreffen, beginnen sie gemeinsam eine Verschwörung aufzudecken, die sie beide auf dieselbe Seite stellt.
James McAvoy mit Mark Strong
Damit bleibt das erhoffte Katz- und Maus-Spiel aus, auch wenn es in der ersten Hälfte des Films immer wieder angedeutet wird. Aber schnell wird klar, dass sich Jäger und Gejagter nur höchst selten über den Weg laufen, Lewinsky nicht einmal eine Spur seines Peinigers hat, die er verfolgen könnte. Sie schauen sich nicht Auge in Auge für ihr Duell, die Geschichten dieser beiden Männer treffen sich nur, wenn Regisseur Eran Creevy (nach dem 2008er Film „Shifty“ seine zweite Regie) mit einer spritzigen Verfolgungsjagd und der Verkrüppelung von Lewinskys Knie den Film eröffnet. Diese schnell gedrehte Eingangssequenz soll aber kein Indiz für den Fortlauf des Films sein, der sich hiernach in weitaus langsameren Erzählmustern verheddert. Diese Anfangsszene muss dann auch ausreichen um uns als Zuschauer davon zu überzeugen, dass der Cop mit emotionaler Härte und unnachgiebigen Willen die Jagd nach seinem Peiniger aufnimmt. Eine Szene, gerade einmal wenige Sekunden lang, soll für lebenslangen Hass herhalten. Kurz gesagt: Das funktioniert hier ganz und gar nicht. Die Rivalität kommt nicht zur Geltung, viel mehr möchte man Mark Strong dabei anfeuern dem weinerlichen Cop noch eine Kugel zu verpassen, am besten direkt in die Brust. Ab einem gewissen Punkt, der erst sehr spät erreicht wird, werden McAvoy und Strong dann als Team inszeniert, ebenso unglaubwürdig wie zuvor die scheinbar erbitterte Feindschaft.
Somit gestaltet sich die erste Hälfte von „Welcome to the Punch“ als ziemlich zähes Unterfangen. Es wirkt wie ein in die Länge gezogener Aufbau für das spätere Miteinander, wie eine schlechte Version so mancher Buddy-Cop-Filme der Marke „Lethal Weapon“ oder gar „The Fast & the Furious“. In der zweiten Hälfte, wo dieses Miteinander dann ausgelebt wird, wird die Geschichte weniger konstruiert erzählt, es stellt sich eine gewisse Lockerheit gegenüber der eigenen Inszenierung ein. Creevy trennt sich von der Verbissenheit der Rivalität und Zelebriert seinen „Punch“ als Actionfilm. Die Story bleibt dennoch weiterhin vorhersehbar und belanglos. Auch die Logik des plötzlichen gemeinsamen Feindes, – „The Walking Dead“-Darsteller David Morrissey – der hier Rivalen zu Verbündeten werden lässt, wird nur sehr oberflächlich abgedeckt. Immer mal wieder hält man sich gegenseitig die Waffe an den Kopf, aber nur um sich dann auch wieder zusammen zu raufen, man arbeitet ja gegen eine größere Sache. Warum die beiden hier unbedingt aufeinander angewiesen sind und nicht im Alleingang gegen ihren neuen Feind vorgehen, sozusagen eine Actionfilm ménage-à-trois bilden, wird nicht wirklich ersichtlich.
James McAvoy
Die Ästhetik des Films soll dann vermutlich von den inhaltlichen Schwächen ablenken. Hier herrscht eine starke Blaufärbung der Welt, vom Polarlicht in Island bis zu den stets blauen Hemden von James McAvoy. Es liegt ein blauer Dunstschleier über allem. Dabei bietet „Welcome to the Punch“ jedoch zu wenige schöne Bilder, keine Einstellungen oder Momentaufnahmen, die wie Postkarten hervorstechen und einer solchen Ästhetisierung gerecht werden würden. Es bleibt nur eine Idee eines Kunstobjekts, ein Gestaltungsmittel, das leider nur sehr schwach eingesetzt wurde.
Und bitte nicht über das Wort „Punch“ im Titel stolpern. Hier wird nicht etwa kräftig mit den Fäusten ausgeteilt, es handelt sich lediglich um eine Ort im Film, der so benannt wurde. Dort findet dann der Showdown statt, wenn McAvoy und Strong ihren gemeinsamen Feind im „Punch“ willkommen heißen. Was nun auch immer auf anderen Veröffentlichungsmärkten geschieht, es wäre weder verkehrt noch unerwartet, würde es für „Welcome to the Punch“ in Deutschland heißen: „Welcome to the DVD market“.
“Welcome to the Punch“
Originaltitel: Welcome to the Punch
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: GB / USA, 2012
Länge: ca. 100 Minuten
Regie: Eran Creevy
Darsteller: James McAvoy, Mark Strong, Jason Flemyng, Peter Mullan, David Morrissey, Johnny Harris
Im Netz: ifcfilms.com/welcome-to-the-punch