Seit ein paar Monaten habe ich durch Facebook hin und wieder Kontakt mit einem Mann, den ich mit 13 – als er selbst auch noch ein Junge war – gekannt hatte. Inzwischen ist auch er verheiratet, hat Familie und lebt ein völlig anderes Leben als ich. Dennoch kam es dazu, das wir so eine Art “Brieffreundschaft” pflegen. Die Tatsache, dass wir uns mit 13 kannten und seitdem nicht mehr gesehen haben (also auch keine weiteren Entwicklungsschritte voneinander mitbekommen haben) ist irgendwie schräg und wie niemand sonst erinnert er mich daran, wie ich war als junges Mädchen…
Ich kann mir heute kaum noch vorstellen, wie das war damals und wenn ich mich daran erinnere, wie ich war, was ich gedacht und gemacht habe, was ich geglaubt und gewollt habe. Wie ich mich benommen und was ich bekommen habe… Was ich mir vorstellte und wie ich mich fühlte… muss ich schmunzeln und manches mal schäme ich fast ein bisschen. Aber auch nur fast – denn all das ist schon lange her und ich kann daran sehr gut erkennen, was “Entwicklung” wirklich bedeutet.
Wir alle handeln in jedem Moment unseres Lebens immer so, wie es uns richtig und sinnvoll erscheint – Dinge, die wir mit 15 oder 20 gemacht haben, würden wir heute vermutlich nicht mehr tun – aber auch nur deshalb, weil wir durch die Erfahrungen der Vergangenheit (hoffentlich) etwas gelernt haben. Wir hätten diese Lehren jedoch nicht erfahren können, hätten wir diese Entscheidungen nicht getroffen und diese Erfahrungen nicht gemacht.
Mich hat einmal jemand gefragt, woher ich all das weiß, was ich weiß – und es ist ja nun nicht wenig… Natürlich habe ich viel gelesen, ich habe studiert, Aus- und Weiterbildungen absolviert – aber am wichtigsten von allem ist: Ich habe mich nie vor einer Erfahrung gedrückt. Ich war schon immer dafür, alles mögliche einfach auszuprobieren, denn nur so kann ich wissen, wie es ist. Und ich habe irgendwann – und das ist sehr wichtig – aufgehört, anderen die Schuld an meiner Situation zu geben. Als mich mit Ende 20 mein langjähriger Partner plötzlich von einem auf den anderen Tag verließ, war ich zunächst unglaublich verzweifelt, ich war wütend und ich war auch sehr verängstigt: Ich hatte meine Heimatstadt seinetwegen verlassen, in Hamburg kannte ich damals nur seine Freunde, ein paar Kommilitoninnen und ein paar Arbeitskollegen. Ich war kurz vor 30 und dachte mir, es würde mindestens 2 Jahre dauern, bis ich wieder eine echte Beziehung mit jemandem haben könne und dann würde es mindestens noch mal 3 Jahre dauern, bis man bereit wäre zum Beispiel auch Kinder zu bekommen. Und dann wäre ich immerhin schon fast 35… das war damals – mit kurz vor 29 – ein echtes Horrorszenario…
Und dann – dann fand ich innerhalb einer Woche eine nette, kleine Wohnung in meinem Lieblingsstadtteil, neue Freunde, erst eine aufregende, sexuell unglaublich inspirierende Affaire und dann einen liebevollen Partner. Und dann verlor ich meine Job… und wieder war ich zunächst unglaublich verzweifelt, ich war wütend und ich war auch sehr verängstigt: Ich hatte drei Jahre lang quasi fast Tag und Nacht für diese Firma gearbeitet (und nebenbei noch studiert). Ich hatte noch nie meinen Job verloren und fühlte mich wie ein Versager (auch wenn diese Firma damals fast alle Mitarbeiter entließ und es nicht um meine Leistung ging). Ich wusste nicht wohin mit mir, was ich tun sollte. Alle Firmen entließen Leute meiner Art und es gab einfach keine Jobs…
Und dann – dann machte ich eine Ausbildung zum Coach und gründete mein eigenes Unternehmen… und so weiter und so weiter… immer wieder kam auch ich an diesen Punkt an dem ich zunächst unglaublich verzweifelt, wütend und auch verängstigt war und sein würde. Und immer wieder sind wunderbare Dinge passiert, die ich mir damals – mit 13 – noch nicht einmal ansatzweise hätte vorstellen können.
Doch eine Sache dabei ist ganz wichtig für mich geworden: Dass ich mich nicht damit aufhalte, die Menschen mit Schuld zu beladen, die mir “geholfen” haben, in diese zum Teil sehr unbequemen Situationen zu kommen. Jeder von ihnen hat das getan, was ihm aus seiner Sicht und in seiner Situation richtig und sinnvoll erschien. Das hat mir nicht immer gefallen – aber es hat mich weitergebracht, denn ich habe stets nur ein paar Tage zurückgeschaut und geklagt, gejammert und gewütet und dann bin ich aufgestanden, habe mich geschüttelt und mich gefragt: Okay, wie geht es jetzt weiter? Welche Chancen bietet diese Situation?
Und ich habe einfach getan, was jetzt möglich war und vorher nicht.
Und ich bin sehr froh darüber.
Aus all diesen Erfahrungen habe ich gelernt, ich habe für mich selbst gelernt und auch für meinen Beruf. Ich bin reifer geworden, ich bin sogar ruhiger geworden… ich werde dieses Jahr 39 – und ich erinnere mich mit Schmunzeln daran, wie ich mit 19 schon dachte, dass ich ein ganz helles Köpfchen sei und wisse, wie “der Hase läuft”. Und ich vermute, ich werde mich in 20 Jahren, mit 59 schmunzelnd daran erinnern, wie blauäugig und dämlich ich manchmal mit 39 war…
Und dennoch bin ich froh darüber… sehr froh.
Ich wünsch Dir dasselbe!