„Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen. ” (Goethe, Faust)
Der Flughafen Entebbe liegt direkt am Victoria-See, knapp 50 km von Kampala, der Hauptstadt Ugandas, entfernt. Der Name ist seit meiner Kindheit mit der dramatischen Befreiung eines entführten Flugzeugs durch israelisches Militär 1976 verknüpft. Auch der Taxifahrer, der damals wohl noch nicht geboren war, weiß davon. „Die Israelis haben nur 20 Minuten gebraucht”, sagt er bewundernd. So kommen wir auf den Diktator Idi Amin zu sprechen, der die Entführer unterstützt hatte. Der Taxifahrer kennt noch weitere Geschichten über Idi Amin: Er befahl den indischen Händlern, innerhalb von 48 Stunden das Land zu verlassen, und ruinierte damit die Wirtschaft seines Landes. Als der Direktor der Zentralbank ihm kein Geld mehr geben konnte, ließ er ihn kurzerhand umbringen.
Unter solchen Erzählungen kommen wir zum Gästehaus der Mill-Hill-Missionare, einem wunderschön ruhigen, friedlichen Haus. Dort lerne ich Birgit und Hener kennen, die in Juba im Südsudan als Entwicklungshelfer arbeiten. Für Heiligabend hatten sie ihren Flug nach Kampala gebucht, um Weihnachten bei den Mill-Hill-Missionaren zu verbringen. Am 19.Dezember aber bekamen sie die Nachricht, dass alle Deutschen wegen der Kämpfe aus dem Südsudan evakuiert werden, am 20. mussten sie morgens um 7 Uhr am Flughafen sein, mit nur 8 kg Gepäck pro Person. „Are you scared ?”, fragt die freundliche Irin beim Frühstück und meint, ob die beiden Angst haben, wieder zurückzukehren. Henner versteht die Frage falsch und antwortet, „Ja, wir machen uns Sorgen um unsere Kollegen und die Schüler dort.” Sie stehen über Handy mit Juba in Verbindung und wollen so schnell wie möglich zurück, wenn sich die Lage dort beruhigt hat. Birgit setzt mir auseinander, dass die Stämme immer schon gegeneinander Krieg geführt haben, aber leider jetzt durch die modernen Waffen der Blutzoll um ein Vielfaches gestiegen ist, und gleichzeitig frühere Tabus nicht mehr gelten, was bedeutet, dass heute auch Frauen und Kinder getötet werden. Ich frage sie, ob sie Soziologie studiert hat, weil sie so analytisch an ihre eigenen Erfahrungen herangehen kann. Sie verneint, aber sie will verstehen, aus welchen Gründen Menschen so handeln. Ich finde das sympathisch, denn sie bleibt nicht bei einem billigen Klischee stehen („Die dahinten in der Türkei schlagen sich schon wieder die Köpfe ein”), sondern sie will die Menschen verstehen, mit denen sie lebt. Und trotz der schlechten Erlebnisse (dass Henner seine Spiegelreflexkamera in Juba zurücklassen musste, erregt mein besonderes Mitgefühl) sind die beiden überhaupt nicht frustriert, weil sie eine Beziehung zu den Kollegen und Schülern dort aufgebaut haben, eine Erfahrung, die ich so ähnlich im letzten Artikel beschrieben habe.
Weit hinten in der Türkei
Autor des Artikels : rsk6400
Zum Original-ArtikelErlebnisse eines deutschen Mönchs im Alltag auf Kuba.