Weihnachtskoller

In diesem Leben werde ich kein Freund mehr von Weihnachten mit kleinen Kindern. Der Weihnachtskoller hat voll zugeschlagen. Die Kita hat 2 Wochen geschlossen und wir hocken 24 Stunden am Tag aufeinander. Natürlich versuchen wir viel zu unternehmen, aber das ist erstens wetterabhängig und zweitens bedeutet das nur Abwechslung, nicht Freiraum. Da wir in Anbetracht der Kinder seit Jahren jegliche turbulenten Besuchsorgien vermeiden, sämtliche Freunde aber verständlicherweise mit ihren jeweiligen Familien feiern, sind wir über die Weihnachtstage jedes Jahr komplett auf uns zurückgeworfen. Das bedeutet: Einsatz nonstop, keine Pause, das Haushalts-Hamsterrad dreht sich permanent und die Kinder werden immer lauter und wilder aufgrund des Mangels an externem Kinderentertainment (Kita, Freunde). Ein fataler Kreislauf. Unsere Nerven liegen blank und man wünscht sich insgeheim einen Job, wo man an Feiertagen arbeiten muss...
Rückblick:
Unsere Weihnachten, seit wir Kinder haben, sind eigentlich nie so verlaufen, wie wir es uns gewünscht und vorgestellt hatten. Das 1. Weihnachten (2011) mit dem Großen, damals knapp 10 Monate alt, stand durch die Schwierigkeiten mit ihm sowieso unter keinem guten Stern. Er schlief zu dem Zeitpunkt nur im fahrenden Kinderwagen ausreichend lange, so dass am Vormittag des 24. Dezember mein Mann mit ihm 2 Stunden spazieren lief, während ich haushaltete und kochte, und am Nachmittag ich. Dass dies kein schöner Heiligabend war, liegt auf der Hand. Allein mit dem Kinderwagen durch den Nieselregen und die Kälte laufend, sah ich überall selige Menschen aus der Kirche kommen, fröhliche Kinder in Wohnungen unterm Weihnachtsbaum sitzen oder Paare mit Geschenken auf Besuch gehen. Ich glaube, ich habe die Hälfte der Strecke nur geweint. Zuhause machten wir dann die kleine Bescherung und das weitere übliche Programm....
Am nächsten Tag fuhren wir zu dritt zu meinen Eltern, wo es viel zu trubelig für den Großen war, was sich in einer mehrstündigen Wach- und Schreiphase in der Nacht äußerte. In einer fremden Umgebung ist das nochmal schlimmer als daheim. Am 2. Weihnachtsfeiertag hatte ich dann Migräne. Das war unser unglückliches erstes Weihnachten mit dem langersehnten Baby. Danach entschieden wir, dass wir bis auf Weiteres nicht mehr zu meinen Eltern zum Übernachten fahren. Bis heute hat sich daran nichts geändert.
Das 2. Weihnachten (2012) war insgesamt nicht ganz so durchwachsen. Der Große freute sich über seine Geschenke, aber das erhoffte stundenlange Spielen blieb aus. Am 2. Feiertag kamen meine Eltern zu Besuch und blieben 3 Tage. Am letzten Tag übernahmen sie den Großen ganztags und wir gingen in eine Ausstellung, schön essen und danach ins Kino. In meiner Erinnerung ist das der erste ganze Tag (8h), den ich wirklich "frei" von meinem Großen hatte. Er war da knapp 22 Monate alt! Er ging zwar täglich 6h in die Kita, aber die Verantwortung mal komplett abzugeben, war schon eine andere Dimension von Freiheit. Danach war ich so traurig, dass ich zuhause einen Zusammenbruch hatte. Das konnte natürlich keiner verstehen, wo ich doch gerade Zeit für mich/uns gehabt hatte. Durch das Unverständnis der Familie, die mir noch Undankbarkeit vorwarf, schaukelte sich die ganze Situation extrem hoch und gipfelte in meinem verzweifelten Ausruf: "Ich will mein altes Leben zurück!" Genauso habe ich das oft genug empfunden, aber bis man so etwas ausspricht, muss schon eine enorme Portion Verzweiflung aufgestaut sein. Meine Eltern reisten verstört ab. Ich war zu dem Zeitpunkt schon schwanger mit der Kleinen. Nach Neujahr flogen wir auf die Kanaren, was dann wiederum zwei wundervolle Wochen waren.
Das 3. Weihnachten (2013) war von der schwierigen Koordination eines Mittagsschläfers (Großer) und einer Vor- und Nachmittagsschläferin (Kleine, damals knapp 8 Monate) geprägt. Die Bescherung ging im Prinzip so vonstatten, dass jedes Elternteil sich einem Kind widmete und mit diesem zusammen die Geschenke in Augenschein nahm und bespielte. Am 2. Feiertag fuhren wir für ein paar Tage in einen kleinen Ferienpark. Das war zwar eine nette Abwechslung, wegen der ausgeprägten und kräftezehrenden Trotzanfälle des Großen aber sehr anstrengend. Ein schönes Erlebnis an diesem 3. Weihnachten war der Besuch des Roncalli Weihnachtszirkus, den ich allein mit dem Großen absolvierte. Am 2. Januar startete dann schon meine Arbeit wieder, auf die ich mich wirklich freute. Nach diesen Weihnachtstagen fiel der Einstieg nochmal leichter.
Und dieses Jahr? Bis Heiligabend hatte ich viele Verabredungen organisiert, damit die Zeit nicht zu lang wird. Seitdem sind wir nun allein. Mein Mann sollte bei einer befreundeten Familie Weihnachtsmann spielen, und als er zurückkam, machten wir unsere Bescherung. Die Kinder freuten sich zwar über ihre Geschenke, aber die große Spielwut setzte leider nicht ein. Im Gegenteil: gegen Abend waren die neuen Sachen schon uninteressant und wurden mit Füßen getreten. Wir waren ziemlich frustiert. Bedenkt man, wieviel Freizeit, Mühe und Herzblut man ins Ausdenken, Aussuchen und Besorgen der Geschenke steckt, ist das auch verständlich. Dank oder Wertschätzung kann man vielleicht noch nicht erwarten, aber zumindest erhofft man sich Lust und Freude am Beschäftigen mit den neuen Dingen. Wir hatten die Menge auch extra übersichtlich gehalten, damit es nicht zu einer Reizüberflutung kommt. Ebenso wie wir die Tage ruhig und übersichtlich gestaltet hatten. Mit jeweils einem Highlight und ansonsten viel Zeit zum Spielen. Aber die Laune der Kinder war besonders am 1. Feiertag unterirdisch. Keine Lust auf irgendwas, nichts war recht, sie terrorisierten abwechselnd sich gegenseitig und uns. Zwar beschäftigen sie sich zeitweise miteinander, aber dies bedeutete meist Piesacken und Ärgern, verbunden mit dem entsprechenden Lärm- und Stresspegel. Da sie zur Zeit nur sich selbst haben, müssen sie wohl all das ausleben, was sie sonst in der Kita geboten kriegen. Die schönen Geschenke jedoch liegen unbeachtet im Wohnzimmer.
Für meinen Mann sind der Lärm und die Unruhe das Schlimmste in diesen Tagen. Für mich sind es die fehlenden bzw. viel zu kurzen Auszeiten, die ich eigentlich bräuchte, um zu mir zu kommen und Energie zu tanken. Dies kompensiere ich, indem ich zur Zeit viel zu spät ins Bett gehe, was natürlich zu Lasten eines ausreichenden Schlafes geht. Aber der Abend ist die einzige Zeit, wo ich mal ungestört für mich bin. Ich fühle mich wiedermal extrem fremdbestimmt und freiheitsberaubt. Das macht mich innerhalb kurzer Zeit aggressiv und depressiv zugleich. Ich versuche, die meisten dieser Emotionen vor den Kindern zu unterdrücken. Aber sie werden dadurch nicht weniger. Ich weiß auch, dass es ein begrenzter Zeitraum ist. Aber wenn man unvoreingenommen bedenkt, dass mir manchmal schon ein normales Wochenende zuviel ist, dann kann man sich vielleicht vorstellen, was 16 Tage fast ohne Entlastung für mich bedeuten.
Morgen fahren wir nun für ein paar Tage weg. Ich bin froh drum. Ein Ortswechsel wird hoffentlich allen gut tun.

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