Weihnachtsgeschenke sind ökonomischer Unsinn

Gute Nachrichten für Weihnachtsmuffel und alle, die den Geschenke-Terror zum so genannten Fest der Liebe nicht ausstehen können: Weihnachtsgeschenke sind der Inbegriff dessen, was man nicht braucht und ohnehin nur eine „eine Orgie der Wertvernichtung“. Der amerikanische Ökonom Joel Waldfogel hat ein ganzes Buch über den blanken Unsinn geschrieben, der regelmäßig zum Jahresende in Einkaufszentren und Fußgängerzonen zu beobachten ist. Es heißt bezeichnenderweise „Warum Sie in diesem Jahr wirklich keine Geschenke kaufen sollten“ und ist sicherlich auch hervorragend als Geschenk geeignet, falls man noch nicht so weit ist, diesen wertvollen Rat zu beherzigen.

Waldfogel, der Professor für Angewandte Wirtschaftswissenschaften an der University of Minnesota ist, hat sich allerdings nicht nur seinen Frust von der Seele geschrieben, sondern wie es sich für einen Wissenschaftler geziemt, ernsthafte Weihnachtsforschung betrieben. Dabei trieb ihn die Frage um, wie zufrieden die Leute eigentlich mit all dem Kram sind, den sie da unter den Weihnachtsbaum gelegt bekommen. Denn bekanntlich schaut man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul. Also befragte er seinen Studenten in mehreren Erhebungen, wie viel ihnen der Krempel, den sie zu Weihnachten bekommen haben, tatsächlich wert ist, bzw. was sie denn selbst ausgegeben hätten, wenn sie sich die Socken von der Oma, die Pfanne von der Tante oder was auch immer vom Onkel hätten selbst kaufen müssen. Es stellte sich heraus, dass den Befragten ihre Geschenke durchschnittlich gerade mal 84 Prozent des Kaufpreises wert waren. Das grämt nicht nur den Ökonomen!

Weihnachtsgeschenke sind ökonomischer Unsinn

Dingen, die man nicht geschenkt haben möchte: Sinnlose Weihnachtsdeko in Berlin

Und schlimmer noch: Wenn man statt der gewünschten Espressomaschine vielleicht nur einen neuen Toaster bekommen hat, wo der alte ohnehin fast unbenutzt in der Küche steht, dann ist das Geschenk praktisch wertlos! Genauso ergeht es dem dritten Teeservice, dem praktischen Gewürzregal, wenn man nie selbst kocht oder der Goethe-Gesamtausgabe für – nun ja, die will man vielleicht nicht einmal dann haben, wenn man ein passionierter Krimileser ist. Bei solchen Geschenken wurde sinnlos Wert vernichtet, sie sind praktisch gesehen Verluste, ohne dass sich jemand damit verlustiert hat. Wohlfahrtsverlust nennt der Ökonomen das: Ein Verlust, der jemanden trifft, ohne dass zugleich jemand anders einen Gewinn damit macht. Also so ziemlich das Schlimmste, was ein Ökonom sich denken kann. Das ist wie Geld anzünden oder in den Gully werfen. Dieser Wahnsinn muss gestoppt werden!

Waldfogel legt dabei eine gewisse Ironie an den Tag, der Spaßvogel nennt sein Fachgebiet „Scroogenomics“ , nach Scrooge, dem herzlosen Geizhals aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Interessanterweise unterstellt man Menschen, die einem näher stehen, weniger Geiz, die Zufriedenheit mit dem Geschenk ist um so höher, je näher einem der Schenkende steht. Während Geschwister und enge Freunde Zufriedenheits-Erträge von bis zu 97 Prozent des tatsächlichen Geschenkwerts erreichen, kommen entfernte Tanten gerade mal auf 75 Prozent.

Und damit das Ganze auch volkswirtschaftliche Dimensionen annimmt, hat Waldvogel die Ergebnisse aus den Umfragen mit seinen Studenten auf die gesamten Vereinigten Staaten hochgerechnet. Danach hätten die Konsumenten in den USA 2007 für 66 Milliarden Dollar Geschenke gekauft und verschenkt – aber nur für 54 Milliarden Dollar Zufriedenheit damit erzeugt. 12 Milliarden Dollar wurden einfach verbrannt, weil die Leute mit ihren Geschenken weniger anfangen konnten als mit der Summe des Geldes das dafür ausgegeben wurde, wenn sie diesen denn zu freien Verfügung gehabt hätten. Ein Desaster!

Leider ist der scheinbar naheliegende Ausweg, dann doch einfach Geld zu verschenken, eine Sackgasse: Denn ein geschenkter 100-Euro-Schein erfreut den Beschenkten nur ungefähr für 80 Euro. Außerdem sind Geldgeschenke in bestimmten Kreisen Bestechung, also ist hier Vorsicht angebracht. Eine halbwegs legale und elegante Lösung sind Gutscheine: Diese erfreuen das Herz „Dreimal Müll runter bringen“ oder „Nach dem Weihnachtsessen die Küche putzen“ sind immer gern genommen. Unternehmen, die Geschenkkarten und Gutscheine ausgeben, freuen sich auch, denn 10 Prozent der ausgegebenen Summe werden nie eingelöst. Das sind zwar auch Verluste, aber die fallen weniger ins Gewicht, weil man sich in diesem Fall ja etwas aussuchen kann, das man wirklich braucht oder haben möchte, womit man am Ende dann zufriedener ist als mit den Socken oder der Pralinenschachtel.

Man kann sich aber auch entspannt zurücklehnen, auf den ganzen Stress verzichten und einfach gar nichts verschenken. Natürlich muss man dann auch damit rechnen, dass man selbst nichts geschenkt bekommt und das ist vielleicht sogar das Schönste daran: Keine falsche Freude mimen müssen, keinen Platz auf dem Dachboden oder im Keller freimachen müssen und keine langwierigen Rückgabe- und Umtausch-Aktionen. Statt sinnloser Geschenke kann man sich dann einfach mal was gönnen, was man sich schon immer mal gönnen wollte und hat dann vielleicht nicht nur 100 Prozent Geldwert in Zufriedenheit umgesetzt sondern 150 oder gar 200 Prozent. Und damit ist dann sogar der Ökonom glücklich.



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