Welchen Wert hat die Arbeit?

Von Maria Glatz

Ich liebe stricken und häkeln und habe im Augenblick wieder ständig etwas in Arbeit. Pro Tag stricke ich so ca. 1,5 – 2 Stunden, es macht mir richtig Spaß und dabei geht auch echt was weiter.

Im Augenblick stricke ich gerade einen Wurmbaktus, langsam aber sicher nähert sich das Ende. Wenn ich die Zeit zusammen rechne waren es rund 15 Stunden Arbeit, die in diesem Halstuch stecken.

Beim Stricken hat man viel Zeit um nachzudenken, ich beginne zu rechnen.

Wie viel würden meine handgestrickten Werke kosten, wenn man einen angemessenen Stundenlohn bezahlen würde?

Ich versuche es einmal mit Euro 10,– pro Stunde. Das ist die Hälfte dessen, was für eine Nachhilfestunde und ein viertel dessen, was für eine Massagestunde anfällt.

Die Wolle kostet rund 8,– Euro.
15 Stunden Arbeit zu je Euro 10,– ergeben Euro 150,–

Macht in Summe also Euro 158,– für einen Baktus-Schal.

Aber selbst wenn ich auf Euro 5,– pro Stunde reduziere (das ist weniger, als eine Verkäuferin in der Stunde verdient) ergibt das noch immer Euro 75,– + 8,– in Summe also 83,– Euro

Zum Vergleich – der Marktpreis

Ein handgestrickter Baktus kostet über DaWanda zwischen 12,– und 40,– Euro. Die meisten Teile liegt zwischen 16,– und 24,– Euro.

Wenn wir die Kosten der Wolle abziehen, welche ich recht niedrig mit Euro 8,– angesetzt habe, liegt der Lohn der Arbeit zwischen 8,– und 16,– Euro und das für 15 Stunden stricken (Die Kosten für den Verkauf und den zusätzlichen Zeitaufwand fürs Einstellen und das Versenden rechne ich jetzt gar nicht ein!). Macht einen Stundenlohn von 0,53 – 1,06 Euro.

Versuchen wir die selbe Rechenaufgabe mit selbst gestrickten Socken.

Ein paar Socken habe ich an 3 Abenden gestrickt, es stecken rund 6 Stunden Arbeit drin.

Rechnen wir sicherheitshalber gleich mit Euro 5,– pro Stunde

6 x 5,– Euro ergibt 30,– Euro
die Wolle kostet je nach Schafthöhe zwischen 4,– und 6,– Euro

Dann liegen wir bei rund Euro 35,– für ein Paar Socken.

Verkauft werden selbst gestrickte Socken in einer Preisklasse zwischen 10,– und 15,– Euro.

Der Lohn für 6 Stunden stricken liegt somit bei 6,– und 9,– Euro, umgerechnet sind das zwischen 1,– und 1,50 Euro pro Stunde.

Ich will Euch gar nicht weiter mit Rechenspielen nerven. Alle, die selbst stricken wissen, dass diese Arbeit im Grunde unbezahlbar ist.

Der Preis unserer Kleidung

Das sind nur Beispiele, man könnte die selben Rechenaufgaben auch mit Näherinnen machen, die ihre selbst genähten Taschen oder Upcycling-Kleidungsstücke verkaufen.

Wir müssen also gar nicht nach Bangladesh schauen um im Bereich der Kleidung unterbezahlte Arbeitkräfte zu finden, auch hier bei uns wird viel zu wenig dafür bezahlt!

Würdest Du für für 1,– Euro pro Stunde und somit 160,– Euro pro Monat arbeiten gehen???

Der Wert unserer Kleidung

Wenn man für ein T-Shirt für 3,– Euro bezahlt, dann hat es einfach keinen Wert. Sollte die Naht aufgehen, wird es nicht genäht/repariert sondern sofort weggeworfen und landet im Müll.

Untrennbar mit dem geringen Preis verbunden ist also, dass wir den Wert der Kleidung nicht mehr zu schätzen wissen.

Der Kleidung die Wertschätzung zurück geben

Durch einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema “Bekleidung”, gebe ich sowohl der Kleidung als auch denjenigen, die die Kleidung herstellen, die Wertschätzung zurück.

Der selbst gestrickte Schal, die selbst genähte Tasche, die warmen Wintersocken – ich habe ein Verbindung zu meinen Kleidungsstücken, wenn ich sie selbst anfertige.

Aber mit genau dem selben Respekt und der selben Wertschätzung sollten wir auch allen anderen Kleidungsstücken begegnen, die von vielen Menschen auf allen Teilen der Erde für uns gefertigt werden.

Vor allem aber sollten wir bereit sein, einen fairen, angemessenen Preis für Kleidung zu bezahlen.

Ich stelle noch einmal die Frage:

Würdest Du für für 1,– Euro pro Stunde und somit 160,– Euro pro Monat arbeiten gehen??? Die Näherinnen in Bangladesh bekommen noch nicht einmal das, ihr Monatslohn beträgt rd. Euro 30,– bei Kosten für den Wohnraum in fast der selben Höhe…

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