Lila ist ein österreichisches Mädchen, 11 Jahre alt und so wie alle anderen Mädchen in ihrem Alter in diesem Land auch: Traurig, lustig, aufmüpfig. Der einzige Unterschied – sie hat einen afrikanischen Vater und daher eine dunkle Hautfarbe. Als ihre alleinerziehende Mutter mit ihr von der Großstadt in die Provinz zieht, beginnen ihre Probleme.
„Schwarzweißlila“, das Stück des Autors Volker Schmidt, der zugleich Regie führte, erhielt vor bereits acht Jahren den Berliner Kindertheaterpreis. In seiner Aussage ist es jedoch absolut zeitlos.
Lila, die Hauptfigur, in vielen Facetten von Nancy Mensah-Offei beeindruckend gespielt, leidet nicht nur unter dem Ortswechsel. Ihre Mutter spricht mit ihr nicht über ihren Vater und so sind der Spekulation, wer er denn war, oder was er denn heute mache, Tür und Tor geöffnet. Schon bald lernt sie auf ihrem neuen Weg zu Schule Manfred, einen Automechaniker, kennen, der ihr nach anfänglichen, kleinen Reibereien väterlich zur Seite steht. Sven Kaschte spielt den rot bemützten jungen Mann, der von vielerlei Ängsten geplagt ist, sich aber trotzdem wacker durchs Leben schlägt. Er überzeugt nicht nur in dieser Figur, sondern auch in jener eines schrulligen Kartenverkäufers von der Bahn, der jedoch geistesgegenwärtig Lila davon abhält, alleine mit dem Zug zu fahren. Nicht zuletzt schlüpft er aber auch in die Rolle von Dennis` stressgeplagtem Vater. Jenem Dennis (Josef Mohamed überzeugt als Pubertierender in jeder Szene), der Miras erster Freund in der neuen Schule wird. Dass sich die beiden zu Beginn als Milchkaffee und Topfen beschimpfen, ist mit kindlicher Neckwut zu erklären.
Thea Hoffmann-Axthelm schuf ein Surrounding aus weißen, übereinander gestapelten Schachteln, auf die zeitweise Live-Aufnahmen von kleinen Kameras projiziert werden. Auf den Schachtelrückseiten sind verschiedene Architekturteile wie Fenster gemalt, aber auch kleine Häuser, die je nach Bedarf neu zusammengruppiert werden.
Mira Tscherne spielt von fürsorglich bis überfordert Lilas Mutter, die sich lange wehrt, über den Verbleib des Vaters Auskunft zu geben. Aus diesem Grund hat das Mädchen eines Tages die Nase voll und beschließt, sich selbst auf die Suche nach ihm zu machen. Nur welchen Zug nimmt man nach Afrika? Den REX oder den IC? Volker Schmidt schuf einen wunderbar getimten Text, in dem Probleme offen angesprochen werden, zugleich jedoch aber immer auch der nötige Humor beigepackt wird, sodass viel gelacht werden darf.
Schwarzweißlila im Dschungel Wien (c) Ani AntonovaKlarerweise am allermeisten an jener Stelle, an welcher Lilas Mutter im großen Finale dem Vater von Dennis eine Geburtstagstorte ins Gesicht klatscht. Herr Basuro, Asylant aus Ghana, der vorgibt aus Simbabwe zu sein, um in Österreich Aufenthalt zu bekommen, steht daneben und kann sich, so wie das junge Publikum, vor Lachen gar nicht mehr erholen. Er muss, ungewollt und unwissend, auf Miras Geburtstag ihren Vater mimen. Dass das nicht wirklich gut geht, versteht sich von selbst. Zuvor werden jedoch jede Menge Klischees verhandelt, vor allem wenn Lila über ihren Vater nachdenkt, der in ihrer Fantasie in Afrika ein König mit viel Landbesitz ist. Auch Futurelove Sibanda lässt in seiner Rolle als Flüchtling mit Heimweh ein Afrika-Bild auferstehen, das von Sozialromantik geprägt ist. Die Familie, die sich abends um das offene Feuer versammelt, die Frauen, die Mais stampfen. Schmidt setzt all diese Bilder und Vorurteile – „du läufst wie eine afrikanische Gazelle“ oder „die essen mit den Händen!“ – ganz bewusst ein, und konterkariert vieles davon mit dem ungestümen Wesen seiner Hauptdarstellerin. Da sie nicht auf den Mund gefallen, sondern ganz im Gegenteil auch den Erwachsenen rhetorisch überlegen ist, kontert sie jedes Mal mit einem verbalen Gegenschlag, der es in sich hat. „Das Niveau ist hier nur peripher kartographiert“, lästert sie zum Beispiel an einer Stelle und meint damit, dass alle rund um sie dumm sind. Sehr zur Freude von Dennis, der damit seinem Vater die Intelligenz seiner Freundin wie auf einem Serviertablett präsentiert.
Schwarzweißlila im Dschungel Wien (c) Ani AntonovaDas versöhnliche Ende macht Mut. Nicht nur Lila selbst, sondern allen Kindern und Jugendlichen, die meinen, ihre Familien lägen außerhalb der Norm, die sich in dem Alter so ziemlich alle wünschen. Die Geschichte von Schwarzweißlila ist so wie unser Leben: Weder schwarz noch weiß, sondern vor allem lila! Eine Produktion vollgepackt mit Humor, toller Musik, einem spannenden Thema und vor allem – sympathischen Menschen.