Als ich zwölf Jahre alt war, wollte ich Zoodirektor werden. Ich kannte damals den Zoo wie meine Hosentasche. Einmal, als das Affengehege gereinigt wurde, erbettelte ich mir von einem Mitarbeiter ein Büschel Schimpansenhaare. Diese Trophäe bekam einen Ehrenplatz im Kinderzimmer. Ein anderes mal schrieb ich einen langen, bunten Brief an den Zoo, in dem ich um die Haut einer Baumschlange bat (die häuten sich ja immer wieder). In einem Antwortbrief hiess es: „Sie können die Schlangenhaut an der Kasse abholen". Ich hängte sie an die Wand über dem Bett, wo sie langsam zerfiel.
Ich sah mich also als Zoodirektor. Jeden Morgen würde ich dann von Gehege zu Gehege gehen und meine Tiere begrüssen und danach in einem mächtigen Büro mit Blick über den Tierpark große Mengen an Futter für die Elefanten bestellen. Natürlich sah ich mich auch auf gefährlichen Reisen, wie ich im Urwald neue Tiere besorgte.
Mein Leben verlief anders, ein anderer wurde Zoodirektor.
Ich aber reiste zu den Indianern nach Südamerika, um dort als Berater mit den Bauern Projekte zu machen. Zum Beispiel bauten wir auf dem Hochland zahlreiche Schafbäder in denen Lamas, Schafe und Rinder von den lästigen Zecken befreit wurden.
Das Motiv des Zoodirektors kommt aber in meinem Leben immer wieder vor. Manchmal bin ich der Zoodirektor, und meine Bilder sind die Tiere. Manchmal habe ich den Eindruck, in mir drin seien zahlreiche Tiere, gezähmte und immer noch wilde, und ich weiß als Zoodirektor nicht recht, wie ich mit ihnen umgehen soll. Und gelegentlich habe ich das Gefühl, die ganze Welt sei ein großer Zoo, und ich bin da irgend ein Chamäleon in einem zierlichen Käfig.
Foto unten: Wir bauen ein Schafbad in Quillihuyo (4080 Meter ü.M) in der Provinz Camacho in Bolivien.Gemälde ganz oben:
Der Zoodirektor / 46cm x 65cm / Acryl auf Zeichenpapier / 2014, Nr.14-003