Weinprobe in Mendoza

Man sagt ›ein Bild sagt mehr als 1000 Worte‹. Die Bilder der Anden haben meine Reisebegleitung Sebastian überreden können. Wir reisten folglich nach Mendoza, die am Fuß der Andenkordillere liegende Hauptstadt der gleichnamigen Region. Der Ort wird manchem Weinkenner bekannt sein, baut man hier den Malbec – eine alte Französische Rebsorte – an. Wer schon mal hier ist, der macht eine Fahrradtour durch die Weingüter … meine Alkoholdiät umfasste also eine ähnliche Zeitspanne wie der Lebenszyklus der Ephemeroptera.

Im Gästehaus lernten wir am Frühstückstisch, bei geröstetem Brot, Konfitüre und schwarzem Kaffee, Thomas kennen, einen 20-jährigen Jungspund, der bereits seit einem halben Jahr durch Südamerika reist, wo er sich unter anderem auf einer Farm in Paraguay als Gaucho und in Uruguay als Schreiner verdingte. Mit dem Bus fuhren wir nach Maipú und gingen zu einem uns empfohlenen Fahrradverleih. Fährräder bekamen wir nicht sofort. Dafür Rotwein Marke ›Château Migräne‹, von dem freundlichen Besitzer Mr. Hugo, einem betagten Mann mit Bauch und grauem Haar. Der Wein war fürchterlich, was meine Wenigkeit jedoch nicht davon abhielt nach einem zweiten Becher fragen. Und auch nicht davon nach einem Dritten. Bevor ich nach dem Vierten … radelten wir los, unter Kastanien und Buchen-Alleen, die sich noch ein letztes Mal ihn ihrer Pracht zeigten. Die ersten goldenen Laubblätter lagen bereits zu Haufen gekehrt. Im Ort roch es nach vergorenen Trauben. In einer geschlossenen Kette, weit mehr als 200 Kilometer entfernt, und dennoch imponierend, lagen die Anden. Der Aconcagua, der höchsten Berg der westlichen Hemisphäre, ragte schneebedeckt weit über Allen. Verdorrte Olivenbäume säumten unseren Weg. Sebastians Kopf ging hin und her. An einer Rebenplantage hielten wir. Der fast 7.000 Meter hohe Aconcagua fesselte uns – ohne uns zu berühren. Das erste Weingut bot Wein an, und Essen, nur aber keine Führung. Wir radelten weiter.

Auf dem Weingut der Familie Di Tommaso stoppten wir abermals. Da wir noch Zeit vor der Führung hatten, rasteten wir unter einem Olivenbaum und aßen Käsebrote und Obst. Eine junge untersetzte Mitarbeiterin erklärte uns, anschließend in einem Rundgang, die Geschichte der Kellerei und wichtige Prozesse zur Herstellung von Wein. Beim Abstieg in den Weinkeller berührte ich die Mauern eines steinern Tanks. Seine Oberfläche fühlte sich ganz weich an und, mit dem Wissen das hier Jahrhunderte lang Wein gelagert wurde, glaubte ich auch Nässe zu fühlen. Die anschließende Weinprobe: Die Vinifikation ist das Schreiben einer Ode an die Natur. Das Trinken von Wein ist das Lesen in einem Buch. Bemerkenswert, wie lange ein jeder Schluck den Geist füttern kann und wie diffizil jeder einzelne Schluck ist. Mit jedem Tropfen mehr löst sich das Herz und schwappt auf die Zunge. Wein – das Brot des Trinkers und Müsiggängers. Und jetzt, da ich mich an Vorgestern erinnere, entkorkt meine Sehnsucht einen Malbec aus San Juan. Es ploppt. Der Malbec alles in allem schmeckte nach Pflaumen und Blaubeeren, beim Glas schwenken erinnert das Bouquet an Holz und Tabak, bittere Schokolade. Und je öfter man schwenkt und den Geist berauscht, umso mehr glaubt man, im Wein zu erkennen. Zum Abschluss der Weinprobe schenkte uns die Mitarbeiterin den Albina Di Tommosa ein. Auf dem Etikett der schlanken Flasche, in der der Mörder der Vernunft gefangen war, prangte das Abbild einer Großmutter der italienischen Winzer-Familie, die einst diesen Likör, vor über 150 Jahren, in ihrem Kämmerlein brannte.

Leicht bedusselt beendeten wir unsere Wein-Tour in einem Wein-Museum. Ich staunte über all die Utensilien, die zur Weinherstellung notwendig sind. Ihre Vielfalt und Zahl erinnerte mich an die Farben, die ein Maler für seine Gemälde braucht. Im Museum schenkte man uns ein letztes Glas ein, ohne jedoch zu erklären, was wir da eigentlich tranken. Wir vermuteten, dass das an unserem Äußeren lag: Leicht betrunken, verschwitzt – ich mit Bandana – in kurzen Hosen und Staub auf den Hemden traten wir nicht unbedingt wie die solventeste Kundschaft auf.

Zurück bei Mr. Hugo, bat ich um einen weiteren Becher. Abends im Gästehaus, Thomas legte sich gleich ins Bett, verbrachten wir den Abend mit zwei reizenden jungen Frauen aus den Niederlanden. Am nächsten Tag sollten sie nicht mehr mit uns reden wollen. Houbi bemerkte ›Niveau ist keine Handcreme‹.


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