Welche Rolle hat ein Solist?

Nach seinem letzten Auftritt im Dezember lud das Ensemble Phace nun Ende Jänner abermals Liebhaberinnen und Liebhaber zeitgenössischer Musik zu einem Konzert ein. Im Konzerthaus dirigierte Simeon Pironkoff einen Abend unter dem Titel „Brugmansia“ – Solo und Ensemble und stellte sich quasi schon im Titel des Abends die Frage nach dem solistischen Tun.

PHACE Konzerthaus

Phace war im Wiener Konzerthaus zu hören (Foto: Oliver Topf)

Als Auftakt war das 2011 entstandene Werk „Brugmansia“ von Laura Bowler zu hören, das in seinem Titel die Engelstrompete verbirgt. Und tatsächlich ist die Trompete auch jenes Instrument, welches dieses Werk maßgeblich mitbestimmt. Peter Travnik war mit Bowlers Notation quasi auf Wanderschaft, wechselte er doch im Laufe des Stückes mehrfach seinen Platz. Von ganz links außen über die Mitte bis in den rechten, hinteren Bühnenteil. Das Werk entwickelte sich nach einem dramatischen Auftakt mit hohen Geigentönen und rhythmischen Schlägen auf die Klaviersaiten des Konzertflügels sowie den tonlosen Windgeräuschen, die Travnik seinem Instrument entlockte, zu einer differenzierten Komposition, die mit Abwechslung nicht sparte. Nach dem Höhepunkt, in welchem sich das Klangvolumen verdichtete und die Dynamik zunahm, trat die Pianistin Mathilde in einen subtilen Wettstreit mit dem Trompeter. Ihr Hin- und Herdrehen der rechten Hand am Klavierstockerl war deutlich vernehmbar und begleitete die Atemübungen von Peter Travnik mit einem kompositorischen Augenzwinkern.

Der Komponist und Blockflötist Wolfram Schurig steuerte den zweiten Programmpunkt bei. „gesänge von der peripherie“ – dieser Liederzyklus bestehend aus sieben Liedern für Sopran entstand im Auftrag von Phace. Almut Hellwig interpretierte die Gesänge nach Texten von Daniela Danz (*1976) mit kraftvoller und zugleich immens geschmeidiger Stimme. Die teilweise Unverständlichkeit der Texte lag nicht an ihr, sondern an der Komposition, die sich nicht so sehr dem Wort als vielmehr dem rhythmischen Textgeschehen verpflichtet schien. Große Tonsprünge, die Hellwig häufig zu bewerkstelligen hatte, sind per se nicht dazu angetan, textverständlich zu sein – dennoch gelang Schurig mit diesem Zyklus ein beeindruckendes Werk. Das Ensemble parlierte im ersten Gesang, bei dem es um die Erinnerung an Kinderspiele ging, förmlich, oder gab für das zweite Gedicht eine unaufgeregte, ruhige Stimmung wieder. An einer Stelle, an der Hellwig von Tropfen sang, die von einem Blatt tropften, hörte man diese einzeln durch die verschiedenen Instrumente wandern und die wohl stärkste Illustrierung des Wortes konnte man am Ende des letzten Liedes mit dem Titel „was geschehen ist“ vernehmen. Bei dem allerletzten Satz „das wort kommt zurück“ – schwieg die Musik und zu hören war einzig die Sprechstimme der Solistin. Am Auffälligsten waren die unterschiedliche Dynamik und die differenzierte Rhythmik, mit welchen Schurig die verschiedenen Gedichte vertonte. Er selbst schrieb dazu: „Meine Aufgabe bestand in erster Linie darin, die rhythmisch-melodische Substanz der Gedichte in eine musikalische Notation zu übertragen.“

Nach der Pause erklang Ricardo Nillnis „Concerto liquido“ als Uraufführung – ebenfalls ein Kompositionsauftrag von Phace. Der Komponist beschreibt das Konzert als Entfaltung von musikalischen Figuren in einem Raum von variabler Ausdehnung. Was sich als einfache Ausgangslage präsentiert – mit einem Anstoß des Saxophons, das Lars Mlekusch spielte, entwickelte sich zu einem dichten Geflecht von kleineren Sequenzen, die ab- und umgewandelt wurden, durch die einzelnen Instrumente wanderten, sich aber trotz aller Veränderung an gewissen Stellen als konstant bewiesen. Ähnlich wie bei der ersten Komposition von Bowler, nahm das Stück in seinem Mittelteil Fahrt auf. Neben dem rhythmischen Einsatz der Streicher an dieser Stelle zeigte sich auch der Klavierpart wesentlich vehementer, um sich schließlich wieder zu beruhigen. Sosehr das Saxophon als Ideengeber zu Beginn fungierte, ordnete es sich im letzten Teil dem Geschehen eher unter. Ein interessanter Ansatz der Behandlung eines Soloinstrumentes.

Den Abschluss bestritt Michael Jarrell mit der Komposition „Modifications“ für Klavier und Ensemble aus dem Jahr 1987. Mathilde Hoursiangou war dabei als Solistin am Flügel in Bestform zu erleben. Das anspruchsvolle, sehr orchestral angelegte Werk, fordert gleich zu Beginn die Pianistin mit einer ganzen Reihe von kräftigen Läufen. Die Heftigkeit, die sich genauso im Ensemble zeigt, endet abrupt, um aber sofort wieder Fahrt aufzunehmen. Der sich anschließende ruhigere Teil ist wesentlich dunkler gefärbt. Einzelne Stimmen lässt Jarrell immer wieder aus dem Geschehen heraustreten, um schließlich wieder in einen furiosen Klavierpart zu münden. Das Solo zeigt sich dann unerwarteterweise wesentlich klarer und einfacher. Die kleine Melodie, bestehend aus vier bis sechs Tönen, wird langsam zerlegt und abgewandelt. Doch wie schon zuvor bedeutete dieser Teil nur ein Atemholen vor einer Kaskade von Läufen, dem das Ensemble relativ homogen folgt. Der Schluss besteht nicht aus einer technisch brillanten Passage – sondern wiederum aus fünf ganz einfachen Noten, welche von der Pianistin quasi als conclusio gespielt werden. Ein interessantes und mitreißendes Stück, das wie alle anderen zuvor auch schon von Simeon Pironkoff unaufgeregt aber umso perfekter am Pult unterstützt wurde.


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