Das eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI urteilt über den Reaktordruckbehälter im AKW Mühleberg, ohne die Resultate des Prüfberichts zu kennen.
Der Stahl für den Druckbehälter in Mühleberg stammt aus der gleichen Schmiede wie derjenige in Doel-3, ist sechs Jahre älter – und weist bereits einen Riss auf. Die BKW liess deshalb im Sommer 2012 anlässlich der Jahresrevision eilends eine zusätzlich Untersuchung des RDB durchführen.
Das Urteil des Nuklearsicherheitsinspektorats zu dieser Untersuchung kam sehr schnell: Bereits am 31. August teilte die Behörde mit: «ENSI bestätigt guten Zustand des Reaktordruckbehälters des Kernkraftwerks Mühleberg.»
Den Prüfbericht, auf den es sein Urteil stützte, wollte das ENSI jedoch wegen angeblichen «Geschäftsgeheimnissen» nicht herausrücken. Der Beobachter gelangte deshalb an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDOEB), und dieser hat nun eine Empfehlung – sein stärkstes Rechtsmittel – abgegeben: Sowohl der Bericht als auch das Prüfprotokoll als auch der ausführliche Prüfbericht seien dem Beobachter auszuhändigen.
Die achtseitige Empfehlung ist nicht nur wegen der Erkenntnis des EDOEB brisant, dass das ENSI gegenüber dem Beobachter die Existenz eines detaillierten Prüfberichts verschweigen wollte. Irritierend ist vor allem die Argumentation des ENSI. Der Prüfbericht sei vom Schweizerischen Verein für technische Inspektionen erstellt worden und befinde sich nicht im Besitz des ENSI, argumentiert die Aufsichtsbehörde.
Wie bitte?
Falls die Angaben des ENSI mehr sind als eine Schutzbehauptung, um den Bericht nicht herausrücken zu müssen, so heisst das letztlich nichts anderes, als dass das ENSI dem AKW Mühleberg rein aufgrund von Angaben von Dritten (die zudem von der Mühleberg-Betreiberin BKW bezahlt wurden) eine Unbedenklichkeitserklärung ausgestellt hat – ohne den entsprechenden Bericht selber zu prüfen.
Besagten Bericht hat der Beobachter übrigens immer noch nicht erhalten. Stattdessen kam ein eingeschriebener Brief aus Brugg: «Die Behörde erlässt wenn sie in Abweichung einer Empfehlung das Recht auf Zugang zu einem amtlichen Dokument einschränken, aufschieben oder verweigern will. Es wird zu prüfen sein, ob das ENSI in diesem Sinn verfügen wird.» Anders gesagt: Das ENSI will weiter bocken.
Der belgische Reaktor Doel-3, dessen Probleme die Messungen in Mühleberg überhaupt erst ausgelöst hatten, steht im übrigen seit Ende März wieder still. Zusätzliche Tests am Reaktordruckbehälter hatten «unerwartete Resultate» ergeben.
Der Artikel auf beobachter.ch