Heute geht es einmal nicht um Hundefutter. Heute geht es ums „Wissen“…
Kennst du das?
Du bist in einer Facebook-Gruppe, in der es um Hundeerziehung geht. Ein Mitglied, das mit seinem Hund Probleme hat, stellt eine Frage und bittet um Hilfe. Wie aus dem Nichts erscheinen sie, die vielen Antworten der Experten, die ihre Hilfe in Form von Ratschlägen anbieten:
- Experte A: „Dein Hund nimmt dich nicht ernst. Du musst ihm zeigen, wo es lang geht. Du bist sein Chef!“
- Experte B: „Ach was, Chef!!! Nee, der vertraut dir nicht! Du musst sein Vertrauen gewinnen, dann klappt das auch.“
- Experte C: „Alles eine Sache der Beziehung! Beziehung ist das Zauberwort!“
- Experte D: „Ich sage nur Klicker!! Kauf dir einen Klicker, damit kannst du deinen Hund total easy erziehen, kannst ihm alles beibringen!“
- Experte A: „Klicker!! Was soll das denn? Einen Hund erzieht man nicht mit einem Knallfrosch! Deine Stimme reicht da völlig! Du musst nur so rüberkommen, dass er dich ernst nimmt.“
- Experte B: „Achso … bist du etwa ein Fan von Rudelführern? Es gibt keine Rudel in der Mensch-Hund-Beziehung! Und schon mal keinen Rudelführer! Fehlt nur noch, du sagst, man muss den Hund bestrafen … Hunde sind unsere Freunde, nicht unsere Untergebenen!!“
- Experte D: „Mit Klicker schaffst du alles! Glaub mir, ich habe genug Erfahrung! Hab seit 185 Jahren Hunde!! Alle mit Klicker erzogen! Wer seinen Hund ordentlich erziehen möchte, der arbeitet mit Klicker. Ist die beste Methode.“
- Experte B: „Ein Klicker schafft aber kein Vertrauen, genauso wenig wie ein Herrchen, das seinen Hund anschimpft. Am besten arbeitest du mit positiver Verstärkung!! Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse beweisen, dass Hunde so am schnellsten lernen.“
- Experte A: „Positive Verstärkung … ich lach mich schlapp. Das sind die, die ihre Kinder antiautoritär erziehen … Hunde verfügen durchaus über die Fähigkeit, kognitiv oder gar komplex zu lernen. Die sind nicht blöd! Aber das wichtigste ist, dass DU der Chef bist für deinen Hund. Dann ist die Erziehung reine Zauberei.“ …
Manch einer, der diese Diskussion verfolgt, fragt sich wohl mit Recht, woher die „Experten“ das denn alles so genau wissen …und … wenn sie es so genau wissen, wieso es dann so unterschiedliche Meinungen gibt …
Die junge Frau, die das Problem hatte, verzweifelt, weil sie nun genauso schlau ist wie vorher. Wem soll sie bloß glauben? Wer hat recht? Welche Tipps machen aus ihrem ungehorsamen Hund einen gehorsamen Hund? …
„Experten“ gibt es wie Sand am Meer …
Heutzutage gibt es sehr viele solcher Experten. Und viele solcher Diskussionen. Ist auch kein Wunder, denn wir sind so dermaßen vernetzt, auf eine Frage kann man sich an unzähligen Stellen Antworten suchen. Entsprechend gibt es auch viele „Experten“, das WWW ist voll davon.
Was natürlich zunächst einmal nichts Schlechtes ist: Menschen, die sich durch Erfahrung und Lektüre viel Wissen angeeignet haben und die zudem sehr hilfsbereit sind und anderen, die nicht so viel „wissen“, unter die Arme greifen wollen.
Doch sehr oft stoßen wir auf ein Problem. Es ist ein großes Problem, weil es dazu führt, dass der Austausch über die vielen verschiedenen Themen statisch wird und sich nicht mehr weiterbewegt. Es ist der Glaube, etwas zu „wissen“.
Wer glaubt, er „weiß“, der sucht nicht weiter. Er hat die Lösung ja gefunden. Er „weiß“ Bescheid und alles ist in Butter. Doch „Wissen“ ändert sich.
Wissenschaft „schafft“ Wissen!
Die Wissenschaft macht es vor, sie verändert sich ständig. Sie schafft Wissen, lässt neue Erkenntnisse entstehen, die alte überholen. Das liegt i. d. R. nicht daran, dass diejenigen, die ältere Erkenntnisse hervorbrachten, zu doof waren. Es liegt daran, dass sich alles verändert. Voraussetzungen verändern sich, Untersuchungsverfahren verändern sich, neue Ergebnisse führen zu neuen Fragen, die neue Antworten hervorbringen. So ist das mit dem Fortschritt, er bleibt nicht stehen.
„Ein kluger Mensch kann seine Meinung ändern, ein Dummkopf nie.“
… ist ein spanisches Sprichwort und schon Nietzsche wusste:
„Der denkende Mensch ändert seine Meinung.“
Es ist wichtig, dass man am Ball bleibt. Dass man es nicht bei einer Antwort belässt, sondern dass man weiter neugierig bleibt, weiter fragt, weiter zuhört. Es kann sein, dass das, was ich glaube zu wissen, überholt ist, weil es andere, neuere Erkenntnisse gibt.
Denn …
Glaube keinem, der felsenfest von seinem „Wissen“ überzeugt ist!
In Untersuchungen hat man festgestellt, dass Menschen, die weniger intelligent sind, eher dazu neigen, ihr Wissen und ihre kognitiven Fähigkeiten zu überschätzen. Klügere Menschen hingegen sind viel eher gewillt, neue Perspektiven und Blickwinkel kennenzulernen und über ihren Tellerrand hinausschauen. Sie wollen nicht recht haben, sie wollen dazulernen.
Das ist fatal. Denn es bedeutet, dass gerade diejenigen, die am vehementesten darauf bestehen, die einzig wahre Antwort zu kennen, die Antwort vielleicht gar nicht kennen.
Neugier siegt!
Andererseits hat man festgestellt, dass Neugier ein mindestens so wichtiger Faktor wie Intelligenz ist, wenn es um Lernen und Wissen geht. Ein durchschnittlich kluger Mensch kann in Wissensabfragen genauso gut abschneiden wie ein hochbegabter, wenn er entsprechend wissbegierig ist. Wer neugierig ist, der stellt Fragen. Der hört zu. Nimmt auf. Stillstand hat da keinen Platz.
Wissen ist kein Wettbewerb!
Bei all den Fragen, die sich stellen können, sei es im Bereich Hundeerziehung oder Hundeernährung oder auch in ganz anderen Bereichen geht es nicht darum, wer Recht hat. Es geht darum, die richtigen Antworten zu finden. Immer wieder neu, denn es verändert sich ständig etwas.
Albert Einstein war ein kluger Mann. Trotzdem dachte er von sich selber, dass er nicht genug weiß. Das liegt daran, dass je mehr man weiß, desto mehr neue Fragen stellen sich und desto mehr wird man sich darüber bewusst, was man alles nicht weiß.
Deshalb dürfen wir nie denken, wir wüssten ES. Es ist wichtig, in Diskussionen zuzuhören, sich auszutauschen, nachzufragen, zu lernen von den anderen. Nur so können wir die bestmöglichen Ergebnisse erzielen und immer wieder neu definieren, was zum gegebenen Zeitpunkt unter den jeweiligen gegebenen Umständen das Beste ist.
Bleibe neugierig, denn Neugier macht klug. Wissen entsteht durch Neugier, nicht durch den Glauben zu wissen. Glauben ist nicht wissen und wie schon Isaac Newton sagte:
„Was wir wissen, ist ein Tropfen; was wir nicht wissen, ein Ozean.“