Der Klang der Lüge
Liv Winterberg
dtv, 2014
978-3423260183
16,90 €
Ein bunter Reigen von vielen verschiedenen Protagonisten bekommt der Leser hier vorgestellt. Was mich meistens an historischen Romanen stört, ist, dass ich die meisten Namen sofort wieder vergesse und es mir immer viel zu viele sind. Aber in diesem Roman ist das Pensum an Protagonisten recht überschaubar.
Am Anfang sind es Alissende und ihre Mitstreiter, die ich zuerst kennenlerne. Alissende interessiert mich dabei am meisten, denn auch wenn sie völlig abgemagert ist, strahlt sie irgendwie. Das habe ich sofort gemerkt. Sie ruht in sich und auch wenn sie Angst hat, um ihr Leben oder ihre Freunde, behält sie die Ruhe immer bei. Sie ist eine tolle Erweiterung für das Dorf, nicht nur, weil sie immer mit anpackt und es später noch eine kleine Liebesgeschichte geben wird. Aus ihren Augen die damalige Welt zu sehen, ist nie langweilig und eintönig, denn Alissende erfreut sich auch an einem hübschen Vogel.
Die Menschen im Dorf sind alle detailliert dargestellt und haben einen festen Stand in dem Gefüge des Dorfes. So ist es einfach sie an ihrer Arbeit und ihrem Stand wiederzukennen, falls am Anfang die Namen noch nicht so sitzen. Die Familie, die Alissende aufnimmt, besteht aus einer netten, alten Frau, dem Dorf-“Bürgermeister” und einem gewitzten Jungen, den ich in mein Herz geschlossen habe. Die vielen verschiednen Charaktere ergeben ein buntes Bild und jeder hat seine Eigenheiten.
In kurzen, aber mysteriösen und bösen Kapiteln kommt noch ein Kirchenherr ins Spiel. Zuerst bin ich sehr überrascht, aber dann mag ich diese Zwischenschübe. Er hat einen wirklich, wirklich bösen Charakter.
Die sommerliche Kulisse hat perfekt zum jetzigen Wetter gepasst! Die Umgebung wird sehr schön und bildlich beschrieben, sodass ich mir alles gut vorstellen kann. Außerdem achtet die Autorin auch auf Kleinigkeiten, wie den Stand der Sonne, Dachbalken eines Hauses oder grüne Blätter ;) Dadurch bekommt Sériol etwas verträumtes und wenn ich könnte, würde ich dieses Dorf selbst gerne einmal sehen.
Mit den Katharern habe ich mich schon freiwilig in der Uni beschäftigt. Ich war fasziniert von ihrem verfolgten Leben, aber auch ihrer Religion. Ihr Leben war eigentlich immer in Gefahr und so lebte diese Glaubensgemeinschaft, wie viele andere Gemeinschaften auch, immer im Verborgenen und auf der Flucht.
Auch in diesem Roman geht es darum Geheimnisse zu bewahren und die haben auch etwas mit den Katharern zu tun. Es hat mir sehr gut gefallen, wie das einfache Leben von Alissende mit so etwas großem wie Ketzerei verbunden wird. Es gibt Augenblicke da konzentriere ich mich nur auf ihre Geschichte und ihre Gefühle. Aber dann rückt Liv Winterberg alles etwas näher zusammen und ich sehe den großen Zusammenhang in ihrem Roman.
Verfolgt zu werden und dann Schutz zu finden – Menschen zu vertrauen und dann enttäuscht zu werden – das ist so ziemlich die Essenz des Romans. Dabei ist nie alles schwarz und weiß und ich möchte meinen, jeder der jemanden verrät, bereut es später. Ode verrät vielleicht keiner aus dem Dorf jemanden? Es ist ein Spießrutenlauf, und das nicht nur für Alissende und ihre Gefühle. Ich hatte ein paar Mal den Verdacht, wer es sein könnte, aber am Ende überrascht die Autorin mich schon ein bisschen.
Dieser Roman ist wieder genau die richtige Mischung aus wahrer Geschichte und Erdachtem, sodass ich mich einfach fallen lassen konnte – in Alissendes Arme und in die Gedanken der Autorin. Ich weiß, dass es historische Romane gibt, die bestimmt näher an der Realität sind oder viel mehr Personal haben und schwerer zu lesen sind, aber ich bin froh, dass ich eine Art von historischem Schmöker gefunden habe, den auch ich mag und wirklich gerne lese.
Die Farbgestaltung bei Winterbergs Bücher ist immer sehr ähnlich. Ich mag die erdverbundenen Farbtöne, die Vögel und die Blätter auf dem Cover. Nebeneinander sehen die Bücher einfach top aus, obwohl das nur das i-Tüpfelchen ist.
Liv Winterberg hat mich wieder einmal begeistert. Mit ihrer leichten, aber sehr ernsten Art zu erzählen, entführte sie mich in ein schönes Dorf mit viele Geheimnissen. Auch ihre Protagonistin habe ich gleich in mein Leserherz geschlossen. Ich freue mich auf noch mehr Romane von dieser Autorin und empfehle ihre Romane auch für Einsteiger in den historischen Roman.