Ein lauter Aufschrei, ein bellender Hund, große Aufregung. Ich springe auf, um zu sehen, was passiert ist. Ich sehe den Postboten am Boden liegen und daneben zwei Jungs mit ihren Fahrrädern. Einer der beiden hat den Postboten offensichtlich erwischt, so dass dieser stürzte. Ein älterer Herr ist schon herbeigeeilt. Ich frage, ob ich einen Krankenwagen rufen soll. Der Postbote versucht aufzustehen, hält sich dabei den Arm, meinte, es würde schon gehen. Die Jungs sind sichtlich erleichtert. Doch dann sagt der ältere Herr, dass wohl besser die Polizei gerufen werden soll. Ein Junge drehte sich weg und bricht in Tränen aus. Gerade gehe ich zu ihm, rede beruhigend auf ihn ein und versuche ihn zu trösten, als seine Mutter kam. Er fällt in ihre Arme und weint umso mehr.Diese Szene spielte sich letzte Woche am Spielplatz ab. Zuerst stand ich völlig unter Strom, weil ich befürchtete, es sei schlimmeres passiert. Und dann sah ich diesen Jungen, der so bitterlich weinte. Es traf mich mitten ins Herz und mir schossen selbst Tränen in die Augen. Ich war froh, dass ich eine Sonnenbrille trug und es so ein wenig verbergen konnte. Doch immer wieder, wenn ich zu ihm rüber sah, kämpfte ich erneut dagegen an, dass meine eigenen Gefühle mich nicht überwältigten. Er tat mir so unfassbar Leid. Es war ein Unfall. Bestimmt konnte der Junge nicht mehr rechtzeitig bremsen und nun stand er unter Schock und machte sich womöglich Vorwürfe. Diese Situation ging mir sehr nahe.
Das war nun ein extremes Beispiel. Doch allzu oft, selbst bei alltäglichen Banalitäten, passiert mir ähnliches.
Kennst Du dieses Gefühl?
Plötzlich setzt das Hirn einfach aus und das Herz schaltet sich ein – die Tränen laufen mir übers Gesicht, ganz egal wie sehr ich versuche dagegen anzukämpfen. Ich bin nah am Wasser gebaut – viel zu nah. Im wahrsten Sinne des Wortes weichgespült.
Oh ja, das bin ich wirklich. Weichgespült. Im Grunde genommen ging es mir schon immer so. Ich weine, wenn Musik mich berührt. Die richtigen Worte, eine schöne oder auch traurige Melodie, ganz egal, ob aus dem Autoradio, auf einem Konzert oder – noch schlimmer – in einem Musical. Ich erinnere mich an meinen Besuch im Tarzan-Musical vor ein paar Jahren. Ich habe fast die ganze Zeit da gesessen und geheult, weil es mich so berührt hat. Genauso geht es mir bei Filmen. Ob traurig, romantisch, Happy End oder auch nicht – ich bin völlig aufgelöst. Ich schaue mir zum 30. Mal Die Eiskönigin an und heule immer noch. Jedes Mal. Ich lache und weine, wenn ich Bücher lese. Alles geht mir ans Herz.
Empathie
Genau so geht es mir aber vor allem, wenn ich andere Menschen und deren Emotionen beobachte. So wie diesen Jungen am Spielplatz. Ich fühle mit – oft so sehr, dass mir eben die Tränen kommen. Und dabei ist es tatsächlich ganz egal, ob ich diese Menschen kenne, oder nicht. „Passiert“ irgendetwas – sei es positiv oder negativ – reißt es mich emotional vollkommen mit.
Seit ich Mutter bin
Das ist nur umso schlimmer geworden, seit ich Mutter bin. Manchmal glaube ich, ich sei der gefühlsduseligste Mensch, der auf diesem Planeten wandelt. Selbst wenn ich nur über so etwas rede, muss ich mich zusammenreißen – zum Beispiel, als ich meinem Mann erzählen wollte, was da am Spielplatz passiert ist. Meine Gefühle übermannen mich immer wieder.
Das ist mit ein Grund, weshalb ich es oft sogar vermeide die Nachrichten zu hören oder zu lesen. Die Situation der Flüchtlinge, Katastrophen, Anschläge – all das reißt mich mit. Auch bei Filmen oder Serien, in denen Kinder von einer schlimmen Situation betroffen sind, bin ich innerlich total angespannt und ständig den Tränen nahe. Ich kann mir sowas nur ganz schlecht anschauen.
Mama-Ding?
Doch mir geht es nicht allein so, das weiß ich. Denn während ich anfing, diese Zeilen zu schreiben, musste ich mich wieder an diesen Text von EMILUNDIDA erinnern. Als ich das las, habe ich übrigens auch geweint. Und da ich fühlte mich nicht mehr so allein mit meinen Emotionen.
Geht es Euch auch so? Ist das so ein Mama-Ding? Oder bin ich vielleicht doch einfach zu zart besaitet?