Welcher Wettkampftyp bist du?

Von Walter Kraus
So unterschiedlich auch die Läufertypen sind, so verschieden können auch die Wettkampftypen sein. Denn nicht selten kommt es vor, dass Läufer auch an Laufveranstaltungen teilnehmen. Mit meiner jahrelangen Erfahrung, möchte ich diese Woche eine Beobachtungsstudie mit den wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale der wettkampforientierten Läufer präsentieren - hochwissenschaftlich natürlich!

Schnellstarter 

„Schnell beginnen und stark nachlassen“ – das ist die Devise eines typischen Schnellstarters. Er ist auf allen Startfotos an vorderster Front zu sehen, in den Ergebnislisten jedoch eher auf den bescheideneren Plätzen. Das Erstaunliche dabei ist, dass der Schnellstarter auch nach mehreren Jahren unfähig ist, daraus zu lernen. Er macht auch noch nach mehreren Jahren Wettkampferfahrung immer noch den gleichen Fehler. Dennoch wundert er sich, wieso seine Wettkampfergebnisse nicht besser werden.

Trainingsweltmeister 

Bestleistungen werden im Training erbracht! Monatelanges, und vor allem hartes Training zeichnen ihn aus, bei dem eine Einheit nach der anderen eine neue Bestzeit voraussagt wird. Jeder Testlauf zeigt eine Formverbesserung, der Ruhepuls sinkt auf Level „kaum wahrnehmbar“, das Wettkampfgewicht wird nicht nur erreicht, sondern auch gehalten und das Selbstvertrauen war noch nie so groß. Zumindest bis zum Wettkampftag. Denn da ist alles anders, als man davor gedacht hat: Er findet keine Erklärungen, wieso die persönliche Bestzeit wieder nicht geknackt wurde!

Wettkampfsau

Genau das Gegenteil zum Trainingsweltmeister ist die Wettkampfsau. Erst unter Wettkampfbedingungen kann die Wettkampfsau die Sau richtig rauslassen. Auch wenn dieser Typ im Training keine Anzeichen für einen Fortschritt zeigt, so sehr er sich auch bemüht, erst an der Startlinie werden die Reserven mobilisiert. Wieso auch unnötig viel im Training anstrengen? Das überragende Ergebnis ist nicht nur eine Überraschung für seine Laufkollegen - auch die Wettkampfsau ist von seiner eigenen Leistung überrascht.

Der Typ: „da wäre noch was drinnen gewesen“ 

Dieser Wettkampftyp hingegen findet tausende Gründe, wieso das gelaufene Ergebnis nicht dem echten Trainingszustand entspricht: der Puls war um 10 Schläge höher als normal, der Laufrhythmus wurde nicht gefunden, die Strecke ging doch bergauf, die Hitze oder der Gegenwind brachte ihn aus der Fassung,…das war einfach nicht sein Tag. Meinen Beobachtungen zur Folge behaupte ich, dass mindesten 95% aller Wettkampfläufer mehr oder weniger zu diesem Typen gehören.

Echte Wettkampfläufer 

Die restlichen 5% sind echte Wettkämpfer! Bereits am Start sind sie leicht an ihrem starren, konzentrierten Blick zu erkennen. Sie reden nicht, checken aber die Konkurrenz ab – wer läuft wohl schneller als ich? Beim Rennen selbst wird das Letzte aus sich rausgeholt. Der echte Wettkampfläufer findet keine verlorene Sekunde auf der Strecke. Nicht selten kommt es sogar vor, dass er mit einem Kreislaufkollaps am Streckenrand liegen bleibt. Oft nur wenige Meter vor dem Ziel. Kommt er jedoch ins Ziel, wird schnell die Ergebnisliste gecheckt und gegebenenfalls bis zur Siegerehrung gewartet. Bis der Pokal überreicht wird, läuft er aus, macht ein paar Dehnungsübungen und bleibt still. Reden ist nicht seine Stärke, sondern das Laufen!

Hochstapler

Der Typ des Hochstaplers hingegen redet gerne: vor allem vor dem Rennen! Jedem Mitläufer wird lauthals verkündet, wie viele Kilometer er gelaufen und wie gut er doch in Form sei. Die Trainingsresultate bescheinigen ihm eine Bombenzeit, die heute explodieren muss! Die Wettkampfergebnisse meist nur „DNF“ (did not finish). Denn nach dem ersten Drittel des Rennens entwickelt sich der Hochstapler zu einem Schnellstarter und er muss feststellen, dass das gewählte Tempo viel zu schnell war. Oft hört man fluchende Läufer auf der Strecke, die das Rennen dann doch vorzeitig beenden müssen/wollen. Gründe fürs Scheitern werden gesucht und Ausreden gefunden - das nächste Mal läuft alles besser! Vielleicht liegt es daran, dass es in Wirklichkeit doch eine größere Diskrepanz zwischen dem Trainingsplan und dem Trainingsprotokoll gibt?

Tiefstapler 

Der Tiefstapler hingegen verhält sich ruhig am Start. „Oh! Ich bin in den letzten Monaten eigentlich überhaupt nicht zum Trainieren gekommen – Familie, Arbeit, Beruf,… weißt eh. Ich schau einfach mal, was geht und hab meinen Spaß“, ist oft von einem Tiefstapler vor dem Rennen zu hören. Sobald jedoch der Startschuss fällt, wird er zum echten Wettkampftypen und bricht alle Rekorde. Auch beim Tiefstapler gibt es eine große Abweichung zwischen dem Ist und dem eben noch Gesagtem. Er wird deshalb auch zu den „anonymen Läufern“ gezählt.

Wettkampfsammler 

Kein Wochenende ohne Wettkampf ist die Devise des Sammlers. Er lässt keine Laufveranstaltung im Umkreis von 50 Kilometern aus, auch wenn er manchmal sogar zwei Wettkämpfe am Tag laufen muss. Die Wettkämpfe motivieren und sind meist auch die einzigen intensiven Einheiten in seinem Lauftraining – sofern neben den Wettkämpfen noch Zeit fürs Training ist. Sehr oft ist der Wettkampfsammler auch bei kleineren Volksläufen anzutreffen, bei denen die Chance eines Pokals größer erscheint. Er sammelt nämlich nicht nur Teilnahmen an Wettkämpfen, sondern auch Medaillen und Pokale. Der Wettkampfsammler hat ja auch einen extra eingerichteten Medaillenaltar (im Extremfall auch Medaillenräume), mit dem er seine „Erfolge“ präsentiert.

Anmeldeweltmeister 

Auch der Anmeldeweltmeister ist bei sehr vielen Laufveranstaltungen zu finden. Jedoch meist nur auf der Starterliste. Im Endergebnis steht dann neben seinem Namen „DNS“ (did not start). Der Anmeldeweltmeister studiert bereits im Jänner den Laufkalender des gesamten Jahres und meldet sich gleich für alle Läufe an, die für ihn infrage kommen. Denn wer sich früher anmeldet, spart meist Geld! Am Tag des Wettkampfs kommt aber immer etwas dazwischen: andere Verpflichtung, Termin nicht oder falsch eingetragen, keine Lust, schlecht in Form oder einfach nur vergessen! Zumindest kann der Anmeldeweltmeister ein ganzes Jahr lang über die geplanten Laufveranstaltungen mitreden!

Adrenalin-Junkie 

Der Wettkampf bedeutet für ihn puren Stress und Adrenalinausstoß! Das Training ist nur auf diesen einen und allerwichtigsten Wettkampf ausgerichtet. Denn ohne Ziel hat das Lauftraining keinen Sinn, sagt man jedenfalls! Und genau diese Einzigartigkeit bereitet ihm ein gewisses Unwohlsein – er wird aber nicht kurzfristig krank, wie es manchmal beim Hochstapler der Fall ist. Der Adrenalin-Junkie weißt in Wirklichkeit gar nicht, wieso er sich einen Wettkampf antut. Die Nacht davor wird schlaflos verbracht, bereits beim Anbringen der Startnummer steigt der Puls um 30 Schläge und vor dem Start muss er sich gleich 5 Mal beim Mobiklo anstellen (statt dem üblichen 2-maligen Toilettengang). Gerne vergisst er auch vor lauter Aufregung auf den Laufchip. Laufen könnte doch so schön sein ohne Wettkämpfe!