Das "vorindogermanische Substrat" in der Sprachforschung
- Neue Anstöße durch die Ancient-DNA-Forschung
Daß die Germanische Substrathypothese von der Mehrheit der Wissenschaftler heute nicht mehr vertreten wird, ist dem Autor dieser Zeilen bislang ganz entgangen (1). Noch in seinen neueren Video's hat er gelegentlich als Beispiel den Ausdruck "Weib" als vorindogermanisches Substratwort gebracht.
Der Sprachforschung sind aber dennoch durch die Ergebnisse der Ancient-DNA-Forschung der letzten drei Jahre ganz neue Fragen aufgegeben. Wenn bis zum Mittelneolithikum anatolisch-neolithische Bauernvölker bis hoch nach Skandinavien und England lebten, dann stellt sich ja die Frage, welche Sprachen die gesprochen haben können.
Die neuen umwälzenden Ergebnisse der Ancient-DNA-Forschung sollten also auch der Erforschung der Geschichte der Sprachen in Europa und in der Welt kräftigste neue Anstöße geben. Denn wenn man sich bewußt macht, daß es einen ethnisch-genetischen Zusammenhang der Trichterbecherleute mit allen neolithischen Kulturen Europas gibt, der zurück reicht bis zu dem ersten anatolisch-neolithischen Bauernvolk um 6.500 v. Ztr., dann wird man zunächst einmal annehmen können, daß es eine ähnliche Sprachverwandtschaft zwischen den vorindogermanischen Völkern in Europa gegeben hat wie zwischen den heutigen indogermanischen Völkern.
Aber natürlich kann man auch vor-neolithischen Sprachbestandteilen in den früh- und mittelneolithischen Sprachen Europas annehmen.
Wenn die mitteleuropäischen Bandkeramiker genetisch zu über 90 % aus Nordwestanatolien stammten, wird man davon ausgehen können, daß auch ihre Sprache zumindest beeinflußt war von jener Sprache, die in Anatolien im Neolithikum üblich war.
Die "Ägäischen Sprachen"
Zeitgleich mit den Bandkeramikern hat sich von Mittelanatolien aus nach Griechenland und von dort aus nach Kreta eine Bevölkerung ausgebreitet, die viele Anzeichen dafür aufweist, daß es sich dabei um jene handelte, die später "Pelasger" genannt wurden (6). Auf Wikipedia wird "Pelasgisch" (2) zu den "Ägäischen Sprachen" (3) gerechnet, zu denen zum Beispiel auch Rätisch und Etruskisch gezählt werden.
Wenn man sich ganz vorläufig am Rätoromanischen (4, 8) orientiert, wenn man sich an die Sprache der anatolisch-neolithischen Bauernvölker und des Ötzi annähern will, wird man also zunächst am wenigsten falsch machen.
Auch wenn die "Germanische Substrathypothese" in dem Umfang, in dem sie ab 1930 vertreten worden ist, heute nicht mehr vertreten wird, wird man dennoch auf der Linie ihres Denkens im Ausschlußverfahren noch viel über zahlreiche vorindogermanischen Sprachen in Europa rekonstruieren können. Das läuft unter dem Stichwort "Vorindogermanisches Substrat" (5, 7).
Auch Ötzi dürfte noch eine vorindogermanische Sprache gesprochen haben, er ist ja auch genetisch noch vorwiegend neolithisch-nordwestanatolischer Abstammung. Und das dürfte auch für das Mittelneolithikum Frankreichs gelten, wo immer noch die neolithisch-anatolische Abstammung die überwiegenden Anteile hatte, wenn auch der einheimisch-europäische Abstammungs-Anteil größer geworden war und damit - vielleicht - auch ein sprachlicher Anteil.
Indem man darüber nachdenkt, wird einem erst wieder bewußt, was für eine immense Völkervielfalt da am Ende des Mittelneolithikums untergegangen ist.
In der Substrathypothese ist ja so schön von "Kreolisierung" die Rede. Alle unsere Sprachen sind durch "Kreolisierung" entstanden: Kinder verschiedener Muttersprache spielen auf dem Spielplatz zusammen und bilden eine neue Sprache, um sich untereinander verständigen zu können. So werden vermutlich neue Sprachen immer entstanden sein, das ist gut an der Geschichte der Kreolensprachen erforscht. Derek Bickerton ist da ein wichtiger Name, der sie erforscht hat.
/ Erster Entwurf im Jahr 2018, als solche Fragen
in der Facebook-Gruppe "Archäologie in Deutschland"
aufgeworfen worden waren./
__________________________________________________________
- https://de.wikipedia.org/wiki/Germanische_Substrathypothese
- https://de.wikipedia.org/wiki/Pelasger
- https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84g%C3%A4ische_Sprachen
- https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCndnerromanisch
- https://de.wikipedia.org/wiki/Vorindogermanisches_Substrat
- Bading, Ingo: Kossinna lacht! 2017, https://studgendeutsch.blogspot.com/2017/11/kossinna-lacht-er-lacht-und-lacht-und.html
- Alfred Bammesberger / Theo Vennemann (Hg., mit Markus Bieswanger / Joachim Grzega): Languages in Prehistoric Europe. Universitätsverlag Winter Heidelberg 2003; Rezension: https://www.donaukurier.de/lokales/eichstaett/5OETZI25-Der-praehistorischen-Sprache-von-OEtzi-auf-der-Spur;art575,325756
- Maier, Yvonne: Ötzis Sprache - Wie kommunizierten die Menschen in der Steinzeit?, 29.11.2017, https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/iq-wissenschaft-und-forschung/oetzi-sprache-steinzeit-iceman-vogel-eis-gletscher-mumie-100.html